Hamburg. Im „schwersten Jahr der Firmengeschichte“ macht der Hamburger Konzern 383 Millionen Euro Verlust. Nun folgt “umfassender Umbau“.

Gerade noch vor einem Jahr hat Lufthansa Technik über neue Rekorde bei Umsatz und Ergebnis berichtet. „Nur wenige Wochen später mussten wir ums wirtschaftliche Überleben kämpfen“, sagte Johannes Bußmann, der Vorstandschef des Hamburger Weltmarktführers für die Wartung, Überholung und Reparatur von Flugzeugen am Montag, als er die Unternehmensbilanz für das erste Corona-Jahr präsentierte.

Der Kampf hält an. Erst 2023 oder 2024 werde der Markt wieder das Niveau von 2019 erreichen können – und es werde dauerhafte Veränderungen geben, erwartet Bußmann. So würden viele ältere Flugzeuge, die einen höheren Betreuungsaufwand erfordern und damit höhere Umsätze für die Luftwerft bringen, endgültig stillgelegt. Das Gleiche gilt für zahlreiche vierstrahlige Jets, die für die Triebwerks-Sparte doppelt so viele Überholungen bedeuten als zweistrahlige Maschinen.

Umfassender Umbau bei Lufthansa Technik

Auf solche und andere Veränderungen muss sich das Unternehmen einstellen. „Wir stehen mitten im bisher umfassendsten Umbau von Lufthansa Technik“, so Bußmann. Um die Struktur schlanker und effizienter zu machen, soll es statt bisher acht Geschäftsbereichen künftig nur noch fünf geben.

Nachdem schon im vorigen Jahr die Mitarbeiterzahl weltweit um gut 1100 auf rund 22.700 Personen sank – allein in Hamburg fielen 500 der zuvor 9000 Arbeitsplätze weg –, werden im Jahr 2021 nach Einschätzung des Vorstandschefs noch einmal ungefähr 1000 Beschäftigte gehen müssen. Es sei aber noch unklar, in welcher Weise die einzelnen Bereiche und Standorte des Unternehmens davon betroffen sein werden.

Weihnachtsgeld 2020 und 2021 und Urlaubsgeld 2021 fallen weg

Zur Bewältigung der Krise hatte sich der Vorstand mit der Gewerkschaft Ver.di zudem auf Personalkostensenkungen geeinigt. Das Weihnachtsgeld 2020 und 2021 und das Urlaubsgeld 2021 fallen weg, bis Jahresende gibt es keine Gehaltserhöhungen. Im Gegenzug sicherte Lufthansa Technik einen Kündigungsschutz bis Ende März 2022 zu.

„Ich weiß, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Zeiten viel abverlangen“, sagte Bußmann. 2020 sei aber „das bisher schwerste Jahr unserer Unternehmensgeschichte“ gewesen. Vom zweiten Quartal an hatte die Corona-Pandemie zeitweilig zur weitgehenden Einstellung des weltweiten Flugverkehrs geführt.

Wenige Insolvenzen von Fluggesellschaften

Dies bekam die Luftwerft, die zusammen mit ihren Betrieben rund um den Globus mehr als 4500 Flugzeuge betreut, in der Auslastung der Werkstätten deutlich zu spüren. So fiel der Umsatz um 43 Prozent auf 3,747 Milliarden Euro. Das Betriebsergebnis (bereinigtes EBIT) rutschte auf minus 383 Millionen Euro, nachdem im Vorjahr noch ein Rekordgewinn von 463 Millionen Euro zu Buche stand.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Zwar sind im vergangenen Jahr kaum Kunden verloren gegangen, weil es auch nur sehr wenige Insolvenzen von Fluggesellschaften gab. Dies sei aber den umfangreichen staatlichen Hilfsprogrammen zu verdanken gewesen, sagte Bußmann – und diese Unterstützungen laufen zumeist in diesem Jahr aus.

Viele Investitionen wurden gestoppt

Zu den Maßnahmen des Vorstands gegen die Krise gehörte der Stopp etlicher Investitionen. So ist die Errichtung einer neuen Halle in Hamburg für Arbeiten an Hydraulik-Komponenten ebenso unterbrochen worden wie der Aufbau eines Standorts für die Wartung von Triebwerksteilen in Ungarn.

Doch trotz der Auswirkungen der Krise könne das Unternehmen das Jahr 2020 „mit einer gewissen Zuversicht abschließen“, sagte Bußmann. So habe man mehr als 500 neue Verträge mit einem Auftragsvolumen von 2,3 Milliarden Euro für 2021 und die Folgejahre unterzeichnen können. Zudem zahle sich die internationale Ausrichtung jetzt aus: In einzelnen Betrieben in China und in den USA „läuft das Geschäft schon wieder sehr stabil“, wie Bußmann berichtete.

Bei digitalen Dienstleistungen läuft es gut

Bei etlichen der neu abgeschlossenen Aufträge handelt es sich nach seinen Angaben um eigens entwickelte „Krisenprodukte“, mit denen man schnell auf die Änderungen in der Kundennachfrage reagiert habe. Dazu zählten zum Beispiel Lösungen zur vorübergehenden Umrüstung von Passagierflugzeugen in Behelfsfrachter sowie Park- und Lagerdienstleistungen für stillgelegte Flugzeuge und Triebwerke.

Allerdings sieht Bußmann das Unternehmen auch in einer „sehr guten Ausgangsposition“ für die Zeit nach der Krise. So sei Lufthansa Technik durch enge Kooperationen mit Triebwerksherstellern in der Lage, die Antriebe modernster Generation, wie sie etwa am Airbus A350 oder am A320neo installiert sind, zu betreuen.

Zwei Geschäftsfelder haben sich schon 2020 entgegen dem Gesamtmarkt sehr gut entwickelt. Dazu zählen die digitalen Dienstleistungen, die unter anderem eine vorausschauende Wartung durch die Analyse von Zustandsdaten einzelner Flugzeugkomponenten ermöglichen. Im Dezember konnte die digitale Plattform um mehr als 600 Flugzeuge von United Airlines erweitert werden.

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In der Sparte für die Ausstattung und Wartung von VIP- und Spezialjets habe es im vorigen Jahr „praktisch keinen Umsatzrückgang“ gegeben und auch 2021 sei man voll ausgelastet, hieß es. Im August übernahm die Bundeswehr den ersten von drei A350, die als Regierungsflugzeuge ausgerüstet werden.

Auch Forschungsprojekte laufen weiter. So absolvierte eine Boeing 747 der Lufthansa 1500 Flugstunden mit einer Folie am Rumpf, die durch feine Rillen nach dem Vorbild der Haifischhaut den Luftwiderstand senken soll. Damit ließen sich pro Flugzeug dieses Typs mehr als 400 Tonnen Treibstoff pro Jahr sparen, hieß es.