Hamburg. Im Regenschirmfachhandel steigt der Umsatz mit der Niederschlagsmenge. Nach den Stürmen sind die Auftragsbücher für Reparaturen gefüllt.

Sturmtrotz. So heißen die Regenschirme, die Meike Vertein in vielen Farben ins Schaufenster gestellt hat. Das passte gut in den vergangenen Wochen. Nachdem die Sturmtiefs „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“ über Deutschland gezogen sind, ist ein stabiler Schirm eine gute Option im regnerischen Hamburger Winter. Meike Vertein, die mit ihrer Mutter Carola das Fachgeschäft Schirm & Co in der Innenstadt betreibt, hat jedenfalls gut zu tun.

Schon vor Geschäftsbeginn steht die 33-Jährige hinter der Ladentheke und nimmt mit geübten Handgriffen einen alten Taschenschirm auseinander. „Der Stoff ist hin, aber der Stock ist noch in Ordnung“, sagt sie. Später wird sie ihn an den richtigen Platz in ihrem Ersatzteilvorrat räumen. Aber jetzt steht schon die erste Kundin im Geschäft und hält ihr einen zerzausten blauen Schirm entgegen. „Der hat es bei dem Sturm nicht geschafft“, sagt sie.

Einzelhandel Hamburg: Schirm & Co profitiert vom Regen

Immer wieder bildet sich eine Warteschlange vor der Tür, weil wegen Corona nur zwei Kunden gleichzeitig in den kleinen Laden an der Rosenstraße dürfen. Gebrochene Stangen, abgerissene Bespannung, verlorene Befestigungsteile – so ein Schirm ist eine komplexe Sache, an der einiges kaputt gehen kann. „Für mich sieht das sehr unübersichtlich aus“, sagt ein Herr in elegantem Wollmantel, der den Regenschirm seiner Frau reparieren lassen will.

Es ist ein Exemplar aus der eigenen Produktion von Schirm & Co. „Ihre Frau hat Glück gehabt, dass ihr nichts passiert ist“, sagt Meike Vertein, nachdem sie das Gestänge begutachtet hat. Ein kompletter Satz neuer Schirmstangen ist fällig. „Das macht 45 Euro.“ Der Kunde nickt dankbar und macht Platz für den nächsten Sturmschaden.

„Wenn es regnet, verkaufen wir 80 Prozent mehr“

„Orkanartige Böen hält kein Schirm aus“, sagt die Expertin für den optimalen Regenschutz. „Wenn in Hamburg die Brücken gesperrt werden, sollte man den Regenschirm besser zulassen.“ Das gilt sogar für das besonders stabile Modell „Sturmtrotz“, das nach den Vorgaben der letzten Schirmhersteller Deutschlands auf Basis eines Fieberglas-Carbon-Gestells mit zehn Stangen gefertigt wird. In den nächsten Wochen wird das Mutter-Tochter-Duo mit den Folgen der Sturmtiefs beschäftigt sein. Trotzdem verliert Meike Vertein die gute Laune nicht. Grundsätzlich ist Regen gut fürs Geschäft.

Da kann es schon passieren, dass der Umsatz fast proportional zur Niederschlagsmenge steigt. „Wenn es regnet, verkaufen wir 80 Prozent mehr“, lautet die Faustregel der beiden Schirmherrinnen. Bei gutem Wetter interessiere sich kaum jemand für Regenschirme, dann gingen vor der Pandemie pro Tag in der Regel höchstens mal zehn Schirme über den Ladentisch. Bei Regen sind es immerhin bis zu 30 Stück.

Bei Schirm & Co: Regenschirme von 10 bis 1000 Euro kaufen

Nach monatelanger Geschäftsschließung während der Corona-Lockdowns und strengen Einlassregelungen nur für Geimpfte und Genesene ist die aktuelle Großwetterlage für das Fachgeschäft genau richtig. Die beiden Pandemie-Jahre haben dem kleinen Unternehmen, das neben dem Verkauf auch eine Schirmproduktion hat, massiv zugesetzt. Besonders hart trifft Schirm & Co auch, dass die Touristen ausbleiben. Konkrete Zahlen will Meike Vertein nicht nennen. Aber klar ist, dass sie über jeden verkauften Schirm froh ist.

Auswahl gibt es genug. Schirme mit Stock oder für die Tasche, mit edlem Holzgriff oder zum Umhängen, mit Fieberglasgestänge oder mit Automatik, als stabile Gehhilfe oder für Mädchen mit Vorliebe für Prinzessinnen. Dezent in Blau oder Schwarz, aber auch leuchtend bunt in Regenbogenfarben. Dazu Modelle für Wanderer und Golfer, als Sonnenschutz und sogar verspielte Schirmchen, die auch einer Mary Poppins gefallen würden. „Wir haben etwa 4000 Schirme von mehr als 20 Marken. Da ist für jeden was dabei“, sagt die Fachfrau.

Nur mit Billigschirmen für ein paar Euro hat sie nichts am Hut. „Das ist rausgeworfenes Geld und sollte wie Strohhalme oder Plastiktüten verboten werden“, sagt Meike Vertein resolut, die in sechster Generation die Hamburger Schirmdynastie Eggers vertritt. „Es ist doch viel schöner, wenn man einen Schirm hat, der gut verarbeitet ist und lange hält.“ Und der sich dann auch noch reparieren lässt. Bei Schirm & Co gibt es Schirme ab 10 Euro, aber man kann für besondere Modelle auch 1000 Euro bezahlen. Die Preise für die eigene Kollektion beginnen ab 100 Euro.

Der Qualitätsanspruch gehört quasi zum Familienerbe

Der Qualitätsanspruch gehört quasi zum Familienerbe. Ein Gemälde des Firmengründers Theodor Eggers hängt an der Wand des Ladenlokals. 1876 hatte er angefangen, an einem kleinen Stand auf dem Hamburger Fischmarkt Schirme zu reparieren. In besten Zeiten hatte der Traditionsbetrieb elf Filialen in Hamburg, unter anderem in der Mönckebergstraße. 1992 mussten die Schirmhersteller Konkurs anmelden, aber noch im selben Jahr eröffneten Verteins Großvater und ihre Mutter, beide gelernte Schirmmacher, den Laden an der Rosenstraße. Meike Vertein ist mit Regenschirmen aufgewachsen.

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Als Baby habe über ihrem Bettchen ein Mobile aus einem Schirmgestänge gehangen, erzählt sie. „Bei der Eröffnung von Schirm & Co wusste ich, dass ich da später arbeiten will.“ Damals war sie vier Jahre alt. Weil eine Berufsausbildung in dem alten Handwerk seit 1998 nicht mehr möglich ist, hat sie eine kaufmännische Lehre mit Fachrichtung Regenschirme gemacht. Schirme bauen kann sie trotzdem. Ungefähr 1,5 Stunden braucht sie, wenn nichts dazwischenkommt.

Am liebsten drei Tage Regen, dann wieder Sonne

Jetzt sitzt sie erst mal ein paar Tage an den Reparaturen. Dabei ist es nicht so, dass Meike Vertein für die nächsten Wochen auf Dauerregen und Sturmböen hofft. „Am besten ist das normale Hamburger Wetter mit drei Tagen Regen und dann wieder Sonne“, sagt sie. In der Logik der Schirmherrin läuft es so: Am ersten Tag werden viele nass, weil sie ihren Schirm vergessen haben. Am zweiten Tag leihen sie sich einen Schirm und am dritten Tag kaufen sie sich selbst einen.