Hamburg. Kinderwagen, Strampler, Schnuller – der Einkauf dieser Produkte gilt in Hamburg als systemrelevant. Es gibt aber auch einige Neider.
Um 10 Uhr geht das Licht an. Jan Sundhoff sperrt die Tür seines Geschäfts „Kind der Stadt“ am Eppendorfer Weg auf. Während der Friseur gegenüber seit vielen Wochen im Corona-Lockdown ist, genau wie die Modeboutiquen, Cafés, Restaurants und der Händler für skandinavische Kindersachen in der Nachbarschaft, darf Sundhoff seinen Kunden weiter im Laden alles für den Start ins Leben ihres Kindes verkaufen.
„Viele wissen gar nicht, dass wir geöffnet haben“, sagt der Einzelhändler. Anders als im ersten Lockdown sind Babyfachmärkte in Hamburg nun von den behördlich verordneten Schließungen ausgenommen – gelten als systemrelevant. „Durch das schnelle Wachstum von Kleinkindern haben Eltern den Bedarf für die zügige Beschaffung von Babyartikeln – eine Bedarfslage, die vergleichbar mit der von Drogerieartikeln oder Lebensmitteln ist“, heißt es aus der Hamburger Wirtschaftsbehörde.
Unverständnis und offene Kritik
Sundhoff zuckt die Achseln. Natürlich ist er froh über die Ausnahmeregelung, genau wie viele werdende Eltern. Aber immer wieder gibt es auch Unverständnis und offene Kritik. „Wir verkaufen überwiegend Dinge für die Erstausstattung von Neugeborenen. Das sind Sachen, die man nach einer Geburt braucht“, erklärt der 45-jährige Geschäftsinhaber den Hintergrund.
In dem schicken Ladenlokal stehen Kinderwagen von angesagten Marken wie Bugaboo, Joolz oder Cybek, die auch schon mal 1700 Euro und mehr kosten können. Es gibt Autositze in verschiedenen Größen und Formen, auch solche die an Sessel im Cockpit eines Raumschiffs erinnern. So was bestellt man nicht mal schnell im Internet.
„Nach wie vor wollen Mütter und Väter die Auswahl für den Nachwuchs sehen und sich beraten lassen“, erklärt Jan Sundhoff, der auch Schnuller, Handtücher, Kuscheltiere, Wollmützen der Eigenmarke und andere Artikel für den Baby-Grundbedarf im Sortiment hat.
Die Sundhoffs betreiben zwei Läden in Hamburg
Er weiß, wovon er spricht. Der Hamburger, der früher Marketing und Vertrieb für ein großes Musicaltheater-Unternehmen gemanagt hat, hat seine Geschäftsidee vor der Geburt seines ersten Kindes 2011 entwickelt. „Ich war damals enttäuscht über die Beratung und die Produktauswahl“, sagt er.
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Nach dem Besuch im Babymarkt schrieb der werdende Vater einen Businessplan für einen Laden, wie er ihn sich in der Situation gewünscht hätte. 2013 eröffnete Jan Sundhoff mit seiner Ehefrau Anne den ersten Kind-der-Stadt-Laden in der Hamburger Altstadt. Das Konzept, das sich mit explizitem Premiumanspruch an städtische Zielgruppen wendet, kommt an. „Wir werden mit unserem sehr ausgesuchten Angebot als Trendsetter wahrgenommen.“
Inzwischen betreiben die Sundhoffs zwei Läden in Hamburg. Seit 2015 expandiert der Babyfachhändler über ein Franchise-System bundesweit. Kind der Stadt gibt es auch in Bremen, Münster und zweimal in Hannover. In dieser Woche wird der siebte Standort in Würzburg eröffnet – mitten in der Corona-Krise. Für dieses Jahr plant Sundhoff noch zwei weitere Geschäfte in Nordrhein-Westfalen.
Ladenschließungen im Frühjahr waren ein Rückschlag
Die Ladenschließungen im Frühjahr waren für das wachstumsorientierte Unternehmen erst mal ein Rückschlag. „Obwohl wir sofort auf Telefon- und Video-Beratung umgestiegen sind und auch einen Onlineshop haben, ist der Umsatz im ersten Lockdown um 50 Prozent eingebrochen“, sagt Inhaber Jan Sundhoff. Im Jahresverlauf konnte das Unternehmen die Verluste mehr als kompensieren.
„Wir wachsen rasant und haben den Gesamtumsatz 2020 verdoppelt“, so der Gründer. Trotzdem trifft der zweite Corona-Lockdown den Mittelständler, in dessen Standorten bundesweit 34 Mitarbeiter beschäftigt sind und der gerade 50.000 Euro in die Überarbeitung des Onlineshops gesteckt hat. „Wir sind jetzt geöffnet, aber der Betrieb ist eine Gratwanderung“, sagt Sundhoff.
Statt der erlaubten 16 Kunden lässt er nur die Hälfte in den 180-Quadratmeter-Laden in Eimsbüttel. Das Stammgeschäft an der Neuen Gröninger Straße hat er in eine Abholstation für die bestellten Waren umgewandelt. „Es kommen weniger Kunden, auch die Einkaufszeiten haben sich verändert“, sagt er. Sein Team ist teilweise in Kurzarbeit.
Kunden kommen aus Berlin oder sogar aus Leipzig
Außer in Berlin und Sachsen dürfen die Baby- und Kleinkindfachmärkte im zweiten Lockdown in allen Bundesländern öffnen. BabyOne, mit 91 Standorten der größte Anbieter in Deutschland, ist mit vier Filialen in Hamburg vertreten. „Wir merken schon, dass im Lockdown weniger Leute in unsere Läden kommen. Dafür nehmen sie aber umso mehr unseren neuen Onlineservice wahr“, sagt Anne Weber, Geschäftsführerin des Familienunternehmens. Im Geschäftsjahr 2020 steigerte BabyOne die Onlineumsätze um 160 Prozent. Der Gesamtumsatz des Franchise-Unternehmens beläuft sich auf 224 Millionen Euro.
Auch bei Baby Walz an der Caffamacherreihe läuft der Verkauf. „Wir haben weniger Laufkundschaft“, sagt Marktleiter Marc Mersch und beziffert das Minus auf 50 Prozent. Trotzdem entwickelten sich die Umsätze positiv. „Die, die kommen, kaufen auch.“ Das Unternehmen hat bundesweit 21 Standorte. Zuletzt haben der Hamburger Filialleiter und sein 13-köpfiges Team Wanderbewegungen beobachtet.
„Es kommen Kunden aus Berlin oder sogar aus Leipzig zu uns nach Hamburg, weil die Läden dort geschlossen sind“, sagt er. Die meisten freuten sich, dass der Babyfachmarkt geöffnet habe. Aber auch Mersch hat schon Kritik zu hören bekommen. „Ich musste mich auch schon von Passanten vor der Tür bepöbeln lassen, dass wir ja wohl nicht systemrelevant seien.“
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In der Filiale von Kind der Stadt in Eimsbüttel klingelt an diesem Vormittag oft das Telefon. Eine Kundin kommt in den Laden, um eine neue Babytrage zu kaufen. „Ich habe draußen das Schild gelesen, dass der Laden geöffnet ist“, sagt sie. „Ich finde das gut.“ Trotzdem wirkt es ein bisschen so, als wolle Sundhoff angesichts der Ausnahmeregelung für die Ladenöffnung eher unter dem Radar bleiben.
„Die Polizei hat uns einige Male kontrolliert“, sagt er. Zuletzt war ein Streifenwagen an einem Sonnabend vor einigen Wochen vorgefahren. Offenbar hatte ein Nachbar die Ordnungshüter alarmiert, als sich vor dem Babyladen eine Warteschlange gebildet hatte.