Hamburg. Seit Anfang Juni ist der Mobilitätsdienst in Hamburg wieder in Betrieb. Jetzt erheben Mitarbeiter Vorwürfe gegen die VW-Tochter.

In Gewerkschaftskreisen gilt die sogenannte Steinkühler-Pause bis heute als ein legendärer Meilenstein bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten. Vor bald 50 Jahren erkämpfte die IG Metall unter Federführung ihres späteren Bundesvorsitzenden Franz Steinkühler nach einem dreiwöchigen Streik in Baden-Württemberg, dass Akkordarbeiter in jeder Arbeitsstunde ein Recht auf fünf Minuten Ruhepause und weitere drei Minuten für den Toilettengang haben. Zwar gilt das nur im Südwesten und wurde später auf Fließband-Akkordarbeiter eingeschränkt. Doch auch in anderen Gewerkschaftsbezirken gibt es vergleichbare Regelungen.

Das VW-Tochterunternehmen Moia, das in Hamburg den gleichnamigen Sammeltaxi-Dienst betreibt, geht nun offenbar einen anderen Weg. Aus den Reihen der etwa 700 fest angestellten Fahrer häufen sich Beschwerden über verschlechterte Arbeitsbedingungen, seitdem der Fahrdienst Anfang Juni nach fünfmonatiger Corona-Zwangspause den Betrieb wieder aufgenommen hat.

Moia weist Darstellung der Hamburger Fahrer zurück

„Kurze Pinkelpausen müssen von den Fahrern jetzt beantragt und können abgelehnt werden. Das ist entwürdigend. Zudem gelten solche Pausen jetzt als unbezahlte Arbeitszeit“, sagt ein fest angestellter Fahrer, der aus Furcht um seinen Arbeitsplatz seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ein Kollege, der aus diesem Grund ebenfalls anonym bleiben möchte, ergänzt: „Es ist Schande genug, überhaupt einen Antrag auf Toilettengang stellen zu müssen. Darüber hinaus wurden seit Einführung der Regelung alle Toilettenanträge abgelehnt.“

Moia weist diese Darstellung zurück und dementiert ein solches Vorgehen: „Die Fahrer bei Moia müssen sich grundsätzlich keine Genehmigung für eine Toilettenpause­ einholen. Natürlich müssen sich die Fahrer vor einer solchen Pause aus dem Pooling abmelden, damit keine weiteren Fahrgäste ab diesem Zeitpunkt hinzugebucht werden“, sagt eine Unternehmenssprecherin auf Abendblatt-Anfrage.

Moia-Unterlagen stützen die Angaben der Fahrer

Der Mobilitätsdienst widerspricht zudem der Darstellung, die Toilettenpausen würden nicht bezahlt. Diese würden lediglich auf dem Zeitkonto des Fahrers zunächst als Minuszeit registriert. Diese Minuszeit werde nach einem "formalen Vorgang" aber wieder gutgeschrieben. „Toilettenpausen werden bei Moia grundsätzlich bezahlt. Der Fahrer muss lediglich über seine Fahrer-App den Grund für die Pause eintragen“, so die Sprecherin.

Die Fahrer sagen, die Streichung der Minuszeit müsse beantragt werden – in der Freizeit. Firmeninterne Unterlagen, die dem Abendblatt vorliegen, legen eine andere Praxis nahe und stützen die Angaben der Fahrer. So heißt es in den „Regelungen zur Erfassung der Arbeitszeit und zur Pausenregelung der Fahrer im Betrieb Hamburg“: „Pausenzeiten sowie sonstige nicht produktive Zeiten (...) werden nicht vergütet.“

Moia in Hamburg zahlt "Sonderpausen" nicht

 Das gelte auch für „Sonderpausen“. Solche Sonderpausen „wie z. B. Toilettenpausen“, heißt es im Dokument, „sind vom Fahrer via App (...) anzumelden und dürfen erst nach entsprechender systemseitiger oder durch den Driver Manager (...) fernmündlich erteilter Genehmigung unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse genommen werden“.

Klagen aus dem Fahrerlager gibt es zudem über gekürzte sogenannte Rüstzeiten für die Überprüfung und Reinigung der Elektrobusse vor Schichtbeginn sowie kurz vor und am Ende der Ruhepause nach der Hälfte der Schicht. Die jetzt noch von Moia dafür gewährten zehn bezahlten Arbeitsminuten seien viel zu kurz, heißt es.

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 Einen Teil dieser Arbeiten erledigten die „Driver“ jetzt oft in ihrer Freizeit. Die Firmensprecherin sagt dagegen, Moia habe eine Pauschale für diese Rüstzeiten eingeführt. Wenn diese wegen besonderer Ereignisse nicht ausreiche, könne sie nach Absprache mit dem Driver Manager verlängert werden.

Uneingeschränkt bestätigt hatte das Unternehmens unlängst, dass es fest angestellten Vollzeitfahrern, die 2021 fünf Monate in Kurzarbeit waren, den Jahresurlaub kürzt. Von 24 auf 14 Tage (das Abendblatt berichtete).