Hamburg. Bremer Lürssen-Gruppe will 133 weitere Stellen bei den Hamburger Schiffbauern streichen. Wie es bei der Traditionswerft weitergeht.

Es ist ein Drama, das sich derzeit bei Hamburgs traditionsreicher Werft Blohm+Voss abspielt. Der Eigentümer, die Bremer Lürssen-Gruppe, will 133 weitere Stellen bei den Hamburger Schiffbauern streichen. Von derzeit noch 580 Beschäftigten trifft das beinahe jeden vierten. Dabei hat Blohm+Voss vor gar nicht langer Zeit bereits massiv Beschäftigte abbauen müssen.

Im November 2016 hatte Lürssen die Hamburger Werft, die unter akutem Auftragsmangel litt, übernommen. Um den Betrieb wirtschaftlich profitabel zu machen, mussten damals bereits 300 Blohmer gehen. Jetzt also ein neuer Kahlschlag. Die Beschäftigten machen deshalb gegen Lürssen Front. Rund 80 Werftarbeiter gingen am Mittwochnachmittag aus Protest vor das Werktor und machten ihrem Unmut Luft.

Betriebsratschef Murat Acerüzümoglu warnte Lürssen davor, Arbeitspakete an Neubauaufträgen für die Marine aus Hamburg abzuziehen. Das Abendblatt erklärt, worum es in der Auseinandersetzung geht und was die Hintergründe sind.

Hafen Hamburg: Warum werden Jobs bei Blohm+Voss gestrichen?

Der Auseinandersetzung liegt ein handfester Arbeitskampf zugrunde. Im Mai ist Lürssen mit der Forderung an die Arbeitnehmer herangetreten, bei Blohm+Voss wie bei anderen Werften auch die Wochenarbeitszeit von 35 auf 38 Stunden zu erhöhen. Das wurde abgelehnt. Die Geschäftsführung drohte daraufhin damit, 105 Stellen zu streichen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelten aber einen Zukunftstarifvertrag aus. Dieser sah einen sozialverträglichen Abbau von 68 Vollzeitstellen und für alle anderen eine 38-Stunden-Woche für dreieinhalb Jahre vor.

Im Gegenzug sollte es viereinhalb Jahre Kündigungsschutz geben. Doch die Beschäftigten der Werft lehnten den Stellenabbau ab. Ihre Begründung: Es gibt ja einen neuen Auftrag, der in zwei Jahren fertigungswirksam wird. Dann werden sogar viel mehr Mitarbeiter benötigt als die 580, die die Werft derzeit hat. Die Folge: Lürssen hat nun angekündigt, 133 Stellen abbauen zu wollen. Nicht wenige auf der Werft sprechen von einer „Racheaktion“.

Wie ist die wirtschaftliche Situation bei Blohm+Voss?

Die Lage bei Blohm+Voss ist tatsächlich angespannt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Lürssen hat im Oktober seinen Konzern neu geordnet. Unter dem Dach Naval Vessel Lürssen (NVL) wurde die Sparte des Marineschiffbaus zusammengezogen. Blohm+Voss wird in der Folge in vier separate Gesellschaften gegliedert. Teile werden zur Dachgesellschaft Naval Vessel gehören, Teile zum Marineschiffbau sowie zur einer Gesellschaft zur Erneuerung von Yachten. Auch der vierte Zweig „Maritimer Service“, der sich um die Reparatur der Kräne und Maschinen kümmert, wird ein eigener Betrieb.

Kleine Handelsschiffe soll die benachbarte Norderwerft warten. Die Instandsetzung großer Handelsschiffe und der Kreuzfahrtschiffe zieht Lürssen aus Hamburg ab. Zwar wird in den nächsten Wochen noch das eine oder andere Kreuzfahrtschiff in den Docks zu sehen sein, doch dabei handelt es sich um geschlossene Verträge – neue werden nicht mehr vergeben. Das schmälert natürlich die Einnahmen. Auf der anderen Seite sind die Ausgaben kräftig gestiegen.

Mit der Übernahme von Blohm+Voss gingen auch die Docks an Lürssen über. Und die Hamburger müssen dafür jetzt Miete an die Lürssen-Immobiliensparte überweisen. Um die damals marode Werft wieder fit zu machen, erneuerte die Stadt Hamburg die Infrastruktur. Kaianlagen wurden repartiert, der Parkplatz saniert. Im Gegenzug wurde die Pacht erhöht. Blohm+Voss muss heute also viel mehr an Mietkosten bewältigen als noch vor vier Jahren.

Wie wird der Jobabbau bei Blohm+Voss begründet?

Für Lürssen ist das Ziel, den Standort Hamburg wettbewerbsfähig und langfristig erfolgreich aufzustellen, noch unerreicht. „Nicht wettbewerbsfähige Kostenstrukturen, Zusatzkosten aufgrund der Pandemie, ein hart umkämpftes und branchenweit schwieriges Marktumfeld, insbesondere im Segment Refit und Repair, sowie hohe Infrastruktur- und Personalkosten sind nur einige der aktuellen Herausforderungen“, heißt es in einer Stellungnahme der Bremer. Unter Berücksichtigung des von den Gewerkschaftsmitgliedern abgelehnten Zukunftstarifvertrags sei deshalb ein erweitertes Konzept erarbeitet worden – was den Abbau von 133 Stellen vorsehe.

Wie reagiert die Gewerkschaft?

Die IG Metall Hamburg spricht von einem inakzeptablen Vorgehen der Geschäftsführung und einem „Schlag ins Gesicht“ der Beschäftigten. Deren eh schon belastetes Vertrauen in die Geschäftsführung werde weiter geschädigt. „Die Zukunftsfähigkeit des gesamten Standortes ist mit dem Personalabbau infrage gestellt“, sagt der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Hamburg, Emanuel Glass. Durch die Aufspaltung der Werft in separate Betriebe werde die Mitbestimmung weiter geschwächt. „Die Aufspaltung stellt eine Gefahr für das Bestehen des Werftstandorts dar.“

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Gab es schon vor Lürssen Probleme?

Blohm+Voss hat wie alle deutschen Werften mit der Abwanderung des Handelsschiffbaus nach Asien in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine ganze Sparte verloren. Der Stahlkonzern ThyssenKrupp, dem die Firma nach dem Rückzug der Familie Blohm in der Nachkriegszeit gehörte, setzte auf den Militärschiffbau in Kiel und wollte die Werft 2009 an die arabische Schiffbaugruppe Abu Dhabi Mar verkaufen. Das Geschäft platzte kurz vor Abschluss.

Schon damals buhlte das Bremer Familienunternehmen Lürssen um den Hamburger Standort, scheiterte aber nicht zuletzt am heftigen Widerstand aus der Belegschaft und der Politik. Stattdessen verkaufte ThyssenKrupp die Hamburger 2011 an den englischen Finanzinvestor Star Capital Partners. Dieser veräußerte mehrere Geschäftssparten der Werft, um Geld zu verdienen, und setzte auf den Bau von Luxusyachten. In den fünf Jahren Eigentümerschaft gelang es den Briten aber nicht, einen einzigen nennenswerten Yacht-Neubauauftrag zu ergattern – ein Geschäftsfeld, in dem Lürssen glänzte. 2016 ging die Werft daher an die Lürssen-Gruppe.

Diese stellte fest, dass die Vorbesitzer nichts investiert hatten und die Werft veraltet und heruntergekommen war. Durch ein Modernisierungsprogramm, eine Verkleinerung der Werft und den Abbau von 300 Stellen wurde Blohm+Voss damals wieder auf Kurs gebracht.

Hafen Hamburg: Wie geht es bei Blohm+Voss weiter?

Die Krux ist, das beide Seiten recht haben. Die wirtschaftliche Situation der Werft ist tatsächlich angespannt, nicht zuletzt weil Lürssen das Auftragsangebot durch die Neuordnung des Konzerns künstlich verknappt hat. Aber auch die Beschäftigten haben recht mit ihrem Argument, dass ein Riesenauftrag vor der Tür steht.

Die Bundesmarine hat bei der niederländischen Werft Damen Ship-yards den Bau von vier großen Fregatten geordert, die diese zusammen mit Blohm+Voss bauen will. Es ist ein Milliardenauftrag, der der Werft über Jahre Beschäftigung und Einkommen sichern wird. Einziges Problem: Noch ist man in der Planung. Bis der Bau beginnt vergehen noch eineinhalb Jahre. Mitte 2023 oder Anfang 2024 könnte es bei Blohm+Voss also wieder aufwärtsgehen.