Hamburg. Tausende Mitarbeiter sollen wechseln. Die IG Metall organisiert Widerstand und spricht von einer “Spaltung der Belegschaft“.

Mitten in der coronabedingten Branchenkrise baut Airbus seinen Konzern um – auch mit Blick auf das geplante „grüne“ Flugzeug. Die Rumpfstrukturmontage soll völlig neu organisiert werden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen für den Standort Hamburg mit seinen insgesamt 15.000 Beschäftigten.

Airbus baut um: Was gehört zur Rumpfstrukturmontage?

Während in Frankreich die vorderen Rumpfsegmente und das Cockpit gefertigt werden, gehört zu den Tätigkeiten von Airbus in Deutschland die Produktion der mittleren und hinteren Rumpfsektion für alle zivilen Flugzeugtypen des Konzerns.

Die Strukturmontage reicht von der Fertigung der Rumpfschalen aus Aluminium oder Kohlefaserwerkstoff bis zum Zusammenbau kompletter Rumpfsektionen – letzteres erfolgt in Hamburg. Die anschließende Ausrüstung der Rümpfe mit Elektrokabeln, Hydraulik- und Klimarohren gehört nicht mehr zur Strukturmontage.

Was plant Airbus mit dem Bereich?

Der Flugzeugbauer möchte ein neues Tochterunternehmen gründen, das zu 100 Prozent im Besitz des Konzerns bleiben soll. Der Name für die Firma steht noch nicht fest, er soll aber die Bezeichnung Airbus enthalten. Die neue Tochter soll Anfang 2022 an den Start gehen. Über diese Pläne wurden am Mittwoch die Arbeitnehmervertreter informiert.

In der neuen Tochter sollen das gesamte Werk in Stade und die Strukturmontage in Hamburg mit Teilen der Airbus-Konzerntochter Premium Aerotec Group (PAG) zusammengeführt werden, nämlich die kompletten Standorte Nordenham, Bremen und teilweise Augsburg. Künftig soll die neue Firma rund 7000 Beschäftigte in Deutschland haben. Auf Finkenwerder sind in der Strukturmontage 1600 Beschäftigte tätig, die in die neue Tochter wechseln sollen. Mit dem Stader Werk kommen 2000 Mitarbeitende hinzu, der Rest dürfte von PAG kommen.

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Welche Rolle spielt die Premium Aerotec Group für Airbus?

Entstanden ist die Premium Aerotec Group zu Jahresbeginn 2009 durch die Ausgliederung der Airbus-Werke in Nordenham und Varel und deren Zusammenschluss mit dem Standort Augsburg, der bis dahin zum Airbus-Mutterkonzern EADS (2013 umbenannt in Airbus Group) gehörte. Alleiniger Eigentümer blieb zwar der Konzern. Ursprünglich war aber vorgesehen, die PAG komplett oder teilweise zu verkaufen. Dieser Plan wurde erst vor wenigen Wochen endgültig fallen gelassen.

Außerdem sollte die PAG, zu deren Kernkompetenzen nach eigener Darstellung die Entwicklung und Fertigung von großen Flugzeugbauteilen zählt, auf dem Weltmarkt um externe Kunden werben. Das ist nur in begrenztem Umfang gelungen. So liefert die PAG unter anderem auch Bauteile für die Boeing 787 „Dreamliner“. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Augsburg hat 8000 Beschäftigte an sechs Standorten in Deutschland und Rumänien und war von dem Corona-Sparprogramm des Airbus-Konzerns im vorigen Jahr überproportional betroffen.

Wie begründet Airbus den Umbau?

Der Konzern betrachtet die Flugzeugstrukturmontage nun als „Kernaktivität“, für die man „eine moderne, indus­trielle Fertigung“ aufbauen wolle. Das habe direkt nichts mit Corona und der damit verbundenen Branchenkrise zu tun, sagte Airbus-Deutschland-Chef André Walter im Gespräch mit Journalisten. Vielmehr sei entscheidend, dass man bei neuen Produkten „sehr stark auf den Bereich Wasserstoff und neue Technologien setzen“ würde, so Walter.

Im vergangenen Herbst stellte man die Pläne für wasserstoffangetriebene „grüne“ Flugzeuge vor. 2035 soll so ein Flieger in der Luft sein. Da die für das Gas benötigten Tanks sehr voluminös sind, müssen sie in jedem Fall im Rumpf untergebracht werden. Es könnte sogar ein vom Aussehen völlig neues Flugzeug konstruiert werden. Als eines von drei Modellen wird ein „Blended-Wing-Body“ erwogen, der dem US-Bomber B-2 gleicht und wie eine Flunder aussieht. Ist das Kerosin bisher größtenteils in den Tragflächen verteilt, könnte der Tank bei diesem „Nurflügler“ mitten im Flieger platziert werden. „Gerade die Frage, wo ein Wasserstofftank sitzt, hat natürlich einen großen Einfluss auf die Rumpfstruktur“, sagte Walter. Deshalb zähle man diesen Bereich zur Kernaktivität.

Ein Sprecher ergänzte, dass die Rumpfschalen bisher quasi wie von einem externen Lieferanten eingekauft würden. Es liege also ein Teil der Wertschöpfungskette bei Airbus, ein anderer bei Premium Aerotec. Die künftige Einheit werde nicht wie ein Zulieferer agieren, sondern integrierter – wenn auch eigenständiger – Teil der Airbus-Produktion sein. „Das macht es im Hinblick auf die Schnittstellen wesentlich effizienter für uns“, sagte der Sprecher.

Wie reagieren Gewerkschaft und Betriebsrat auf die Pläne?

Mit ungewöhnlicher Schärfe hat die IG Metall die Pläne des Konzerns zurückgewiesen. „Die Ankündigung ist ein Angriff auf die Airbus- und Premium-Aerotec-Standorte in Deutschland“, sagte Daniel Friedrich, Leiter des IG-Metall-Bezirks Küste. „Die Pläne gefährden Tausende von Arbeitsplätzen“, so Friedrich. Eine Zerschlagung der PAG und eine Ausgliederung einzelner Airbus-Standorte „werden wir nicht akzeptieren.“

Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, lehnt die Umbau-Pläne von Airbus ab.
Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, lehnt die Umbau-Pläne von Airbus ab (Archivbild). © picture alliance/dpa/Axel Heimken | Unbekannt

In einem Informationsschreiben des Airbus-Konzernbetriebsrats an die Mitarbeiter ist von einer „Spaltung der Belegschaft“ bei Airbus und bei PAG die Rede. Wenn diese Pläne weiter verfolgt würden, müsse man „in den Konfliktmodus übergehen“. Airbus habe selbst darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung auch der „Kostenfaktor“ eine Rolle spiele, so Friedrich – und Kostensenkungen gingen zumeist zulasten der Beschäftigtenzahl.

Steigt der Druck auf die Arbeitskonditionen?

Auf längere Sicht stehe womöglich sogar der Verbleib der neuen Strukturmontage-Einheit im Airbus-Konzern infrage: „Wenn man einen Bereich stärken möchte, muss man ihn nicht in eine neue Gesellschaft ausgliedern. Das macht doch nur Sinn, wenn es zumindest Gedankenspiele gibt, sich später davon zu trennen.“

Auf jeden Fall werde der Druck auf die Arbeitskonditionen steigen, wie das Beispiel von PAG gezeigt habe, so Friedrich. Zwar gelte dort – genau wie bei Airbus – der Metall-Tarifvertrag. In Details wie etwa Kurzpausen oder Prämienentgelten gebe es aber inzwischen Abweichungen zulasten der Beschäftigten. Noch unklar sei zudem, zu welchen Konditionen neue Mitarbeiter eingestellt würden.

Wie steht das Management zu der Kritik der Gewerkschaft?

Die Frage, ob mit der Umstrukturierung ein Jobabbau einhergehe, verneinte Walter: „Es ist nicht das Ziel, dort Arbeitsplätze abzubauen.“ Die stark fragmentierte Struktur solle nun „in den Wertstrom“ integriert werden. Der Austausch mit den Sozialpartnern laufe. Dass beide Seiten die Pläne „unterschiedlich bewerten, das mag so sein“, sagte Walter, der auch Werksleiter in Hamburg ist. Ein schlechtes Betriebsklima in einem Werk, in dem die Mitarbeiter verschiedenen Firmen angehören, befürchtet er nicht.

„Wir wollen keine Zweiklassen-Gesellschaft schaffen, und deswegen werden die Beschäftigungsbedingungen in den Unternehmen gleich sein“, sagte Walter. Offen blieb allerdings, ob das auch für später in die Tochterfirma eintretende neue Mitarbeiter gilt. „Wir sind ja einheitlich tarifgebunden. Von daher wird das sicherlich Gegenstand der Verhandlungen mit den Sozialpartnern sein“, sagte Walter. Unbeantwortet blieb vom Konzern auch die Frage, warum man die PAG-Mitarbeiter nicht einfach wieder in den Airbus-Konzern hereinholt. Ein Sprecher sagte lediglich: „Wir bringen sie näher an Airbus heran.“