Hamburg. Die Agentur-Gründerin sah Beschäftigte noch vor Kurzem am liebsten im Büro. Nun gibt es drei neue Arbeitsmodelle.

Die Anwesenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist übersichtlich an diesem Vormittag in den Räumen der PR- und Kommunikations-Agentur Frau Wenk. Gerade einmal acht Beschäftigte inklusive Chefin Andrea Buzzi verteilen sich auf den 400 Quadratmetern Büro im zweiten Stock von Haus D des Gewerbehofs an der Conventstraße in Eilbek.

 Längst nicht jeder Arbeitsplatz und Bürostuhl ist besetzt. Und viel voller wird es auch in Zukunft selten sein bei Frau Wenk – obwohl das Unternehmen seit Beginn der Corona-Pandemie vier Jobs geschaffen und jetzt insgesamt 20 Beschäftigte hat.

Homeoffice: Hamburger PR-Agentur setzt auf neue Arbeitsmodelle

Doch ungefähr die Hälfte von ihnen hat sich entschieden, auch künftig überwiegend oder nur noch außerhalb des Büros zu arbeiten. Andrea Buzzi und ihre Co-Geschäftsführerin Susanne Hohenschuh haben bei Frau Wenk eine Art Homeoffice hoch drei eingeführt. Es gibt gleich drei unterschiedliche Arbeitsmodelle. Das ist eine Lehre aus der Zeit des zunächst selbst verordneten und dann angeordneten Arbeitsalltags zu Hause.

„Wir haben trotzdem sehr produktiv und effizient gearbeitet“, sagt Buzzi. Die Geschäftszahlen geben ihr Recht. „Der Umsatz in der Branche ist im vergangenen Jahr um acht Prozent gesunken, wir haben ihn um 20 Prozent gesteigert“, sagt sie. Auch in diesem Jahr sehe es sehr gut aus. „Wir streben drei Millionen Euro Umsatz an.“ Derzeit sind vier freie Stellen zu besetzen.

Anonyme Umfrage zeigte, was Mitarbeiter möchten

Grundlage für die drei Arbeitsmodelle, die es in der Agentur jetzt gibt, war eine anonyme Befragung der Beschäftigten. Deren Ergebnis: Es gibt da ganz unterschiedliche Interessen. Manche wollen überwiegend im Büro sein, aber auch mal zu Hause, andere überwiegend daheim arbeiten, aber auch mal im Büro. Und es gibt auch einige, die nur ganz ausnahmsweise oder gar nicht in die Conventstraße kommen wollen.

Die sogenannten Officer sind für gewöhnlich an vier Tagen pro Woche im Büro und einen Tag zu Hause. Dafür haben sie weiter einen eigenen Schreibtisch in der Firma und durften sich aussuchen, wo der steht. Wer zwei oder mehr Tage nicht da sein möchte, muss sich an den Büro-Tagen mit seinem Rollcontainer einen Schreibtisch suchen – und ihn abends aufgeräumt und leer verlassen.

Der Arbeitsplatz dieser Flexer daheim ist weitgehend von der Firma ausgestattet. Jeweils knapp die Hälfte der Beschäftigten hat sich für eines dieser beiden Modelle entschieden. Ein Mitarbeiter arbeitet nach dem dritten Modell – und fast ausschließlich daheim. Er ist der derzeit einzige „Homie“.

„Ich muss nicht jeden und jede jeden Tag sehen“

Kann das funktionieren? Andrea Buzzi, die mit Geburtsnamen Wenk hieß, scheint bisweilen selbst überrascht. „Noch im Herbst vergangenen Jahres habe ich gesagt: ,Wir sind eine Präsenzagentur, wir leben von unserer gesammelten Kreativität und müssen jeden Tag zusammenkommen’“, erzählt sie. Und dass sie diese kurzen Steh-Meetings am Morgen toll fand, bei denen früher mit allen das Tagesgeschäft besprochen wurde. „Da konnte man sofort spüren, wie die Stimmung gerade so ist.“

Inzwischen weiß sie, dass es auch anders geht. Und findet es besser. „Hier hat und kennt jeder Mitarbeitende seine Ziele, die regelmäßig alle drei Monate mit uns besprochen werden. Ich muss nicht jeden und jede jeden Tag sehen.“ Als Unternehmerin habe sie jetzt weniger Stress, auch sie hat jetzt keinen eigenen Schreibtisch mehr im Büro. Und zum Stimmungsbarometer sind die internen Kommunikationskanäle geworden. „Wenn da nicht mehr rumgeflachst wird oder das große Schweigen ausbricht, weiß ich: Da ist irgendwas los.“

Klappt das auch in großen Hamburger Firmen?

Vielleicht ist es so, dass ein so ausgefeiltes System unterschiedlicher Arbeitsmodelle in einem kleinem, übersichtlichen Unternehmen besser funktionieren kann, als in einem mittelgroßen oder großen. Und auch die Branche, in der die Agentur vornehmlich unterwegs ist, spielt wahrscheinlich eine Rolle. „Wir können Technik gut erklären und erzählen Digitalisierungsthemen“, sagt Alexander Becker, der unter anderem Chefredakteur der agentureigenen Zeitschrift ist, in der es um Themen wie künstliche Intelligenz geht.

„Unsere Kunden sind Unternehmen, die das Internet am Laufen halten und es besser machen. Bei denen hat mobiles Arbeiten schon immer eine große Rolle gespielt“, sagt Andrea Buzzi. Es sind Firmen, von denen der Normalverbraucher nie gehört hat und mit denen er nie direkt in Berührung kommen wird. Der Job von Frau Wenk ist, ihre Kunden innerhalb der Branche bekannt zu machen.

Teambuilding per Video-Plauderei

Felix Buske tut das als Multimediaredakteur. Man könnte sich den 25-Jährigen auch sehr gut als einen dieser digitalen Nomaden vorstellen, die ihren Job mit dem Laptop erledigen, während sie am Strand auf den Kanaren oder neben einem Yak am Fuße des Himalaya sitzen. Doch Buske sagt: „Ich bin froh, nach sieben Monaten wieder im Büro sein zu können.“ Er ist einer der Officer, ein Tag Arbeit daheim reicht ihm. „Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist jetzt wieder eindeutig.“

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Sein Chef Alexander Becker hat in der Homeoffice-Phase einen neu eingestellten Kollegen in sein Team geholt, das sich nur in Videokonferenzen begegnete. Derzeit tut er das mit einer Kollegin, die in Heidelberg lebt. Beckers Weg des virtuellen Teambuilding ist die Plauderei. „Wir reden am Anfang des täglichen Videomeetings erstmal ein paar Minuten über Privates. Neulich ging es um Klettergerüste für die Kinder“, sagt er. Zwischendurch immer mal wieder ein Telefonat, in dem es nicht um den Job gehe, helfe auch. „Ich freue mich jedes Mal, wenn die oder der Neue zum ersten Mal ,wir“, sagt, wenn es um die Firma geht.“

Eine Chance für die Firma in Hamburg

Andrea Buzzi, deren Berufsweg vor mehr als 30 Jahren als Schwesternschülerin im Hamburger UKE begann, hat neulich zwei Wochen lang von einer mallorquinischen Finca aus gearbeitet. Morgens Yoga und Pool, nach dem Frühstück Videokonferenzen und nach dem Mittagsbuffet noch ein paar Stunden Arbeit. „Am Wochenende war dann Urlaub. Das hat gut funktioniert, es war jedenfalls deutlich effektiver als vor Jahren, als ich mal drei Monate lang von Bali aus versucht habe“, sagt sie und lacht.

Großzügige Regelungen beim mobilen Arbeiten, seien heute Voraussetzung dafür, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, weiß die Gründerin. „Wir führen gerade Gespräche mit zwei Bewerbern. Von beiden habe ich den Eindruck, dass ihnen das wichtig ist.“ Einer der Bewerber lebt in Süddeutschland und ist dort wegen der Familie gebunden.

Andrea Buzzi sieht in solchen Konstellationen auch eine Chance für das Unternehmen. „Falls wir uns entscheiden sollten, zum Beispiel nach Berlin zu expandieren, könnte ein Mitarbeiter, der dort lebt und ohnehin schon für uns arbeitet, die neuen Kunden betreuen.“