Hamburg. Hamburger sind mit ihrer Firma Urban Apes mittlerweile größter Boulderhallenbetreiber des Landes. Doch sie haben weitere Pläne.
„Das hier ist unser Herzstück“, sagt Malte Weber. Der 41-Jährige steht in einer Halle des Bunkers an der Feldstraße auf einer Weichbodenmatte. Von der Decke ragen bis kurz über den Boden zwei künstliche Felsen herab, an denen verschiedenfarbige Haltegriffe angeschraubt sind.
In den meisten Hallen könne man so eine Konstruktion aus statischen Gründen gar nicht bauen, weil sie eher in Leichtbauweise errichtet seien. Das ist in dem Bunker naturgemäß anders. „Mit einem Meter Stahlbeton darüber geht das gut. Ansonsten geht es gar nicht. Das ist einmalig in Deutschland“, sagt Geschäftspartner Lars Großkurth.
Urban Apes eröffnete vor zehn Jahren erste Kletterhalle
Vor zehn Jahren machten sich die beiden Hamburger Unternehmer selbstständig und gründeten Urban Apes – die Stadtaffen. In Lübeck eröffneten sie ihre erste Kletterhalle, in der sie später den Boulderbereich ausbauten. Bouldern ist das Klettern ohne Seil und Gurt in einer Höhe von maximal 4,50 Metern.
Sie konzentrierten sich auf das seillose Klettern und eröffneten bis zur Corona-Krise zwei weitere Boulderhallen. Heute sind sie sogar an neun Standorten aktiv – eine ungewöhnliche Wachstumsgeschichte für die hart von der Pandemie getroffene Freizeitbranche.
"Wir müssen zusammen eine Kletterhalle aufmachen"
Doch bevor es so weit kam, musste Weber viel Überzeugungsarbeit leisten. Vor 15 Jahren begann er im Eppendorfer Meridian an einer Kletterwand Unterricht zu erteilen. „Lars war einer meiner ersten Privatschüler. Was er an der Wand machte, sah grauenhaft aus“, erinnert sich Weber und lacht. Großkurth war damals noch beim Zigarettenkonzern Reemtsma als Manager angestellt.
Am Wochenende gab es gemeinsame Autotouren ins Weser-Leine-Bergland, um ihm am Gebirgszug Ith das Klettern beizubringen. „Ich habe ihn dann die ganze Zeit vollgequatscht: ,Mensch, wir müssen zusammen eine Kletterhalle aufmachen.‘ Irgendwann hat Lars zugestimmt“, sagt Weber.
Kletterhalle in Lübeck – Gründer wohnen in Eimsbüttel
Sie suchten in ganz Norddeutschland nach Standorten. Für die Kletterhalle brauchten sie eine Deckenhöhe von zehn Metern. Das gab es relativ selten. Schließlich wurden sie in einem Lübecker Industriegebiet fündig. Daher ist der Sitz der Firma auch heute noch in der Trave-Stadt, die beiden Gründer wohnen allerdings in Eimsbüttel.
Doch plötzlich mischte im benachbarten Stockelsdorf ein zweiter Anbieter mit, der überraschend eine Halle eröffnete. Jahrelang lief das Geschäft eher schleppend, bis der Konkurrent einige Jahre später aufgab. „Rückblickend haben wir aus der Startphase viel gelernt“, sagt Großkurth.
Urban Apes: Boulderhallen eröffnen in Hamburg und Norderstedt
„Wir haben 35 bis 40 Prozent unseres Umsatzes auf dem kleinen, 20 Quadratmeter großen Boulderbereich gemacht, der eigentlich nur zum Aufwärmen für die Kletterer gedacht war“, sagt Nick Mammel. Der 37-Jährige ist gelernter Veranstaltungskaufmann, Erlebnispädagoge und veranstaltete als Klettertrainer im Harz Touren. Die Liebe verschlug ihn nach Lübeck, er wurde Mitarbeiter Nummer eins und ist heute als Geschäftsführer bei Urban Apes für das operative Geschäft zuständig, während die Gründer als Gesellschafter eher strategisch denken.
2016 wurde in einer benachbarten Halle der Boulderbereich deutlich erweitert – und später zum Geschäftsmodell erkoren. In Wandsbek und Norderstedt wurden reine Boulderhallen errichtet. „Im Prinzip kann jeder bouldern, der eine gewisse sportliche Grundeignung mitbringt“, sagt Mammel. Es gibt bei den Routen acht Schwierigkeitsstufen, die durch verschiedene Farben markiert sind. An Start- und Zielgriff hängt ein Zettel mit der Nummer der Route. Bei der ersten Stufe gehe es an der Wand quasi wie auf einer Leiter nach oben. Man habe schnell Erfolgserlebnisse.
Gründer von Urban Apes wittern eine Chance
Die Kraft beim Klettern kommt aus den Beinen. „Die Hände sind nur dafür da, sich irgendwie an der Wand zu halten“, sagt Mammel. Man brauche kein Seil, keinen Trainer und müsse sich nicht verabreden. Dennoch kämen die Sportler auf den Weichbodenmatten schnell ins Gespräch, man sei also durchaus sehr kommunikativ. Und: „Beim Bouldern kann man sich schnell kaputt spielen und in einer Stunde auspowern.“
Die Halle in Wandsbek war von Beginn an voll und arbeitete schnell operativ profitabel, heißt es. Doch dann kam Corona. Monatelang war wegen des Lockdowns geschlossen. Doch das Unternehmen, das auch Staatshilfen bekam, witterte darin eine Chance. Die Pandemie sei zweischneidig für sie verlaufen, sagt Großkurth. Natürlich fehlten in der Zeit wichtige Einnahmen, und es sei schmerzhaft gewesen, die Türen dicht lassen zu müssen. „Wir haben uns nach dem ersten Lockdown aber auch die Karten gelegt und gefragt, was wir wollen. Und uns dann entschieden, alles auf eine Karte zu setzen, die außergewöhnliche Situation als Sprungbrett zu nutzen. Und wir sind losgegangen, um Kapital einzuwerben“, sagt der 48 Jahre alte studierte Betriebswirt.
200 Mitarbeiter stehen auf der Gehaltsliste der Gründer
Bei einer Münchner Beteiligungsgesellschaft waren sie erfolgreich und erhielten eine kräftige Finanzspritze. Sie übernahmen zwei Hallen in Berlin und je eine in Kiel und Lüneburg. Bei ihren Verhandlungen seien sie kaum auf Geschäftsleute gestoßen, denen in der Covid-19-Krise das Geld ausgegangen sei. Eher waren die Menschen von der Situation gestresst und hätten den positiven Blick für die Zukunft verloren.
„Wir haben den Optimismus nie verloren, immer gesagt: Das ist ein so cooler Sport, den werden die Leute immer weiter machen wollen. Das war ein Wendepunkt unserer Geschichte. Mit neun Hallen sind wir nun Marktführer in Deutschland“, sagt Großkurth. Der Münchner Konkurrent Boulderwelt kommt auf sechs Standorte. Rund 200 Personen stehen auf der Gehaltsliste von Urban Apes, die Hälfte davon in Hamburg.
Kletterhalle für Familien eröffnete in Stellingen
In den vergangenen zwei Jahren sei ein hoher einstelliger Millionen-Euro-Betrag in das Wachstum investiert worden. In Stellingen wurde im vergangenen Oktober eine neue Halle eröffnet, die besonders auf Familien zugeschnitten ist. Und nur zwei Monate später folgte der Bunker auf St. Pauli als neuestes Projekt im sogenannten Soft Opening. Es wurden also erste Kunden empfangen, ohne groß Werbung dafür zu machen.
Beim Besuch unserer Zeitung wird kräftig geschraubt. Das ist gewollt und ein Dauerzustand. „Wir bauen das Studio alle sechs Wochen neu“, sagt Weber, der in seinem Leben nie als Angestellter gearbeitet hat. An den vier Standorten in Hamburg werden jede Woche knapp 100 Routen neu geschraubt, damit es für Dauergäste stets etwas Neues gibt.
Urban Apes: Bald soll es zehn Standorte geben
Denn neben der Tageskarte für normalerweise 14,90 Euro gibt es auch drei verschiedene Mitgliedschaften für 35 bis 59 Euro im Monat. Etwa die Hälfte der Boulderer sind Mitglieder. Wer den Höchstbetrag zahlt, kann alle Urban-Apes-Hallen unbegrenzt besuchen.
Bald werden es zehn Standorte sein. In Schwerin kommt direkt am Bahnhof ein alter Lokschuppen hinzu, der noch ausgebaut wird. Spätestens Anfang 2024 soll er eröffnen. Man führe Gespräche und wolle weiter expandieren, heißt es. Mit zunehmender Größe gibt es vor allem bessere Einkaufskonditionen, zum Beispiel für Kletterschuhe, die für 2,90 Euro geliehen werden können. Aber auch für die Klettergriffe, die in die Wand geschraubt werden. Denn diese sind mit einem Stückpreis zwischen 70 und 250 Euro alles andere als günstig.
Süd-Hamburg gilt als mögliches Expansionsziel
Man wolle von Norddeutschland und Berlin ausgehend wachsen. „Synergien zu heben ist viel schwieriger, wenn man geografisch weit auseinander liegende Standorte hat“, sagt Großkurth, der in Hamburg als Gründer der Craft-Beer-Brauerei Landgang bekannt ist. Die Übernahme kleinerer Ketten mit zwei, drei Studios in der Mitte Deutschlands wäre ein möglicher nächster Expansionsschritt.
In der Hansestadt wäre der Sprung über die Elbe auf die Südseite eine mögliche Option. „Es gibt verhältnismäßig viele Boulderer/Kletterer in der Stadt – und dafür noch verhältnismäßig wenige Angebote“, sagt Mammel. „Unser Ziel war, in fünf Jahren zehn Hallen zu haben – das schafften wir in einem Jahr.“
Im Bunker sind 1500 Quadratmeter langfristig gemietet
Mehr als eine Million Euro werde im Bunker investiert – alles in Absprache mit dem Denkmalschutz. 1500 Quadratmeter sind langfristig gemietet, auf knapp 1000 davon wird gebouldert. Das Café ist schon fertig. Zwei Fitnessbereiche werden noch gebaut, mit Matten und Freihanteln im Erd- und Geräten im Obergeschoss, damit die Boulderer gezielt Muskelgruppen stärken können und sich den Besuch in einem weiteren Studio sparen.
Mit Blick auf das benachbarte Millerntor-Stadion soll noch ein Wellnessbereich mit zwei Saunen und einem Whirlpool folgen. Ende des Jahres soll dieser Part genutzt werden können. Die Menschen im Schanzenviertel seien die perfekte Zielgruppe mit einem Alter von 27 bis 35 Jahren und dem urban-szenigen Lebensgefühl, sagt Mammel: „Bouldern ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen – unsere Halle im Bunker mitten in der Stadt zeigt das exemplarisch.“