Hamburg. Betrüger sind schneller als Behörden – und verdienen sich eine goldene Nase. Experten befürchten, dass GbR in den Fokus geraten.
Auf den ersten Blick sehen die Rechnungen amtlich aus. Oben prangt ein Abzeichen, das an ein Länderwappen erinnert, darunter ist eine „Zentrale Zahlstelle“ des Amtsgerichtes Altona angegeben. Auch die Rechnung an sich wirkt auf die Empfänger nachvollziehbar, haben sie doch vor Kurzem einen neuen Eintrag etwa ins Handelsregister veranlasst. „Zahlen Sie bitte unter Angabe des Kassenzeichens innerhalb von drei Werktagen auf das oben bezeichnete Konto“, ist da zu lesen.
Happige 698 Euro werden in Rechnung gestellt für den Betreff „01 Eintragung mit wirtschaftlicher Bedeutung § 58 GNotKG § 1, HRegGeBV, Nr 250 GV“. Es sieht für die Adressaten so aus, als habe alles seine Richtigkeit, so ähnliche Schreiben hat jeder schon einmal gesehen. Und doch sind sie cleverer Betrug: In dem Beispiel, das die Hamburger Justiz als Warnung im Internet zeigt, geht die Überweisung nicht an die Staatskasse, sondern nach Litauen – ablesbar in der IBAN, die mit dem verräterischen Kürzel LT beginnt.
Betrug mit falscher Rechnung: Hamburger Justiz warnt vor mieser Masche
Wenn die echte Rechnung eintrifft, ist das Geld längst weg – beziehungsweise es hat ein anderer. Denn die Betrüger sind nicht nur schneller, sie scheinen oft auch technisch versierter als staatliche Stellen.
Das Geschäft mit falschen Rechnungen floriert: Immer wieder sieht sich die Gerichtspressestelle veranlasst, vor gefälschten Handelsregister-Rechnungen (2023), vor einer „Betrugsmasche mit gefälschten Zahlungsbefehlen“ (Januar 2022), vor gefälschten „Pfändungsbeschlüssen einer fiktiven Gerichtsvollzieherin“ (August 2022) oder irreführenden Rechnungen zu Eintragungen ins Handelsregister (März 2021) zu warnen.
„Leider sind betrügerische Rechnungen nach Eintragungen ins Handels- oder Vereinsregister und andere Betrugsmaschen mit Gerichtsbezug immer wieder ein Thema, wobei vieles darauf hindeutet, dass es sich nicht um ständige Erscheinungen, sondern um Wellen handelt“, sagt Kai Wantzen, Sprecher des Hanseatischen Oberlandesgerichts. „Anzeichen dafür sind jeweils gehäufte Nachfragen beim Handelsregister, der Justizkasse, der Präsidialabteilung des Amtsgerichts oder entsprechende Hinweise aus den Notariaten, über die die Anmeldungen eingereicht werden.“
Eintrag ins Gesellschaftsregister: Nun könnten GbR Opfer werden
Nun könnte es wieder losgehen, fürchten Hamburger Notare. Seit Jahresbeginn gibt es eine Neuregelung für Gesellschaften bürgerlichen Rechts – die beliebten GbR. Oftmals haben in der Vergangenheit auch Eheleute sich beispielsweise als GbR ins Grundbuch eintragen lassen. Das hatte Vorteile, weil sich so Anteile ohne Notar verschieben ließen, doch nun könnte daraus ein teurer Nachteil erwachsen. „Ich fürchte, dass diese GbR-Konstruktion manche Privatpersonen bis zu 1000 Euro kosten könnte, wenn professionelle Betrüger falsche Rechnungen versenden“, warnt der Notar Jens Jeep vom Notariat Ottensen.
Seit dem 1. Januar gibt es ein neues Register, das sogenannte Gesellschaftsregister. Früher oder später muss hier jede GbR, die im Grundbuch steht, eingetragen werden, spätestens dann, wenn über das Grundstück verfügt werden soll. Viele Bürger erledigen das gleich zu Jahresbeginn. Die Notare helfen und warnen zugleich: Denn aus der GbR, deren Gesellschafter nur im Grundbuch stehen, wird eine eingetragene GbR, die im öffentlich einsehbaren Gesellschaftsregister aufgeführt wird.
„Das Problem dabei ist, dass bei jeder neuen Gesellschaft die Eintragung im Register einige Tage früher erfolgt, als die Gesellschaft eine Mitteilung darüber vom Gericht zugesandt bekommt“, warnt der Ottenser Notar. Die Gerichte kommunizieren eben nicht per Mail oder SMS, sondern per Post. Erst wenn dieses Schreiben eingeht, bekommt die Gesellschaft die offizielle Registerrechnung. Dann ist es oft zu spät.
Betrüger scannen Veränderungen im Handelsregister
Findige Betrüger sind schneller: In den Warnungen der Gerichtspressestelle heißt es, dass Unbekannte „offenbar systematisch das Internet nach neu veröffentlichten Registereintragungen durchsuchen“, aus denen sich die Daten der Betroffenen ergeben. Mithilfe der auf echt geschminkten formularähnlichen Anschreiben und vorausgefüllten Überweisungsträgern werden die Empfänger veranlasst, den geforderten Betrag an die Absender zu überweisen. Erst wer genauer hinsieht, dem fällt ein irrlichternder Absender aus, ein Fantasiewappen oder die IBAN aus dem Ausland, etwa aus Litauen, Irland, Polen oder Griechenland.
Wantzen erklärt, dass diese Taten oft in Wellen verlaufen. Vor einem knappen Jahr gingen Dutzende Nachfragen zu Fake-Rechungen ein, die ein angebliches Hamburger Amtsgericht verschickt hatte – bis zu 60 Rückläufer unzustellbarer Sendungen dieser Art gingen pro Tag in Hamburg ein. „Wann immer es in der Vergangenheit gehäufte Meldungen über gefälschte Rechnungen oder Forderungsschreiben gab, haben wir durch die Veröffentlichung von Pressemitteilungen mit Warnhinweisen versucht, für Aufmerksamkeit zu sorgen“, sagt Wantzen. „In allen Fällen, auf die wir aufmerksam werden, leiten wir die Hinweise an die Staatsanwaltschaft weiter, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen.“
Betrug: Das Geld verschwindet im Ausland
Bislang aber ist es offenbar kaum gelungen, die Täter zu überführen. Zumindest flammt das Treiben immer wieder auf. Nun fürchten Hamburger Notare, dass eine neue Welle ins Haus stehen könnte: Kämen jetzt „normale“ Bürger mit ihrer GbR ins Register, könnten Gauner ein noch leichteres Spiel haben. Denn hier fehlt das Problembewusstsein. Auch die Warnungen der Gerichte kommen oft erst, wenn es zu spät ist und die Empfänger längst Opfer wurden. Diese Warnschreiben stecken erst mit der richtigen Rechnung in der Post, erzählen Insider. Es sei sogar schon vorgekommen, dass Betrüger falsche Rechnungen mit eigenen Warnschreiben vor anderen Neppern schicken.
„Es ist deprimierend, dass es auch im Jahr 2024 offenbar immer noch möglich ist, Bürger systematisch zu betrügen, ohne das ernsthafte Risiko einer Bestrafung einzugehen“, sagt Notar Jens Jeep vom Notariat Ottensen. Er plädiert dafür, nicht erst bei der Strafverfolgung anzusetzen, sondern stattdessen bereits die erfolgreiche Begehung der Straftat zu verhindern. „Es sollte möglich sein, dass Betroffene die gefälschten Rechnungen im Internet hochladen und diese von einer KI vorgeprüft werden, damit die von den Betrügern genutzten IBAN-Konten unverzüglich so markiert werden können, dass keine Überweisungen aus Deutschland dort eingehen.“ Wo kein Geld mehr fließt, trocknet Kriminalität schnell aus. Jeep schwebt eine Warnseite mit E-Mail-Adresse vor, etwa betrugsversuche@bund.de.
Gerichtssprecher: Rechnungen genau überprüfen
Wantzen rät, alle Rechnungen kritisch zu hinterfragen: „Unternehmen und Vereine, die nach einer Anmeldung zum Handels- oder Vereinsregister Rechnungen erhalten, sollten deren Inhalt genau prüfen. Häufig bietet schon die unverhältnismäßige Höhe des geforderten Betrages einen verlässlichen Hinweis darauf, dass die Rechnung nicht vom Gericht stammen kann.“ So lägen die Gebühren für die erstmalige Eintragung einer GmbH beispielsweise bei etwa 200 Euro, ein Bruchteil der Fake-Rechnungsbeträge.
- Betrüger bestellen Opfer zur Geldübergabe ans Amtsgericht
- So zocken Betrüger junge Hamburger Firmen und Vereine ab
- Online-Betrug: Fake-Shops locken immer mehr Hamburger in die Falle
Auch die Justizsenatorin treibt das Thema um: „Zu solchen Betrugswellen kommt es immer wieder. Da wird versucht, schnell Beute zu machen“, sagt Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) dem Abendblatt. Solche Delikte ließen sich leider nie ganz verhindern. Die Hamburger Justiz aber sei wachsam und warne regelmäßig vor solchen Fake-Rechnungen. „Und natürlich muss man dagegen dann auch strafrechtlich vorgehen, auch wenn es oft schwierig ist, dann auch wirklich an die Betrüger ranzukommen, gerade wenn sie im Ausland sitzen. Wir haben die Entwicklung natürlich im Blick.“