Die Alraune gGmbH betreibt Sozialprojekte für Langzeitarbeitslose. Eines davon ist das Tier- und Pflanzenhaus am Bramfelder See.

Hamburg. Rund um den Gropiusring erstrecken sich große Wohnblöcke. Kinderrufe, startende Automotoren oder die knirschenden Rollen von Kinderwagen auf Asphalt bilden an diesem Dienstagmorgen die normale Geräuschkulisse einer Wohnsiedlung. Nur etwas will nicht so recht dazu passen. Irgendwo in der Nähe der Steilshooper Siedlung erklingt ein wiederholtes monotones "Mäh". Und wirklich: Inmitten der massiven Wohnblöcke erhebt sich ein strahlend grüner Hügel, auf dem vier Schafe hinter einem Zaun weiden.

Die Tiere, die hier so unbekümmert grasen, gehören zum "Tier- und Pflanzenhaus Steilshoop“. Das bunte Häuschen mit dem Garten und der angrenzenden Wiese ist eines der Sozialprojekte der Alraune gGmbH, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die sich vor Ort für sozial benachteiligte Menschen einsetzt. Ursprünglich gehörte es zur angrenzenden Gesamtschule, von der nach ihrer Auflösung heute nur noch das Gebäude existiert. Als ich den Ort damals zum ersten Mal besucht habe, wurde ich angebrüllt von riesigen Gänsen, die wegen einer Seuche nicht raus durften. Sie waren völlig missgestimmt“, erinnert sich Petra Lafferentz, Geschäftsführerin der Alraune gGmbH. Mit der Übernahme des Tierhauses durch die Allraune gGmbH zog nicht nur ein weiteres Sozialprojekt des Beschäftigungs- und Sozialträgers nach Steilshoop, sondern auch Schafe, Meerschweinchen, Kaninchen oder Mäuse in die selbstgebauten Freigehege. Neben dem Tierhaus betreibt Alraune unter anderem das Stadtviertelcafé und einen Handwerkshof, in denen Jugendliche ohne Schulabschluss ausgebildet werden.

Im Tier- und Pflanzenhaus arbeiten zwölf von insgesamt 100 Arbeitslosengeld II-Empfängern, die bei der Alraune gGmbH angestellt sind. Ein bis zwei Euro pro Stunde können sie sich dazuverdienen. Wichtiger als dieser symbolische Betrag, sagt Lafferentz, sei das Gefühl, gebraucht zu werden, der Wohnzimmercouch zu entkommen und einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. „Eigentlich wäre das Ziel, dass die Menschen nach ihren Einsätzen bei uns einen richtigen Arbeitsplatz finden. Aber es gibt für viele Leute einfach keine Arbeit, wie wir wissen.“ Knapp 20.000 Menschen leben in Steilshoop. "Mehr als sieben Prozent davon sind arbeitslos und fast 50 Prozent der Kinder leben von Hartz IV", sagt Lafferentz.

Von 2003 bis heute wurden die Mittel zur Förderung von Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung mehr als halbiert. Wegen zu knapper Fördergelder sind die Stellen in der Regel auf zehn bis zwölf Monate befristet. „Viele haben aber solch eine Begabung im Umgang mit den Tieren, dass ich mir für sie eine längerfristige Perspektive bei uns wünschen würde. Diese Art von Fördermitteln gibt es allerdings kaum. Das Tierhaus erwirtschaftet eben keine Einnahmen“, sagt die Projektleiterin. Besucher des Mini-Streichelzoos, der nahe am Bramfelder See liegt, zahlen keinen Eintritt. Darin bestünde schließlich auch der Sinn, erklärt Lafferentz: „Zu Hagenbeck zu gehen, ist für eine Familie, die nicht viel Geld hat, nicht so einfach:"

Rüdiger Frahm ist der einzige Mitarbeiter des Tierhauses, der schon seit drei Jahren dabei ist, und zwar in Vollzeit. Das ist eine absolute Ausnahme. Der 52- Jährige kümmert sich seither um die Ställe, den Garten und die Besucher. Dass ihm die Bundesagentur für Arbeit damals dieses Projekt vorgeschlagen hat, sei für ihn ein echter Glücksfall gewesen, erzählt er und wirft dabei einen prüfenden Blick in eines der Kaninchengehege. "Es macht mich glücklich zu wissen, wofür ich morgens aufstehe. Nur auf der Couch rumzuhängen, das geht gar nicht, da gewöhnt man sich viel zu schnell wieder dran.“ Bei allem Enthusiasmus ist er sich seiner Abhängigkeit von staatlichen Fördermitteln bewusst: „Ich hoffe, dass ich auch noch in den nächsten Jahren hier arbeiten darf. Wissen kann man das nie. Das kann sich von heute auf morgen ändern.“

Erst einmal freuen sich Frahm und die anderen Mitarbeiter des Tierhauses auf die alljährliche Schafsschur, ein wahres Großevent inmitten der Plattenbausiedlung. „Im April kommt der Schäfer zu uns. Dann strömen ganze Kindergartengruppen und Familien ins Tierhaus, um dabei zu sein, wenn die Wolle runter kommt."

Streichelzoo "Tier- und Pflanzenhaus Steilshoop": Gropiusring 43 (Nähe Bramfelder See), Öffnungszeiten: Sommer (15. April bis 14. Oktober) von Montag bis Freitag 12 - 18 Uhr, Sonnabend 11 - 16 Uhr; Winter (15. Oktober bis 14. April) von Montag bis Freitag 12 -16 Uhr, Sonnabend 11 - 16 Uhr; Eintritt frei; www.alraune-hamburg.de