Jenfeld. Nach dem Tod der siebenjährigen Jessica 2005 wurde das Kinder-Hilfsprojekt gegründet. Ein zweiter Standort ist in Billstedt geplant.
Es war im März 2005, als der Hungertod der siebenjährigen Jessica aus Jenfeld bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Die Eltern hatten das Mädchen jahrelang vernachlässigt. Es starb an den Folgen der Unterernährung. Die Eltern wurden wegen Mordes durch Unterlassen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Thies Hagge, Pastor an der Jenfelder Friedenskirche, wusste schon damals, dass viele Kinder aus sozial benachteiligten Milieus in seinem Stadtteil nicht genügend betreut und versorgt werden. Es fehlte an Essen und Kleidung, an Spielplätzen und Hilfe bei den Hausaufgaben. „Ich wollte unbedingt etwas tun, denn die Not war groß“, erinnert sich der 48-Jährige.
Tobias Lucht ist Sozialarbeiter und leitet die Arche in Jenfeld
Jetzt sitzt er gemeinsam mit Tobias Lucht, 36, im Jenfelder „Arche“-Haus – gegenüber der Friedenskirche in der Görlitzer Straße. Kinder toben in den Fluren des Neubaus, draußen wird Fußball gespielt. Der Sozialarbeiter Tobias Lucht leitet das Jenfelder Arche-Projekt, das sich seit genau zehn Jahren um die Kinder und Jugendlichen in Jenfeld kümmert.
Die „Arche“, die christlich motivierte Antwort auf den Hungertod der kleinen Jessica, feiert an diesem Sonnabend das zehnjährige Jubiläum mit einem Fest in der Markthalle am Klosterwall. Von 13.30 bis 17.30 gibt es ein buntes Festprogramm. Erwartet werden rund 1000 Gäste, darunter der Schauspieler Til Schweiger und Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD), sowie zahlreiche Spender, die den Verein seit Jahren finanziell unterstützen. Der finanzielle Bedarf liegt bei rund 600.000 Euro pro Jahr.
Bei der Suche nach einem Kooperationspartner stieß der Hamburger Bibel-TV-Pastor Hagge vor zehn Jahren auf das Berliner „Arche“-Projekt von Pastor Bernd Siggelkow. Das christliche Kinder- und Jugendwerk engagiert sich für Mädchen und Jungen aus einem sozial benachteiligten Lebensumfeld. „Schließlich“, erinnert sich Hagge, „entstand die Idee, eine solche Initiative auch in unserer Kirchengemeinde zu starten.“
Die Nachfrage war überwältigend. In dem Stadtteil, in dem gut 50 Prozent der Kinder in Armut leben, fand das Angebot große Resonanz. „Gleich an der ersten Tagen kamen jeweils bis zu 120 Kinder“, sagt „Arche“-Leiter Tobias Lucht. Gerade mal drei Mitarbeiter standen zur Verfügung.
Inzwischen ist die „Arche“ weiter gewachsen. Die Eröffnung des Neubaus im Jahr 2007 auf dem Gelände der Friedenskirche bildete dafür eine wesentliche Voraussetzung. Heute umfasst das Team 65 Mitarbeiter, davon 32 Hauptamtliche.
Derzeit werden in den verschiedenen Bereichen der „Arche“ täglich 320 Kinder bzw. Jugendliche im Alter von vier bis 18 Jahren betreut. Gut 90 Prozent von ihnen stammen aus Migrantenfamilien. Das ist in einem multikulturellen Stadtteil wie Jenfeld auch nicht überraschend: 45 Prozent der unter 18-Jährigen haben Migrationshintergrund.
Zu den Angeboten gehören neben Mittag- und Abendessen Freizeitaktivitäten wie Tischtennis, Billard, Theaterkurse, Hausaufgabenhilfe, Basteln und individuelle Beratung. Jugendliche, die früher vom „Arche“-Team gefördert wurde, arbeiten inzwischen selbst ehrenamtlich in dem Verein mit.
Bislang hat die Arche rund 1500 Kinder und Jugendliche mit ihren Angeboten erreicht. Und die Zahl steigt weiter. Weil sich Flüchtlingsunterkünfte in der Nähe befinden, werden jetzt auch gut 30 Flüchtlingskinder versorgt. Nächstes Jahr erhält das christliche Kinder- und Jugendwerk sogar einen weiteren Standort. „Wir planen in Billstedt eine zweite Arche“, sagt Tobias Lucht, Vater von vier Kindern. Sie soll sich zunächst um 60 bis 80 Kinder und Jugendliche kümmern.
Die geplante Einrichtung in Billstedt soll im September 2016 an den Start gehen
Die Einrichtung befindet sich in der Aula der ehemaligen Schule Oststeinbeker Weg und wird mit der örtlichen Baptistengemeinde und der Grundschule an der Glinder Au kooperieren. Der Start ist für September 2016 vorgesehen.
Pastor Thies Hagge ist dankbar dafür, was alles in den zehn Jahren entstanden ist. „Trotz des schrecklichen Auslösers ist daraus viel Gutes geworden.“ Die Idee und der sozialpädagogische Ansatz seien gleich geblieben. Nur die Namen der Kinder ändern sich. Früher, sagt Hagge, waren Kevin und Michelle besonders häufig. „Jetzt aber sind es Angelina und Mohammed.“