Hamburg. Neue Gebühren für Nutzung des Saseler Markts. Organisator spricht von „Behördenposse“. Wie die Politik reagiert.
Der Duft von gebrannten Mandeln und die Musik des Kinderkarussells, Glühwein und Bratwurst – all das gehörte in der Vorweihnachtszeit immer auf den Saseler Markt im Hamburger Bezirk Wandsbek. Gehörte, denn in diesem Jahr wird der beliebte Weihnachtsmarkt ausfallen.
Als „Behördenposse“ beschreibt Initiator Henning Ziggert von der Interessen- und Werbe-Gemeinschaft Saseler Gewerbetreibender e. V. (IWG) die Vorgänge rund um die Planung und Genehmigung. Er bezieht sich damit auf das Verbraucherschutzamt, beheimatet im Bezirksamt Wandsbek, über welches erst kürzlich wegen hoher Krankenstände berichtet wurde.
Weihnachtsmarkt Hamburg: Sofortige Absage nach Behörden-Mail
Das Bezirksamt ließ in einer E-Mail verlauten, dass das, was früher ging, nun nicht mehr läuft. Konkret: kein Strom, kein Wasser, kein Abwasser, keine Toiletten. Dazu drastisch erhöhte Gebühren. Ziggert – hauptberuflich Chef des örtlichen Reisebüros – sagte den Marktbetreibern und dem Schausteller-Verband umgehend ab.
Doch der Reihe nach: Ziggert und seine Mitstreiter im Verein IWG organisieren ehrenamtlich seit mehr als zehn Jahren drei Feste jährlich auf dem Saseler Markt: ein dreitägiges Sommerfest, das Saseler Heimatfest und den Weihnachtsmarkt. Letzterer war in diesem Jahr für den Zeitraum vom 15. bis 17. Dezember geplant.
Zusätzliche Kosten für Ausrichtung des Weihnachtsmarkts
Der Verein hatte dafür Gespräche mit den Behörden und allen anderen Beteiligten geführt, die Verträge waren bereits abgeschlossen. Die anfallenden Kosten von etwa 4500 Euro wurden dann auf die rund 15 Schausteller und Budenbetreiber umgelegt. In diesen Kosten inbegriffen waren auch immer rund 900 Euro dafür, dass der sonnabendliche Wochenmarkt in die umliegenden Straßen umziehen musste und dort ebenfalls Strom brauchte.
Doch nicht nur was stattfinden sollte, ist für diese Geschichte wichtig, sondern vor allem, wo. Denn der Saseler Markt ist nicht irgendein Platz. Für mehrere Millionen Euro ist er jüngst, nach zähen Jahren der Zerwürfnisse und Wiederannäherung, nach einseitigen Diskussionen und gemeinsamen Begehungen, vom reinen Parkplatz mit Wochenmarktnutzung umgestaltet worden: in einen zweigeteilten Ort, mit Parkmöglichkeiten und viel Freifläche. Für mehr Aufenthaltsqualität der Bürger, ein Ort der Begegnung.
Bezirk Wandsbek: Saseler Weihnachtsmarkt sollte auf neuem Platz stattfinden
„Da wurden wir immer wieder in die Gestaltung miteinbezogen, unsere Gedanken zu den Anforderungen an den Platz, auch in Hinblick auf die Feste, wurden gefordert“, erinnert sich Ziggert. Denn hier sollte nicht nur donnerstags und sonnabends der Wochenmarkt stattfinden, sondern „es sollte ein belebter, bespielter Ort werden.“ Der Weihnachtsmarkt war ein Teil dieses Plans.
Doch dann kam die Mail des Verbraucherschutzamts, mit dem die IWG seit Jahren in Kontakt ist. Darin heißt es: „Ab sofort gilt für alle externen Veranstaltungen auf den Wochenmarktflächen, dass die vorhandene Marktinfrastruktur für diese Veranstaltungen nicht (mehr) zur Verfügung gestellt wird. Davon umfasst sind die Markttoiletten, der Marktstrom, Wasser und Abwasser sowie die sonstige Nutzung des Marktmeistergebäudes. Sofern für die Veranstaltung der Wochenmarkt verlegt werden muss, werden die Kosten hierfür (v. a. für die Stromversorgung bei der Verlegung in umliegende Straßen) vollständig dem externen Veranstalter auferlegt.“
Und weiter: „Gebühren für die Sondernutzung der Fläche sowie gegebenenfalls der gewerberechtlich notwendigen Festsetzung der Veranstaltung oder der Gestattung des Alkoholausschanks werden in jeweiligen Gebührenbescheiden der Fachämter [...] gesondert geltend gemacht.“
Organisator Ziggert: Aufregung nicht nur wegen Mehrkosten
Ein Schlag für Ziggert. Nicht nur, weil alles teurer sein würde. „Mich regen nicht so die Mehrkosten auf, sondern vielmehr, dass wir nach Jahren der Planung, in denen wir dabei waren und mitgestaltet haben und dann auf Kosten von uns Steuerzahlern umgebaut wurde, dass wir das nun nicht mehr nutzen dürfen.“
Außerdem bemängelt er die Art und Weise der Kommunikation und des Umgangs miteinander. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns zusammensetzen und versuchen, eine Lösung zu finden“, sagt Ziggert, der nach eigenen Angaben lediglich einmal zuvor mit Arne Klein, dem Leiter des Dezernats für Wirtschaft, Bauen und Umwelt in Wandsbek, über die Energie- und Wasserentnahme am Saseler Markt bei Veranstaltungen gesprochen hatte.
Doch warum kam es zu dieser Mail? „Die Änderungen waren erforderlich, um eine Gleichbehandlung aller Veranstalter auf bezirklichen Flächen herbeizuführen und die finanzielle Belastung des Fachamts VS zu reduzieren“, so schreibt es Sabrina Nilson vom Verbraucherschutzamt in der Mail an Henning Ziggert.
FDP-Vorsitzende Wolff: „Armutszeugnis für die Verwaltung“
„Das ist ein Armutszeugnis für die Verwaltung“, sagt Birgit Wolff, Vorsitzende der FDP-Fraktion Wandsbek und des Regionalausschusses Alstertal. „Wir haben uns alle dafür eingesetzt, dass auf Kosten der Steuerzahler eine solche Veranstaltungsfläche angelegt und hier etwas geschaffen wird, das den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht.“ Dies sei bei der offiziellen Einweihung im vergangenen November dezidiert gefeiert worden.
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„Nun Kehrtwende rückwärts“, so Wolff. „Wir erleben inzwischen immer öfter, dass das Bezirksamt seine eigenen Probleme im Dickicht von Bürokratie und Personalbedarf mehr im Blick hat als seine Möglichkeiten, im Gewirr von Rahmenbedingungen positive Entscheidungen für die Bürger und Bürgerinnen zu entwickeln.“
Die anfallenden Mehrkosten belaufen sich laut Ziggert auf weitere 4500 Euro: „Ich weiß gar nicht, wie viele Crêpes dafür gewendet werden müssten, damit das noch tragbar ist.“ Ziggert müsste Toilettenhäuschen anmieten, Strom von anderswo beziehen, eine Wasserversorgung bereitstellen. „Und wie wir das mit dem Abwasser machen sollen, wenn wir die Kanalisation nicht nutzen dürfen, das weiß ich einfach nicht“, meint er ratlos.
Weihnachtsmarkt-Organisator: „Wir werden für die kommenden Feste kämpfen“
Ziggert ist außerdem wütend, weil es so dargestellt werde, als ob er schon im Sommer darüber genauestens informiert worden sei: „Das ist schlicht gelogen, wir wussten davon nichts.“ Doch hinnehmen werde die IWG „diese Behördenposse“ nicht. Ziggert: „Wir werden auf jeden Fall für die kommenden Feste kämpfen, die Anträge sind gestellt, da machen wir noch richtig ein Fass auf!“
Etwas weniger kämpferisch, jedoch ebenfalls engagiert im Thema, geben sich die Politiker der Bezirksversammlung Hamburg-Wandsbek. So schreibt Jan-Hendrik Blumenthal, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen: „Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner von der SPD arbeiten wir derzeit an einem Antrag für die nächste Bezirksversammlung und hoffen, eine gemeinsame Lösung zu finden.“
Auch André Schneider (SPD), Vorsitzender der Bezirksversammlung Wandsbek und Hauptorganisator des Saseler Heimatfestes, meldet aus dem Urlaub, dass sich intern um eine Klärung der Fragen bemüht werde.
Bezirksamt: Es gibt keine Ausnahmen mehr für einige wenige Veranstalter
Das Bezirksamt Wandsbek führt als Begründung für die neue Regelung an, dass eine Chancengleichheit für alle Veranstalter hergestellt werden solle: „Veranstaltungen müssen so geplant und konzeptioniert werden, dass deren Finanzierung sichergestellt ist und sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In der Vergangenheit wurde dies einigen wenigen Veranstaltern dadurch erleichtert, dass ihnen die Möglichkeit gewährt wurde, die Infrastruktur der Wochenmärkte, wie z. B. die Markttoiletten, zu nutzen. Neue Veranstalter oder Veranstalter auf städtischen Flächen, auf denen keine Wochenmärkte stattfinden, hatten diese Möglichkeit nicht“, so Pressesprecherin Patricia Pickuth.
Weiter erläutert Pickuth, dass dem Bezirksamt durch die Bereitstellung der Infrastruktur Kosten entstehen würden – beispielsweise Personalkosten für die Abwicklung, Wasser- und Stromkosten aufgrund des erhöhten Verbrauchs, Kosten für Verbrauchsmaterial oder etwa zusätzliche Reinigungskosten.
Bezirksamt Wandsbek: Wochenmarkthändler haben Einnahmeverluste wegen Verlegung
„In Sasel kommt hinzu, dass anlässlich der durch die IWG Sasel organisierten Veranstaltungen der Wochenmarkt verlegt werden muss, wodurch dem Bezirksamt ebenfalls Zusatzkosten entstehen. Diese Kostenbelastung wurde in der Vergangenheit mittelbar durch die Wochenmarkthändler getragen, für die die Veranstaltungen zusätzlich Einnahmeverluste bedeuten“, so die Sprecherin.
Im April dieses Jahres sei die IWG Sasel als einer der betroffenen Veranstalter erstmalig darüber informiert worden, dass die Marktinfrastruktur nicht mehr zur Verfügung gestellt werden würde, sagt Pickuth. Für den diesjährigen Weihnachtsmarkt stünde die Nutzung der Markttoiletten letztmalig zur Verfügung.
Die Bezirksamtssprecherin erläutert das Vorgehen weiter: „Vor diesem Hintergrund hat das Bezirksamt entschieden, die privilegierte Behandlung einzelner Veranstalter zu beenden und zukünftig alle Veranstalter – unabhängig vom Ort der Veranstaltung – gleichzubehandeln. Sofern Veranstalter bei der Finanzierung Probleme haben, besteht die Möglichkeit, Zuwendungen beim Bezirksamt zu beantragen.“ Noch habe es dem Bezirksamt nach keine Gesprächsersuchen seitens der IWG gegeben.
Weihnachtsmarkt in Sasel: Dennis Thering empfindet drohendes Aus als „ungeheuerlich“
Auch Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, nimmt sich des Themas an: „Der Weihnachtsmarkt in Sasel ist inzwischen eine feste Institution im Alstertal und den Walddörfern. Deshalb ist es auch ungeheuerlich, dass das SPD-geführte Bezirksamt Wandsbek so sehr an der Kostenschraube dreht und der Weihnachtsmarkt für den Veranstalter somit nicht mehr zu finanzieren ist. Als CDU erwarten wir, dass der SPD-Bezirksamtsleiter umgehend auf die Interessen- und Werbegemeinschaft zugeht, damit der Weihnachtsmarkt wie geplant stattfinden kann.“
Welche der Parteien nun das Gespräch suchen wird, ist bisher noch ungewiss. Thering habe jedoch bereits eine Schriftliche Kleine Anfrage (SKA) an den Senat gestellt und rechnet mit einer raschen Beantwortung.