Hamburg. Kulturbehörde blockiert den Abriss des HEW-Schulungszentrums. Dort sollen Wohnungen entstehen. Senat sucht Kompromiss.
Die Kulturbehörde hat dem schon totgesagten HEW-Schulungszentrum in Bramfeld ein besonderes Prädikat verliehen: Sie hat den Ökovorzeigebau des Hamburger Stararchitekten Volkwin Marg als Denkmal eingestuft. Das erklärte Behördensprecher Enno Isermann. Damit liegt der geplante Abriss auf Eis und behindert ein Wohnungsbauprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 300 Millionen Euro.
„Das Denkmalschutzamt ist unabhängig und entscheidet nach fachlichen Kriterien“, sagte Isermann. Das Gebäude verbinde eine energetisch sparsame, nachhaltige Bauweise beispielhaft mit der Vermittlung von Umweltbewusstsein und ökologischer Verantwortung in einer Ausbildungsstätte. Es stehe für eine klare Architektursprache in der Tradition des Neuen Bauens. Jetzt werde es Gespräche mit der Stadtentwicklungsbehörde, dem Bezirksamt und dem Grundeigentümer geben. „Es ist natürlich schwierig, einem Investor, der ein Grundstück gekauft hat mit der Maßgabe, dort Wohnungen bauen zu können, nachträglich ein Gebäude unter Schutz zu stellen“, sagte Isermann. „Aber vielleicht gibt es ja eine Lösung.“ Am Donnerstag ist das Thema in der Senatskommission.
1200 Wohnungen auf 55.000 Quadratmetern
Die Projektentwickler Evoreal und Quantum wollen auf 55.000 Quadratmetern an der Bramfelder Chaussee rund 1200 Wohnungen plus Büros und Gewerbe bauen. Der Bebauungsplan ist schon weit fortgeschritten. Das Großprojekt soll die Magistrale entwickeln, sprich: die breite Ausfallstraße mit fünfgeschossigen Bauten und einem interessanten Nutzungsmix großstädtisch flankieren. Dem soll die erst 1990 fertiggestellten Schule geopfert werden, obwohl sie eines der ersten größeren Öko-Gebäude für ihre qualitätsvollen Ansätze nachhaltigen Bauens gefeiert und in Ralf Langes Architekturführer auch dem interessierten Laien zur Besichtigung empfohlen wird.
„Verwaltung, Werkstätten und Kantine gruppieren sich um eine zweigeschossige, glasgedeckte Passage mit umlaufender Galerie“, schreibt Lange. „Der Bau erinnert nicht nur von ungefähr an Mies van der Rohes Entwürfe für das Illinois Institute of Technology in Chicago. Die mit gelben Ziegeln ausgefachten Stahlträger werden in Bramfeld ebenso zitiert wie die berühmte Negativdecke. Bemerkenswert ist auch der Sonnenschutz an den Außengalerien, der aus Sonnenkollektoren besteht.“
Die Schule hatte keiner auf der Rechnung
Doch das allseits gelobte Gebäude wurde schlicht vergessen. Stromnetz Hamburg wollte es beim Rückkauf der Stromnetze von Vattenfall nicht übernehmen und baute lieber schräg gegenüber an der Bramfelder Chaussee für 34 Millionen Euro neu. Die Schule ist gerade umgezogen. Die Kulturbehörde hat infolge Personalmangels die ab den 1970er Jahren gebauten Gebäude noch gar nicht systematisch erfasst, geschweige denn auf Denkmalwürdigkeit geprüft. Sie hatte das Bramfelder Schulungszentrum also auch nicht auf dem Radar. Damit wurde dem planenden Bezirksamt Wandsbek kein Hinweis auf die Erhaltenswürdigkeit des Gebäudes gegeben.
Der Bezirk lobte einen Architektenwettbewerb für das Gelände aus und erklärte auf Nachfrage, dass sich niemand gemeldet habe, der die Schule erhalten wolle. Selber nachgefragt hat das Amt allerdings auch nicht. Entsprechend wurde die Schule zum Abriss vorgesehen, da der neue Grundstückseigentümer Quantum möglichst viele Wohnungen bauen sollte. Erst dem ehrenamtlich arbeitenden Denkmalverein fiel Anfang des Jahres auf, dass da ein schützenswertes Gebäude verloren zu gehen drohte und stellte die nötigen Fragen.
Denkmalschutz schützt nicht immer
Doch da hatte die Schulbehörde ihren neuen Schulentwicklungsplan schon fertig. Sie konnte also gar nicht prüfen, ob sie angesichts ihrer vielen maroden Lehranstalten vielleicht Verwendung für das noch junge HEW-Schulungszentrum hätte: Sie wusste nicht, dass es bald leer stehen würde. Im Juni auf ihren Bedarf am intakten Schulgebäude angesprochen winkte sie ab und dankte freundlich für die „Anregung, die beachtlichen Kosten im Schulbau durch die Nutzung von Bestandsgebäuden in Grenzen zu halten“.
Denkmalgeschützte Gebäude dürfen grundsätzlich nicht abgerissen werden. Das Hamburgische Denkmalschutzgesetz von 2013 sieht aber vor, dass in Ausnahmefällen stadtentwicklungspolitische Erwägungen das Denkmalschutzinteresse überwiegen können und deshalb ein Abriss doch erlaubt werden kann. Letztes prominentes Beispiel einer solchen Senatsentscheidung gegen die Kulturbehörde war die Erlaubnis für den Abriss der City-Hochhäuser.
Nutzer verzweifelt gesucht
„Jetzt hängt alles davon ab, einen geeigneten Nutzer für die Schule zu finden“, sagte Marg, der vehement für den Erhalt seines Gebäudes streitet. Als mögliche Kandidaten nannte er die Katholische Kirche, die evangelische Stftung Alsterdorf, die Nordakademie, die Düsseldorfer Wübben-Stiftung und die Bildungsstiftung von Benjamin und Janina Lin Otto für generationsübergreifendes Lernen. Auch eine Nutzung als Stadtteilzentrum oder Kita wäre denkbar. Den Bramfelder Bebauungsplan entsprechend zu modifizieren sei kein Problem.
Das Bezirksamt sieht das erklärtermaßen anders, und auch der Eigentümer Quantum hat bislang kein Interesse am Erhalt der Schule signalisiert. Auf eine entsprechende Nachfrage reagierte das Unternehmen nicht. Für den Denkmalverein erklärte die Vorsitzende Kristina Sassenscheidt: "Wir freuen uns sehr, dass das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt wird. Wir gehen davon aus, dass es nun erhalten und in die zukünftige Stadtteil-Entwicklung einbezogen wird." Eine Weiternutzung dieses Vorzeigebeispiels für energetisch optimiertes Bauen sei nicht nur aus baukulturellen, sondern auch aus ökologischen Gründen unbedingt angeraten, weil damit eine große Menge Grauer Energie und Ressourcen weitergenutzt werde. Das Gebäude ist erst 29 Jahre alt.