Hamburg. Der 56-jährige Angeklagte soll auch das Leben ihres neuen Partners bedroht haben. War Eifersucht das Motiv?
Der Mann, der seine eigene Ehefrau mit Salzsäure überschüttet haben soll, sitzt am Freitagmorgen in Saal 398 des Landgerichts. Ein hagerer, gepflegter Herr, 56 Jahre alt, weißes Hemd mit Krawatte, Brille. Sein Opfer Sonja A. ist am ersten Prozesstag nicht im Saal – obwohl sie als Nebenklägerin jedes Recht dazu hätte.
Doch am Freitag gibt es ohnehin keine Hinweise darauf, was sich im Kopf von Armin B. abgespielt hat. Was ihn dazu getrieben hat, seine (Noch-)Ehefrau im Jobcenter Wandsbek hinterrücks mit Salzsäure zu überschütten und dadurch ihr Gesicht zu entstellen. Äußern will sich Armin B. erst am kommenden Verhandlungstag – zum Prozessauftakt schweigt er. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen hinterlistiger gefährlicher und versuchter schwerer Körperverletzung sowie Bedrohung angeklagt. Seit sechs Monaten sitzt Armin B. in U-Haft. Nun drohen ihm bis zu 15 Jahren Gefängnis.
Rasend vor Eifersucht
Die Tragödie nimmt im Februar 2016 ihren Lauf, als Sonja A. und ihr Ehemann Armin B. getrennte Wege gehen. Beide sind für das Jobcenter team.arbeit als Vermittler tätig, Armin B. in Teilzeit. Sie haben zwei Söhne, elf und 13 Jahre alt. Im März zieht Sonja A. aus der gemeinsamen Wohnung aus, im April hat sie einen neuen Partner. Als Armin B. Anfang September vor der Tür ihrer Wohnanschrift in Rahlstedt auftaucht, stößt der Verlassene gegen den Neuen im Leben seiner Ex, Ulrich K., wüste Drohungen aus: Er werde ihm „die Kehle aufschlitzen“, ihm die „Eier abschneiden“ und sie ihm „in den Mund stopfen“, heißt es in der Anklage.
Armin B. ist offenbar rasend vor Eifersucht. Er kommt über die Trennung nicht hinweg und fühlt sich von seiner Noch-Ehefrau hintergangen. Am 7. November 2016 gerät er in Rage, als er ein Forderungsschreiben des Anwalts von Sonja A. in den Händen hält. Es geht darin um Finanzielles. Seiner Noch-Ehefrau, die im Jobcenter am Friedrich-Ebert-Damm arbeitet, kündigt er daraufhin für Mittag einen Besuch an. Er füllt 330 Milliliter eines handelsüblichen Reinigungsmittels mit einem Anteil von 30 Prozent Salzsäure in ein Honigglas ab und versteckt es in seiner Jacke. Um 12.30 Uhr sitzt er im Jobcenter Sonja A. gegenüber und überreicht ihr ein Anwaltsschreiben. Während sie in die Lektüre vertieft ist, nutzt Armin B. die Ablenkung, so die Anklage, „überraschend“ aus, schüttet ihr die Säure aus einem Meter Entfernung mit den Worten „damit du auch mal weißt, was Schmerzen sind“ in das Gesicht und über den Oberkörper. Nach der Tat verlässt er das Jobcenter und meldet sich kurz darauf in der Psychiatrie des Krankenhauses Wandsbek. Dort nimmt ihn die Polizei fest.
Sonja A. lag zwei Tage im künstlichen Koma
Sonja A. hat schwere Hautverletzungen erlitten, im Bereich des Gesichts, am Hals, an den Schultern und im Dekolleté. Außerdem sind ihre Augenhornhäute verletzt und Teile ihres Mund- und Rachenraums durch die Säure verätzt worden. Um eine Erstickung zu verhindern, wird sie zwei Tage in ein künstliches Koma versetzt. Wie die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, erblindete Sonja A. nur deshalb nicht, weil eine Kollegin ihr Gesicht direkt nach der Attacke mit Wasser abwusch und die Säure zum Teil entfernte. Weitere 25 Menschen, die sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe aufhielten, klagten über Augenreizungen. Bei dem Angriff waren auch Säuredämpfe freigesetzt worden.
Die Höhe der Strafe wird davon abhängen, ob Armin B. die Verätzung seiner Frau kaltblütig geplant hat, um sie zu entstellen und ihr das Augenlicht zu rauben, oder ob er die Tat im Affekt begangen hat. Das wiederum könnte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt sprechen. Zu dieser Frage wird im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ein psychiatrischer Sachverständiger Stellung nehmen.
Die Staatsanwaltschaft jedenfalls ist überzeugt, dass Armin B. in Hinblick auf die Verunstaltung ihres Gesichts „absichtlich“ und in Hinblick auf eine mögliche Erblindung „wissentlich“ handelte. Ob er sich auch der psychischen Konsequenzen bewusst war, wird der 10. Mai zeigen: dann tritt sein Opfer in den Zeugenstand. Zum körperlichen und psychischen Zustand von Sonja A., die auch Nebenklägerin ist, will sich ihre Anwältin Babette Tondorf nicht äußern. Nur so viel: „Ihre Zeugenaussage steht bevor.“