Hamburg. Der Mann, der versucht hatte, eine 79-Jährige zu missbrauchen, gab sich als verurteilter Totschläger aus. Nun werden beide abgeschoben.

Der Fall hatte für Aufregung gesorgt: Ende September nahm die Polizei nach einem Überfall einen Mann fest, der versucht hatte, eine 79-jährige Frau zu missbrauchen. Er gab sich als 31 Jahre alter Serbe aus, der 2009 wegen versuchten Totschlags zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden und aus „schutzwürdigen Interessen“ nicht abgeschoben worden war. Jetzt kam durch einen DNA-Test heraus: Es handelt sich in Wirklichkeit um einen illegal eingereisten Landsmann des verurteilten Totschlägers, der die Identität des 31-Jährigen angenommen hatte. Die Behörden nahmen den Fall zum Anlass, auch die „schutzwürdigen Interessen“ des 2009 des wegen versuchten Totschlags verurteilten Mannes zu überprüfen. Ergebnis: Beide Männer werden nun abgeschoben.

In Wandsbek war der illegal eingereiste Mann am 27. September gewaltsam in die Erdgeschosswohnung eingedrungen. Nachbarn bemerkten die Tat. Alarmierte Polizeibeamte nahmen den Mann noch in der Wohnung fest. Ihnen gegenüber gab er sich als der 31-Jährige aus. Eine Monatskarte untermauerte die Angaben. Erst nach Tagen stellte sich heraus: Er ist es nicht. Der beim Bundeskriminalamt durchgeführte DNA-Abgleich ließ den Schwindel um die Identität auffliegen.

Die Polizei glaubt nicht an einen Zufall. „Er sieht dem 31-Jährigen sehr ähnlich“, sagt ein Beamter. Zudem stammte der Mann, wie auch der 31-Jährige, aus dem Landfahrermilieu. „Man kann nicht ausschließen, dass hier gezielt eine Identität weitergegeben wurde, um den illegalen Aufenthalt bei einer Überprüfung zu verschleiern“, so ein Polizist. Ob das stimmt, ist unklar. „Er hatte die Aussage nach der Festnahme verweigert und redete auch danach nicht mit uns“, so der Beamte. Für die Polizei ist das Nebensache. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft. Vermutlich ist er 23 Jahre alt.

31-Jähriger blieb zunächst von der Abschiebung verschont

Bei den Behörden hatte der Fall für Wirbel gesorgt. Zeigte er doch, dass selbst bei einer schweren Straftat wie einem versuchten Tötungsdelikt – entgegen den Ankündigungen der Politik – Kriminelle von der Abschiebung verschont bleiben.

Der konkrete Fall bewahrte den Senat vor unbequemen Antworten. Unter der Nummer 21/6342 hatte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Lenders im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht nur zu den Umständen der nicht erfolgten Abschiebung des 31-Jährigen nachgehakt, sondern auch zu dessen Vater und Bruder. Beide waren 2009 an der Tat beteiligt. Im S-Bahnhof Berliner Tor hatten sie einen 21-Jährigen angegriffen, der zuvor einem Mitglied der Sippe den Verkauf einer Dose Bier verweigert hatte. Dabei hatte der Vater den Mann mit einem Beil niedergestreckt. Der heute 31-Jährige stach dem Mann mehrfach in den Rücken. Sein Bruder trat und prügelte auf den Mann ein. Dem 21-Jährigen musste anschließend in einer Notoperation die Milz entfernt werden. Er erlitt mehrere Rippenbrüche und lebensgefährliche Stichverletzungen an der Lunge. Das Opfer, so sagte der Vorsitzende Richter 2009 bei der Urteilsverkündung, habe nur durch „glückliche Umstände“ überlebt. Der Richter sprach auch von einem „racheartigen Akt von Selbstjustiz“. Der Vater und seine beiden Söhne wurden dafür zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Auf die Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten hin gab der Senat keine Antwort. Denn Joachim Lenders hatte die Fragen so gestellt, dass der Senat mit Hinweis auf die tatsächliche Identität des derzeit wegen des Missbrauchs der 79-Jährigen in Untersuchungshaft sitzenden Mannes um eine Antwort herumkam.

Innensenator machte Fall zur Chefsache

Aus Behördenkreisen hieß es jedoch: Der Vater des 31-Jährigen war bereits 2014 aus der Haft heraus abgeschoben worden. Die beiden Söhne waren allerdings mit Hinweis auf „schutzwürdige Interessen“ in Deutschland geblieben. In beiden Fällen ging es um Kinder, die die Brüder hier mit deutschen Frauen haben.

Innensenator Andy Grote (SPD) hatte den Fall zwischenzeitlich zur Chefsache gemacht und eine Überprüfung angeordnet. „Er legt Wert darauf, in solchen Fällen die Möglichkeiten, die der Rechtsstaat bietet, auch konsequent auszuschöpfen“, sagt der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter.

Die Konsequenz: Der 2009 wegen versuchten Totschlags verurteilte Serbe soll jetzt doch abgeschoben werden – und das möglichst schnell. „Die damaligen schutzwürdigen Interessen bestehen nicht mehr“, heißt es. Der Mann hat, wie sich jetzt herausstellte, überhaupt keinen Kontakt zu seinen Kindern.

„Die Überprüfung der schutzwürdigen Interessen kommt reichlich spät“, kritisiert CDU-Mann Lenders. „Gerade bei schweren Straftaten sollte man in jedem Fall alle Möglichkeiten nutzen, um solche Täter abzuschieben. Dazu gehört auch, dass man regelmäßig prüft, ob eine Abschiebung durch veränderte Umstände möglich ist.“