Hamburg. Serbe saß rund fünf Jahre in Haft, durfte nach der Freilassung aber hier bleiben. Jetzt soll er versucht haben, eine 79-Jährige zu missbrauchen

Nach dem Versuch, eine 79 Jahre alte Frau in ihrer Wohnung in Wandsbek zu vergewaltigen, ist ein 31 Jahre alter Serbe in Untersuchungshaft genommen worden. Jetzt kam heraus: Der Mann hatte wegen versuchten Totschlags bereits mehrere Jahre in Haft gesessen. Nach seiner vorzeitigen Entlassung war er allerdings nicht abgeschoben worden. Es ging um „schutzwürdige Interessen“ des Täters. Der Fall stehe im krassen Gegensatz zu Ankündigungen der verantwortlichen Politik zum Umgang mit solchen Straftätern, bemängelt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders.

„Dieser Mann hätte längst nicht mehr in Deutschland sein dürfen“, sagt Lenders. Schon nach Verbüßung der Haftstrafe für die erste Tat hätte die sofortige Ausweisung und ein Verbot der Wiedereinreise erfolgen müssen. „Es war auch eine Tat, die nicht nur durch unfassbare Brutalität auffiel, sondern auch das Unverständnis des Verurteilten für unser Werte- und Rechtssystem zeigte.“

Das war passiert: Am 16. Januar 2009 war David N. mit seinem Vater, seinem Bruder und einem Verwandten im S-Bahnhof Berliner Tor über den damals 21 Jahre alten Mitarbeiter eines Kiosks hergefallen. Sie verletzten das Opfer mit einer Axt und einem Messer. Dem 21-Jährigen musste die Milz entfernt werden.

Er erlitt mehrere Rippenbrüche und lebensgefährliche Stichverletzungen an der Lunge. Mit einer Notoperation retteten ihm die Ärzte das Leben. Die Täter wurden nach zehn Tagen Fahndung verhaftet. Im Gerichtsprozess kam heraus, was für eine Nichtigkeit zu dem Angriff auf den Kioskbetreiber führte – und welches Verständnis von Familienehre.

Demnach war ein Cousin David N.s damals mit dem Kioskmitarbeiter aneinander geraten, weil der ihm kein Bier mehr verkaufen wollte. Bei dem Versuch, mit Gewalt an Alkohol zu kommen, hatte der Cousin den Kürzeren gezogen. In seiner Wut rief er Mitglieder der serbischen Großfamilie zur Unterstützung. Die kamen von der Veddel per Auto zum Berliner Tor. Dabei hatte der heute 31-Jährige ein Messer dabei, sein Vater eine Axt.

David N. rammte Opfer ein langes Messer in den Rücken

Im Gericht wurde der Ablauf rekon­­struiert. So hatte der Vater das Opfer mit dem Beil niedergeschlagen. Danach rammte ihm David N. ein 20 Zentimeter langes Messer in den Rücken. Acht Stichwunden wurden später festgestellt. Das Opfer, so sagte der Vorsitzende Richter, habe nur durch „glückliche Umstände“ überlebt. Er sprach auch von einem „racheartigen Akt von Selbstjustiz“. Das Urteil: Der Vater sollte für acht Jahre ins Gefängnis. Seine Söhne bekamen Haftstrafen von fünf und sechseinhalb Jahre.

Bereits 2014 waren die „sechseinhalb Jahre“ für David N. um. Auf eine Abschiebung verzichteten die Behörden. „Es gab schutzwürdige Interessen“, sagt Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde. Dem heute 31-Jährigen wurde eine „ausländerrechtliche Bewährung“ auferlegt. Nach Informationen des Abendblattes war unter anderem die Verlobung mit einer deutschen Frau ein Grund gewesen, den Mann nicht aus der Strafhaft abzuschieben. „Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen“ Deutschlands gefährde, wird laut Gesetz abgeschoben, wenn „das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt“.

Die „ausländerrechtliche Bewährung“ bestand der Mann offensichtlich nicht. Am Nachmittag des 27. September nahmen Polizisten den 31-Jährigen in einer Erdgeschosswohnung fest. Dort war er nach Erkenntnissen der Ermittler in betrunkenem Zustand eingebrochen. Dann soll er die 79 Jahre alte Mieterin zunächst über die Sicherung von Terrassentüren belehrt und dann versucht haben, sie zu missbrauchen. Zwischendurch hatte er Geld gefordert.

Nachbarn wurden durch den Krach auf die Tat aufmerksam. Die Beamten überwältigten ihn noch in der Wohnung. Für die Tat muss sich der Mann vor Gericht verantworten. „Nach einem Urteil muss man den Fall neu bewerten“, sagt Smekal zum ausländerrechtlichen Status des 31-Jährigen. „Das ist kein Einzelfall“, so Lenders. „Wir haben zahlreiche solcher Fälle.“

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