Hamburg. In Bramfeld erforscht der Hamburger Otto-Konzern das Verhalten von Onlineshoppern. Jede Bewegung am Rechner wird dabei registriert.

Silja Bauer sitzt in einem kargen Raum an der Bramfelder Chaussee und sucht nach einer Waschmaschine. Routiniert navigiert die 25 Jahre alte Studentin auf dem Smartphone durch den Internetshop des Handelskonzerns Otto. Schnell findet sie ein Modell von Bosch für 399 Euro, liest die ausführliche Beschreibung. „Das ist mir jetzt ein bisschen zu technisch und zu lang“, sagt sie. „Was soll ich mit einer Angabe wie ,Restfeuchte 53 Prozent‘ anfangen? Meine Mutter wüsste das vielleicht.“

Solche Hinweise registriert Karolin Wisch genau. Die Leiterin des sogenannten User-Experience-Lab des Otto-Konzerns sitzt in einem Nachbarraum und beobachtet über mehrere Monitore jede Bewegung und Äußerung der Testperson. Auf diese Weise will der Konzern Aufschluss über das Surfverhalten seiner Kunden gewinnen und die Gestaltung des Onlineshops der Kernmarke Otto verbessern. Hunderte von Probanden kommen dazu jedes Jahr in den unscheinbaren, gelb geklinkerten Bau gegenüber der Unternehmenszentrale. 20 Mitarbeiter sind mit der Auswertung der Daten betraut.

Silja Bauer hat mittlerweile die Suche nach der Waschmaschine abgeschlossen und will nun nach einem weiteren Artikel schauen. Dabei stockt sie kurz: „Wo war noch mal die Lupe für die Suchmaske?“ Dann wischt sie auf dem Smartphone nach oben und findet den passenden Knopf.

„Solche kleinen Verzögerungen zeigen uns , dass wir in der Gestaltung der Seite noch etwas optimieren können“, sagt Laborleiterin Wisch. In ihrer vierjährigen Arbeit für den Otto-Konzern hat die studierte Betriebswirtin viele grundsätzliche Erkenntnisse über das Verhalten der Onlineshopper gewonnen. „Frauen und Männer verhalten sich zum Beispiel anders, wenn Probleme am Rechner auftauchen. Während die Männer in der Regel dem Computer oder dem Internetshop die Schuld für die Schwierigkeiten geben, suchen Frauen den Fehler erst einmal bei sich selbst.“

Auch die Art und Weise, wie Frauen und Männer sich in einem Onlineshop bewegen, unterscheidet sich. „Frauen neigen eher zum Stöbern und lassen sich gern inspirieren“, sagt Wisch. „Männer suchen hingegen meist nach ganz bestimmten Artikeln und klicken sich gezielt durch, bis sie das Gewünschte gefunden haben.“ Dieses unterschiedliche Einkaufsverhalten hänge allerdings auch von der Art der gesuchten Artikel ab. So würden technische Waren wie Fernseher oder Kopfhörer eher gezielt gesucht. Bei Kleidung spiele das Thema Inspiration und Optik eine weitaus größere Rolle. Für die Programmierer des Onlineshops bedeutet dies, dass bei Mode besondere Algorithmen zum Einsatz kommen, die den Kunden zu den Kleidungsstücken, die sie sich gerade anschauen, noch jede Menge optisch ähnlicher Alternativen anbieten.

Insgesamt hat sich der Auftritt der Seite otto.de in den vergangenen 20 Jahren dramatisch gewandelt. 1995 gehörten die Hamburger mit ihrem Angebot zu den Pionieren im Onlinehandel. Die erste Version wurde noch auf einer CD-ROM an die Kunden verschickt, auf der die Bilder der angebotenen Kleider gespeichert waren. Eine Verbindung zum Internet wurde nur bei einer tatsächlichen Bestellung hergestellt. Die Übertragung von Bildern oder gar Videos ließen die damaligen Geschwindigkeiten im Netz nicht zu.

1995 startete Otto den ersten Onlineshop, um Erfahrungen zu sammeln

Auch die ersten Veröffentlichungen zum Thema muten heute fast rührend an: „Seit dem 5. September ist der Otto Versand im weltweit größten Computernetz Internet präsent“, teilte der Konzern damals mit. „Durch diesen Schritt sollen weitere Erfahrungen im Umgang mit interaktiven Medien gesammelt werden.“

Mittlerweile erwirtschaftet die Marke Otto etwa 2,3 Milliarden Euro Umsatz, wobei 85 Prozent davon aus dem Netz stammen. Die Benutzeroberfläche der Seite passt sich automatisch an unterschiedliche Endgeräte an. Eine große Herausforderung für die Designer, da es mittlerweile mehr als 2000 unterschiedliche Smartphones und Tablets gibt, über die die Kunden auf die Seite zugreifen.