Hamburg. Schulleiter widersetzt sich Anweisung. Schulsenator hatte Schule aufgefordert, sieben weitere LSE-Kinder aufzunehmen.
Die Erich-Kästner-Stadtteilschule in Farmsen ist eine Vorzeigeschule in Sachen Inklusion – doch nun gibt es einen erbitterten Streit zwischen der Schulbehörde und der Schule darüber, wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf der Standort zum nächsten Schuljahr aufnehmen soll. Schulleiter Pit Katzer hat sich einer Anweisung der Behörde, sieben weitere Schüler mit Förderbedarf aufzunehmen, widersetzt und „remonstriert“ – ein Protest nach Beamtenrecht.
Die Ausgangslage: Die Erich-Kästner-Schule plante für die sechs fünften Klassen des nächsten Schuljahres mit 138 Schülern. 26 Jungen und Mädchen haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf – 15 sind geistig oder schwer körperbehindert, elf haben einen Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung (LSE). Während für Kinder mit „klassischen“ Behinderungen zusätzlich Lehrerstunden individuell zugewiesen werden, gibt es für LSE-Kinder eine pauschale Ressource unabhängig von der Zahl der Kinder.
Der Stein des Anstoßes: Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat die Schule angewiesen, sieben weitere LSE-Kinder aufzunehmen, so dass sich die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf 33 erhöht. Das heißt: In den künftigen fünften Klassen werden jeweils fünf oder sechs Kinder mit Förderbedarf sitzen (Durchschnitt: 5,5). In der normgebenden Bürgerschaftsdrucksache „Inklusive Bildung an Hamburgs Schulen“ heißt es allerdings, „dass jeder Stadtteilschule rechnerisch möglichst nicht mehr als vier Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf pro Klasse zugewiesen werden“.
Katzer sieht die zusätzliche Zuweisung als rechtswidrig an. „Das schafft schlechte Lernbedingungen“, sagte der Pädagoge. Der Elternrat kritisiert die Anweisung als „willkürliche und den rechtlichen Vorgaben widersprechende Entscheidung“. Stefanie von Berg, Schulexpertin des SPD-Koalitionspartners Grüne, sagte im NDR Hamburg-Journal: „Ich kann die Entscheidung des Senators nicht verstehen. Wir haben andere Vereinbarungen.“
Behördensprecher Peter Albrecht hält dagegen. „Die Erich-Kästner-Schule ist eine der am besten ausgestatteten allgemeinen Schulen“, sagt Albrecht. Die Schule habe 25 Prozent mehr Lehrer als andere Stadtteilschulen, weil sie gezielt Kinder mit speziellem Förderbedarf aufnimmt. Dass nur höchstens vier Kinder mit Förderbedarf in einer Klasse sein sollten, sei nur ein Richtwert, von dem ohnehin häufiger abgewichen werde.
Während die Schule eine Gesamtrechnung aller Kinder mit Förderbedarf aufmacht, verengt die Behörde den Blick nur auf die LSE-Kinder. Deren Anteil lag bislang unter dem Durchschnitt aller Stadtteilschulen mit drei Kindern pro Klasse. Dieser Mittelwert wird bei Erich Kästner erst mit der Aufnahme von sieben weiteren Kindern erreicht, so dass es dann 18 LSE-Schüler sind. „Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet eine personell hervorragend ausgestattete Schule deutlich weniger förderbedürftige Kinder aufnehmen will als andere. Es bleibt daher bei der Entscheidung“, sagt Albrecht.