Auf dem Hof in Bergstedt lernen 24 Menschen mit Förderbedarf, wie ökologischer Gemüseanbau funktioniert. Sie lernen alles von der Aussaat bis zum Verkauf kennen und werden zu Salat- und Kräuterexperten.

Bergstedt. Auf dem Gärtnerhof am Stüffel in Bergstedt herrscht in diesen Tagen reges Treiben. Der Frühling kommt, die Vögel zwitschern immer lauter und bald kommt die Zeit, in der Salatpflanzen wie Rauke und Babyleaf aus den Gewächshäusern ins Freie umgepflanzt werden können. Zum Start der Gemüsesaison haben die 24 Menschen, die auf dem Hof lernen und arbeiten, alle Hände voll zu tun. Da werden Kräuter ausgesät, Jungpflanzen vereinzelt, Felder werden gepflügt und Böden gekalkt.

Das Besondere an diesem Hof: Hier arbeiten Menschen mit Behinderung. Menschen, die mehr oder weniger großen Förderbedarf haben und für die eine staatliche Ausbildung nicht infrage käme, die aber etwas lernen und sich einbringen wollen. Sie sind zwischen 18 und 35 Jahre alt. „Jeder übernimmt Aufgaben, die seinen Fähigkeiten und Interessen entsprechen“, sagt Karin Scheewe, eine der vier Frauen aus dem Stüffel-Leitungsteam. „Einige stehen gerne im Hofladen hinter der Theke, wiegen Gemüse ab und reden mit Kunden, andere helfen lieber im Pferdestall, füttern die Rinder oder jäten Unkraut im Garten.“

Von der Aussaat bis zum Verkauf

Scheewe ist Gärtnermeisterin und betreut seit mehr als 20 Jahren Menschen auf dem Hof am Stüffel. Sie vermittelt den Menschen, die zum Lernen und Arbeiten auf den Hof in Bergstedt kommen, Garten-Wissen und Gärtner-Techniken und hat ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte. Das Ganze läuft als Kooperation mit den Elbe-Werkstätten, die sich um Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung kümmern. „Die einzige Voraussetzung ist, dass die Menschen in der Lage sind, selbstständig her und wieder nach Hause zu kommen “, sagt Karin Scheewe. Der Tag beginnt morgens um acht mit einer Begrüßungsrunde, zwischendurch wird gemeinsam Mittag gegessen, zum Feierabend treffen sich alle zum Verabschieden. Und zwischendurch geht jeder seiner Arbeit auf dem Hof nach.

Genug zu tun gibt es am Stüffel in jedem Fall. „Von der Aussaat bis zum Verkauf machen wir hier alles selbst“, sagt Gärtnermeisterin Karin Scheewe. Und das alles streng ökologisch, nach den Vorschriften des Demeter-Siegels, das weit mehr verlangt als das „normale“ Bio-Siegel der EU-Ökoverordnung. Seit 1993 ist der Hof ein anerkannter Demeter-Betrieb. Das geerntete Gemüse wird im Hofladen angeboten. Rosenkohl, Tomaten, Zucchini, Mangold, Porree, Postelein, Rauke, Kartoffeln, Kräuter wie Salbei, Thymian und Basilikum – die Auswahl ist riesig. Am Stüffel wachsen mehr als 30 Gemüse- und Kräutersorten.

Unter Anleitung von Scheewe und ihren Kolleginnen – Gärtnerinnen und Pädagoginnen – werden die förderbedürftigen Menschen auf dem Gärtnerhof am Stüffel nach und nach zu Garten- und Gemüse-Profis. Das Projekt „Lernen mit Gartenbau“, das das Stüffel-Team in Zusammenarbeit mit den Elbe-Werkstätten anbietet, sieht zwei Jahre Qualifizierung im Berufsbildungsbereich vor, anschließend kann das Ganze noch einmal drei Jahre lang vertieft werden. Zum Abschluss gibt es eine richtige Prüfung, bei der die Lehrlinge zeigen können, was sie inzwischen alles gelernt haben. Ein Abschlusszeugnis bekommen sie auch. „Schließlich muss das, was sie hier leisten, gewürdigt werden“, sagt Scheewe.

Ursprünglich war der Gärtnerhof ein Projekt der Bergstedter Christophorus-Schule, einer anthroposophischen Förderschule, die der Rudolf-Steiner-Schule angeschlossen ist. Seit nun schon mehr als 20 Jahren besteht der Hof in seiner jetzigen Form, als Lern- und Arbeitsstätte, an der Menschen mit Behinderung eine Perspektive gegeben werden soll. „Als wir angefangen haben, sah es hier allerdings noch anders aus, da gab es hier nur einen Bauwagen", erzählt Karin Scheewe.

Ein Hof wie aus dem Bilderbuch

Heute stehen auf dem Gelände Gewächshäuser und Folientunnel, in denen das ganze Jahr über Gemüse gepflanzt werden kann, eine große Maschinenhalle und ein Haupthaus. In einem Apfelgarten wachsen knorrige Apfelbäume, aus deren Früchten Saft gekocht wird. Auf den Stüffel-Wiesen weiden mittlerweile Galloway-Rinder, deren Mist als Dünger genutzt wird und die Heu vom Stüffel-Gelände zu fressen bekommen. Fünf Pferde leben inzwischen auf dem Hof, mit denen auf einem kleinen Reitplatz therapeutische Reitstunden gegeben werden. Am Stüffel ist ein richtiger Bilderbuch-Bauernhof entstanden, ein kleines Idyll, wo man schnell vergisst, dass man sich noch auf Hamburger Stadtgebiet befindet.

„All das wäre nicht möglich gewesen ohne Spendengelder“, sagt Karin Scheewe. Etwas Geld kommt zwar auch durch den Gemüseverkauf im Hofladen in die Kasse, doch das ist längst nicht genug, um alle Ausgaben zu decken. Deswegen ist der Gärtnerhof auch weiter auf Spenden angewiesen. Beizeiten müsste beispielsweise mal das Gewächshaus renoviert werden, und eine Metallwerkstatt, in der die Lehrlinge an ihren handwerklichen Fähigkeiten feilen können, steht auch auf der Agenda.