Ein Volksdorfer Ehepaar soll eine junge Ecuadorianerin ausgebeutet haben. Doch es gibt Ungereimtheiten um ihre Aussage. Im Raum steht der Verdacht, dass die junge Frau falsche Angaben gemacht hat.

Hamburg. Anderthalb Jahre schuftete Rosa J. als Dienstmädchen für ein wohlhabendes Ehepaar aus Volksdorf – und dafür soll die junge Frau noch nicht mal einen Hungerlohn erhalten haben. Ganze 119,45 Euro soll die junge Frau für ihre Tätigkeit bekommen haben, die sie im Dezember 2010 beendete. Gegen die beiden Eheleute hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, wegen „Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“.

Seit Mittwoch sitzt Rosa J. ihrer früheren Arbeitgeberin Gabriele C., 42, und ihrem wegen Beihilfe angeklagten Ehemann Kai L., 44, im Amtsgericht Barmbek gegenüber. In dem Prozess geht es um Geld, was gezahlt oder auch nicht gezahlt wurde; um einen Arbeitsvertrag, der einige sehr fragwürdige Klauseln enthält. Und vor allem um die Frage, ob die Eheleute Rosa J. tatsächlich ausgebeutet haben. Den Vorwurf des Menschenhandels bestreiten die Angeklagten zwar. Doch räumen sie ein, gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen und Sozialabgaben nicht abgeführt zu haben. Bereits im Juni 2012 hatten sie sich mit der jungen Frau vor dem Arbeitsgericht Hamburg über eine Summe von 32.000 Euro verglichen – eine Forderung über 13.000 Euro ist demnach noch offen. Ob die Angeklagten, wie behauptet, bisher 18.000 Euro überwiesen haben, soll noch geprüft werden.

Rosa J. ist eine sehr kleine, sehr zierliche, sehr kindlich wirkende junge Frau. Sie sei in einer armen Familie aufgewachsen, erzählt sie, so arm, dass sie zeitweise im Waisenhaus lebte. Erstmals arbeitete sie 2008 in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito für „Frau Gabriele“, wie sie ihre frühere Arbeitgeberin nennt. Um die 170 US-Dollar habe sie damals bekommen. Pro Monat. Ein Jahr darauf sollte Rosa J. mit den Eheleuten mit nach Hamburg ziehen. Ein Arbeitsvertrag wurde aufgesetzt, in dem es unter anderem hieß, dass sie von Montag bis Sonntag mindestens 40 Stunden zu arbeiten habe. Und dass ihr das komplette Gehalt – monatlich 200 Dollar plus einem Bonus von 600 Dollar – erst bei ihrer Rückkehr nach Ecuador ausgezahlt werde. Rosa J. stimmte zu. Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin will sie den Vertrag aber schon damals „nicht richtig verstanden“ haben. Mit einem Touristenvisum kam die damals 18-Jährige im Juni 2009 nach Deutschland. Dann begann der Job.

In Hamburg hat Rosa J. vor allem als Haushaltshilfe und Kindermädchen gearbeitet. Unterkunft und Logis waren frei, Geld habe sie von den Eheleuten aber nicht erhalten. 15 Monate habe sie im Keller auf dem Sofa schlafen müssen, bevor sie ein eigenes Bett bekam. „Ich habe mich wie ein minderwertiger Mensch gefühlt“, sagt sie. Im Dezember 2010 sei sie heimlich ausgezogen.

Ihr Job sei es gewesen, das stattliche Haus sauber zu halten, für die Kinder zu sorgen, einzukaufen, zu putzen und zu bügeln. Für den Familienvater, den sie vor Gericht „Herr Kai“ nennt, bereitete sie das Frühstück zu, mittags das Essen für die Kinder, die sie zur Schule brachte und abholte. Später servierte sie das Abendbrot. Und wenn die Hausherrin mal verreiste, habe sie zuvor eine Liste mit zu erledigenden Aufgaben erhalten. „Dann hätte ich doch Zeit, alles im Haus in Ordnung zu bringen.“ Zudem habe sie öfter bei der Schwester und den Eltern des Angeklagten aushelfen müssen. „Immerhin gab es da fünf bis zehn Euro“, sagt sie.

Episodenhaft schildert Rosa J. die Erlebnisse in der Familie. Sie gehörte dazu – und irgendwie auch nicht. Sie fühlte sich offenbar öfter schlecht behandelt. So habe sie während eines Italien-Urlaubs hinten im Kofferraum sitzen müssen, weil vorne kein Sitzplatz mehr frei gewesen sei. In einem Restaurant habe sich die Familie leckere Gerichte bestellt, während sie ihre mitgebrachten Brote habe essen sollen. „Ich wollte nur noch heulen. Ich habe mich einfach nur geschämt“, sagt Rosa J.

Es gilt noch Ungereimtheiten zu klären. Im Raum steht der Verdacht, dass die junge Frau falsche Angaben gemacht hat. Sollte sich das bewahrheiten, drohen ihr Verfahren wegen Prozessbetrugs und falscher Verdächtigung, so die Richterin. Zudem sei beim Vorwurf Menschenhandel nicht zu erwarten, dass es einen Arbeitsvertrag gebe und das Opfer vermeintliche Klavierstunden erhalte so wie Rosa J. „Ich habe keinen dringenden Tatverdacht.“