In Hamburgs Norden betreiben die Bürger ihr Freibad selbst. Die Mitglieder zahlen Beiträge – und bekommen als Privileg unter anderem einen eigenen Schlüssel.
Hamburg. Mit seiner roten Badehose, der roten Kappe und seinem sonnengebräunten Teint erinnert Ewald Pump ein wenig an die Rettungsschwimmer-Legende David Hasselhoff aus der Fernsehserie „Baywatch“ – nur ein bisschen älter, dafür aber viel erfahrener. Seit mehr als 24 Jahren ist Pump der Mann für alles im Freibad Duvenstedt, also irgendwie auch Rettungsschwimmer: Er überwacht den Badebetrieb, reinigt das Freibad, macht die Abrechnung, kümmert sich um die alltäglichen Fragen seiner Besucher und ist nebenbei noch Vorstand des Vereins. „Ich kann keine fünf Minuten ruhig sitzen, muss immer etwas tun“, sagt der 67-Jährige.
Das Freibad Duvenstedt ist offiziell von 11 bis 18 Uhr geöffnet, doch Pump schiebt im Sommer regelmäßig „14-Stunden-Tage“, wie er sagt. Der Grund: Außerhalb der Öffnungszeiten betreut er die Mitglieder des Vereins Freibad Duvenstedt e. V.
Als die Besitzer des Freibads, die Wasserwerke Hamburg, das Bad 1984 wegen mangelnder Rentabilität schließen und sogar zuschütten wollten, gründete sich der Verein, übernahm das Bad und führt es seither in Eigenregie. Finanziert wird der laufende Betrieb über die Mitgliedsbeiträge. Rund 900 Mitglieder zählt der Verein, eine Saisonkarte kostet für Familien 60 Euro, die Singlekarte 50 Euro.
Dafür erhalten die Mitglieder einen eigenen Schlüssel zum Bad und können eben auch außerhalb der Öffnungszeiten schwimmen gehen. Hinzu kommen rund 10.000 „normale“ Tagesgäste pro Jahr, die regulär Eintritt zahlen.
„Wir bekommen kein öffentliches Geld, aber es reicht gerade so. Es dürfen keine großen Sachen kaputtgehen“, sagt Pump. In diesem Jahr laufe es dank des Wetters sehr gut, finanziell habe man schon jetzt das Niveau des Vorjahres erreicht.
Wie ein Feldherr seine Armee, so überwacht Pump sein Reich – alles jederzeit im Auge. Er habe den geschulten Blick über die Jahre gelernt, „doch wenn man sich über einen so langen Zeitraum konzentrieren muss, merkt man das abends schon.“ Im nächsten Sommer will sich Ewald Pump ein wenig zurückziehen, sich „nur“ noch um die organisatorischen Dinge kümmern und nicht mehr täglich stundenlang über die Badegäste wachen. „Meine Frau glaubt, dass ich nicht aufhören kann. Aber ich denke schon“, sagt Pump.
Für Nicht-Mitglieder ist früher Schluss
Plötzlich stehen zwei kleine Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, vor Pump: „Haben Sie schmale Pflaster“, fragt die eine und zeigte ihre Mini-Wunde am großen Zeh. Ein Handgriff und zehn Sekunden später hat Pump das Problem gelöst. „Das macht 5,70 Euro“, sagt er lachend. Es sind vor allem Familien mit kleinen Kindern, die das Freibad Duvenstedt bevölkern – entsprechend hoch ist der Lärmpegel. Während der ungeschulte Besucher von dem lauten Kindergeschrei nach einigen Stunden vielleicht wahnsinnig werden würde, bleibt Ewald Pump die Ruhe selbst: „Ich höre das gar nicht mehr.“ Pünktlich um 18 Uhr greift der Freibad-Chef zum Mikrofon: „Es ist 18 Uhr, für alle Nicht-Mitglieder heißt das Feierabend. Bitte verlassen Sie Ihren Platz so, wie sie ihn vorgefunden haben.“ Kinder werden angezogen, Handtücher gefaltet, Rücksäcke gepackt und das Freibad lichtet sich langsam. Entsprechend sinkt auch der Geräuschpegel.
Kurz vor 19 Uhr schließt Ewald Pump das Eingangstor ab, nun gelangen nur noch Mitglieder mit Schlüssel auf die Anlage, auch Ute Thiele ist dabei.
Seit 1944 kommt die Duvenstedterin in das Freibad. Die 78-Jährige hat dort Schwimmen gelernt und ist Gründungsmitglied des Vereins von 1985. Vor Ewald Pump leitete sie die Organisation des Bades, zusammen mit ihrer Schwester gehört Ute Thiele sogar eine eigene Privatkabine zum Umziehen. „Die Freibad-Gemeinde ist wie eine Familie“, sagt sie, „und Ewald ist die Seele.“ Es sei ein bisschen „schöne, heile Welt“ im Freibad Duvenstedt, in der keiner dem anderen etwas tue, und man sich maximal um den besseren Sonnenplatz beneide. Auch spektakuläre Notfälle habe es noch nicht gegeben. „Gott sei Dank ist noch nie etwas Schlimmeres passiert“, sagt Pump.
Nachdem Pump zusammen mit seinem Bademeisterkollegen die Mülleimer ausgeleert und die Schwimmringe und Matten eingesammelt hat, gönnt er sich ein Feierabendbier. „Wohlverdient oder?“, fragt er Ute Thiele. Sie nickt.
Wohlverdient sitzen auch die beiden Freundinnen Janina und Susanne nach einem langen Arbeitstag am Beckenrand. Die beiden alleinerziehenden Mütter sind Mitglieder und haben ihre Kinder eingepackt, um den Abend im Freibad zu genießen. „Es ist super, dass man sich nicht an die Öffnungszeiten halten muss“, sagt Janina, die seit 2002 selbst Mitglied ist. Vor 19 Uhr sei wegen des regen Betriebs aber an Schwimmen nicht zu denken, sagen beide, und so sei es ein gewisser Luxus, abends zu kommen.
„Unsere Kinder finden hier auch immer jemanden zum Spielen, so dass man sie mit dem Schlüssel auch mal alleine losziehen lassen kann“, sagt Susanne. Außerdem seien sie bei Ewald in guten Händen. Man kennt einander, vertraut einander.
Zwar muss Freibadleiter Pump an den Sommerwochenenden teilweise bis zum Morgengrauen den Nachtwächter geben – aus Sorge vor partywilligen Jugendlichen. Doch auch an diesem warmen Werktag bleibt er mal wieder bis nach Mitternacht und lässt den lauen Sommerabend mit einigen Mitgliedern ausklingen. Er genießt die Ruhe. Am nächsten Morgen um 8 Uhr wird er wieder da sein. „Ich freue mich schon auf den ersten Schnee.“