Im August soll Wandsbeks größtes Bauprojekt gestartet werden. Zehn Jahre Planungswirrwarr und aufwendige Munitionsbeseitigung.
Hamburg. Die Ausbeute war enorm: 534 Kilogramm Infanteriemunition, 64 Handgranaten, zwölfBajonette, acht Wurfgranaten, sechs Panzerminen, drei Revolver - und das ist nur ein Teil der Kampfmittel, die in den vergangenen Monaten aus dem Boden der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne geborgen wurden. Dort beginnt bald Wandsbeks größtes Bauprojekt Jenfelder Au. Ende August soll das Gelände komplett kampfmittelfrei sein; dann kann es endlich losgehen mit dem Bau - nach vielen Jahren der Planung.
770 Wohnungen sollen hier entstehen, 630 davon werden neu gebaut. "Wir haben überlegt, wie wir Lebensqualität nach Jenfeld bekommen", sagt Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff. "Ein großes Ziel war es, dem Stadtteil auch nach außen ein anderes Gesicht zu geben." Es soll ein grünes, kleinteiliges Viertel werden. Rund um einen lang gezogenen Teich und eine Grünachse sind Stadthäuser und Geschosswohnungsbauten geplant. Die Vermarktung des ersten Bauabschnitts läuft, zwei Grundstücke hat die Stadt bisher vergeben, eines davon an eine Baugenossenschaft.
Dass es tatsächlich so kommen würde, war lange nicht sicher. Immer wieder verzögerte sich das Projekt, obwohl bereits vor fast zehn Jahren Wohnungsbau auf dem Gelände diskutiert wurde. Seit 1998 liegt es brach: 35 Hektar kostbares Bauland, die mit Abstand größte bebaubare Fläche in Wandsbek. 2006 ging aus einem städtebaulichen Wettbewerb ein Siegerentwurf hervor, der seit damals in überarbeiteter Form als Grundlage für die Entwicklung des neuen Quartiers gilt.
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Doch jahrelang tat sich zwischen den alten Kasernengebäuden nichts. 2009 drohte das Projekt sogar ganz zu scheitern: Die Erschließungskosten waren ins Unrealisierbare geschnellt - auf 55 000 Euro pro Wohnung. Die hätte jeder Bauherr zusätzlich zu den Grundstücks- und Baukosten zahlen müssen, oder aber Hamburg wäre auf den Kosten sitzen geblieben. Der Senat drohte mit Evokation, falls die Bezirksversammlung den Bebauungsplan beschließen sollte. Die Zahl der Wohnungen wurde aufgestockt, die Kosten wurden gesenkt. Die geringe Baudichte war eine der Ursachen für die Kostenexplosion gewesen. Im April 2011 trat dann der Bebauungsplan in Kraft.
Noch ist dort, wo bald Grünanlagen und Häuser entstehen sollen, eine Wüste aus Sand und Schlamm. So trostlos es aussieht, so sichtbar ist der Fortschritt auch: Seit Januar 2010 wurden Gebäude abgerissen und Asphalt beseitigt. Im Zuge der Kampfmittelräumung mussten auch alle Bäume weichen.
"Wir mussten abwägen und haben uns für die Sicherheit entschieden", sagt Herbert Stauss vom zuständigen Planungsbüro. Der Boden wurde mit geophysikalischen Methoden untersucht, die zwar klar anzeigen, wo etwas liegt, die aber z. B. Handgranaten nicht von Bierdosen unterscheiden können. Der gesamte Boden wurde gesiebt -47-mal war der Kampfmitteldienst vor Ort, zwölfmal musste gesprengt werden. Die Liste der gefundenen Kampfmittel mag abschreckend wirken. "Aber wir sind sicher, dass das Gelände nun völlig frei davon ist", sagt Stauss.
4,7 Millionen Euro wurden von der Bürgerschaft für die Kampfmittelbeseitigung zur Verfügung gestellt, 40 Millionen für Vorbereitung und Erschließung des Geländes insgesamt. 31 000 Euro pro Wohneinheit kostet die Erschließung, noch immer mehr als bei vergleichbaren Projekten. Ein Grund für die hohen Kosten ist ein zwar teures, aber besonders umweltfreundliches Entwässerungssystem. Regenwasser und Abwasser werden getrennt gesammelt und genutzt. Vakuumtoiletten, wie in Flugzeugen oder der Bahn üblich, sollen das "Schwarzwasser" Biogasanlagen zuführen, mit denen wiederum Strom und Wärme erzeugt werden.
Kein einheitliches Quartier soll es werden, so zumindest das Ziel, sondern eines mit einer möglichst großen Vielfalt von Bewohnern und Architektur. Ein paar der in den 1930er-Jahren erbauten alten Kasernengebäude sind denkmalgeschützt und stehen noch; auch sie sollen bewohnbar werden und sich in die Siedlung integrieren. Bei den Neubauten sind überwiegend Klinkerfassaden in verschiedenen Farben gewünscht. Ein Gestaltungsleitfaden legt die Rahmenrichtlinien fest, innerhalb deren die Bauherren dann ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen können.
Im Anschluss an die Übergabe sollen noch in diesem Jahr die Erschließungsarbeiten beginnen. Nach und nach werden dann die Bauabschnitte vermarktet. Der erste Hochbau ist für Ende 2013 geplant.