Hamburg. Beim ukrainisch-orthodoxen Weihnachtsfest feierten 300 Geflüchtete im ukrainischen Begegnungszentrum Schrödingers City Kids.

Geduldig und mit ernster Miene steht der acht Jahre alte Oleksander in der langen Schlange von Müttern und Kindern, die sich im Wintergarten des Schrödingers City Kids vor dem Weihnachtsmann versammeln. In dem ukrainischen Begegnungszentrum im Schanzenpark bei dem der Verein „Hamburger Abendblatt hilft“Hauptkooperationspartner ist, feierten die ukrainischen Geflüchteten am 6. Januar das ukrainisch-orthodoxe Weihnachtsfest. Und für jedes Kind gibt es ein altersgerechtes Geschenk – von Hamburgern gespendet. So türmen sich die schön verpackten Boxen und Tüten hinter „Santa Klaus“, der sich für jedes Kind ein paar Minuten Zeit nimmt und es fragt, was es sich für das Jahr 2024 vorgenommen hat. Oleksander wünscht sich, dass er endlich Fahrradfahren lernt, und sucht sich unter den Geschenken einen Fahrradhelm aus, der ihm wie angegossen passt.

Oleksander (8) hat seine Eltern beim Bombenhagel in Charkiw verloren

Dolmetscherin Lisa Kotiuk erzählt, dass Oleksander nicht nur kein Fahrrad hat, sondern, viel schlimmer, alleine mit seinem 21 Jahre alten Bruder Maksym aus Charkiw geflohen sei – nachdem ihre Eltern im Bombenhagel getötet worden waren. Seither passt Maksym auf den Jungen, der kaum spricht, auf. Sie sind viel im Schrödingers City Kids, weil Oleksander hier Kinder zum Spielen findet und Maksym Unterstützung in Alltags- und Behördenangelegenheiten durch die Ehrenamtlichen erhält, die diesen Service Dienstag, Mittwoch und Donnerstag an den Öffnungstagen im Schrödingers City Kids anbieten.

Geduldig warten die ukrainischen Kinder mit ihren Müttern vor dem Weihnachtsmann. Jedes kann sich ein von Hamburgern gespendetes Geschenk aussuchen.
Geduldig warten die ukrainischen Kinder mit ihren Müttern vor dem Weihnachtsmann. Jedes kann sich ein von Hamburgern gespendetes Geschenk aussuchen. © sabine tesche | Sabine Tesche

Diese traurige Geschichte zeigt, wie wichtig das Projekt, das es seit April 2022 gibt, noch immer ist. Denn viele der 300 Frauen und KInder, die an diesem Abend mit ihren Landsleuten das Weihnachtsfest feiern, haben Ehemänner, Geschwister und einige auch ihre Söhne in dem fürchterlichen Krieg verloren. Vielen laufen die Tränen über die Wangen, als ein Junge auf seiner Gitarre das patriotische Volkslied „Chervona Kalyna“ anstimmt, andere singen lautstark mit. „Singen und feiern ist auch eine Form des Widerstands“, sagt City-Kids-Projektleiterin Solveig McCaughtrie in ihrer Ansprache. Die Tische biegen sich mit Essen und ukrainischen Spezialitäten – denn fast jede Frau hat etwas mitgebracht. Draußen in der Eiseskälte gibt es Glühwein und brennt ein gemütliches Feuer in der Eisenschale.

Der Weihnachtsmann nimmt sich für jedes Kind ein paar Minuten Zeit.
Der Weihnachtsmann nimmt sich für jedes Kind ein paar Minuten Zeit. © sabine tesche | Sabine Tesche

Das Schrödingers City Kids wird alleine durch Spenden finanziert, die der Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ überwiegend einsammelt. So hat gerade die Witt-Stiftung mit einer großzügigen finanziellen Förderung dafür gesorgt, dass das Projekt bis zum Sommer grundfinanziert ist. Dennoch werden weitere Spenden dringend benötigt für Ausflüge, Kinderprogramm und Personalkosten.

Weihnachtsfeier im City Kids: Für die Kinder geht es im Untergeschoss des Begegnungszentrums mit einem bunten, fröhlichen Programm weiter, während ihre Eltern zusammensitzen und tanzen.
Weihnachtsfeier im City Kids: Für die Kinder geht es im Untergeschoss des Begegnungszentrums mit einem bunten, fröhlichen Programm weiter, während ihre Eltern zusammensitzen und tanzen. © sabine tesche | Sabine Tesche

Gegen 20 Uhr hat jedes Kind sein Geschenk bekommen und amüsiert sich nun im unteren Stockwerk beim zauberhaften Kinderprogramm, das einige Ukrainerinnen vorbereitet haben. Ihre Mütter und Großmütter sitzen derweil in den schönen Räumen des Erdgeschosses zusammen, etliche deutsche Ehrenamtliche des Projekts darunter, mit denen viele der Frauen auf Deutsch reden. Viele haben bereits ihren B2-Deutschkurs absolviert, aber kommen dennoch fast täglich ins Schrödingers City Kids, um bei Mischa, dem deutsch-russischen Deutschlehrer, ihre Kenntnisse zu vertiefen, Mittag zu essen oder einfach nur, um ihre Landsleute zu treffen.

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Für viele geflüchtete Frauen ist das CIty Kids ein zweites Zuhause geworden

„Ich komme ins City Kids, weil ich hier Beratung für meine Behördenangelegenheiten bekomme und weil ich hier viele neue Freundinnen gefunden habe. Das ist wie mein zweites Zuhause“, sagt Tatjana Muashkambium (44), die vor 18 Monaten aus Odessa nach Hamburg gekommen ist. Neben ihr sitzt Tatjana Kharchenko, die mit ihren beiden Kindern, sieben und 19 Jahre alt, aus Charkiw geflohen ist. Inzwischen sind auch ihre Mutter und ihr Mann hier. „Er hat Krebs, deswegen durfte er ausreisen“, sagt sie in fließendem Deutsch. Die studierte Finanzbuchhalterin hat bereits ihren B2-Deutschkurs bestanden, macht jetzt einen Wirtschaftskurs und hofft, bald eine Arbeitsstelle in Hamburg zu finden. Sie möchte gerne hierbleiben. Sie hat ihr gutes Deutsch im Schrödingers City Kids gelernt, inzwischen braucht sie den Kurs vor Ort nicht mehr. „Aber meine Mutter kommt dreimal die Woche und nimmt an Mischas Unterricht teil. Er macht das richtig toll, so versteht man die deutsche Sprache viel schneller“, sagt die 40-Jährige.

Der kleine Oleksander bekommt ein Fahrrad vom Abendblatt-Verein

Tatjana Kharchenkos kleine Tochter stand natürlich auch in der Schlange vor dem Weihnachtsmann und spielt nun begeistert mit ihrer neuen Barbiepuppe. Oleksander wird übrigens auch dieses Jahr Fahrradfahren lernen. Denn der Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ spendiert dem Waisenkind ein neues Kinderrad plus Schloss – einen Helm hat er ja schon.

Wie benötigen dringend Spenden für die Weiterführung des Projekts. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort „City Kids“ an das Konto bei der Haspa: Hamburger Abendblatt hilft e. V., IBAN: DE25 2005 0550 1280 1446 66.