In der AWO Tagespflege Mümmelmannsberg finden ältere und demenzkranke Menschen eine adäquate Betreuung.

Beim rücksichtsvollen Kontakt zu den älteren Menschen im Raum fällt sofort auf: Der Begriff Wohlfühloase trifft die persönliche Atmosphäre im Ruheraum der Tagespflege im Quartiershaus vorzüglich. Auf bequemen Lehnsesseln sitzen betagte, teilweise demenzkranke Besucher im Halbkreis. Gesichter und Gesten drücken Zufriedenheit aus. Aus gutem Grund: Die Hände der Seniorinnen und Senioren werden eingecremt und gefühlvoll massiert. Es wirkt mehr wie ein Streicheln. Was diese Hände in den vergangenen Jahrzehnten wohl alles geleistet haben? Heute sind die alten Damen und Herren an der Reihe, Nähe zu empfangen.

Aus dem Nebenzimmer dringt Lachen durch das zweigeschossige Gebäude der Arbeiterwohlfahrt AWO an der Wilhelm-Lehmbruck-Straße 7 im Herzen Mümmelmannsbergs. Beim Programm „Fit in den Tag“ bemühen sich die Teilnehmer, mit bunten Styroporstangen („Nudeln“) einen Luftballon in der Luft und damit im Spiel zu halten. Dass es Spaß macht, ist zu hören. Eine Betreuerin ist engagiert und fröhlich mittenmang. Man kennt sich. Man vertraut sich.

AWO Tagespflege Mümmelmannsberg: ein zweites Zuhause für Senioren

Ihre Kolleginnen in der Wohlfühloase beweisen ebenfalls Fingerspitzengefühl – im wahrsten Sinn des Wortes. Während sie den Händen der Seniorinnen sanft Gutes tun, erklingt beruhigende Hintergrundmusik. Ein elektrischer Kamin trägt zum wohligen Gefühl bei. Ebenso wie behagliche Düfte aus der Aromatherapie. An der Wand des dezent abgedunkelten Raums hängt ein LED-Monitor: In verschiedenen Farbtönen wird gemächliches Treiben wie in einem Aquarium dargestellt.

In dieser Oase fällt es leicht, den Alltag zu vergessen, angenehme Gedanken zu genießen. Vielleicht an beglückende Tage in der Vergangenheit, als einem das Leben unendlich lang und chancenreich erschien. Spenden des Abendblatt-Vereins haben dazu beigetragen, dass diese Wohlfühloase gut ausgestattet werden konnte.

Die AWO-Tagespflege in Mümmelmannsberg.
Die AWO-Tagespflege in Mümmelmannsberg. © Michael Rauhe

Ein Angebot dieser Art und Klasse macht besonders viel Sinn in einem Stadtteil wie Mümmelmannsberg, der nicht zu den verwöhnten in Hamburg zählt. In den 1970er-Jahren im Südosten der Hansestadt quasi aus dem Boden gestampft, liegt der Anteil ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger bei 23 Prozent der 23.000 Einwohner. Offiziell gehört die Hochhaussiedlung zu Billstedt. Der Anteil an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern ist mit 57,5 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Umso bedeutender sind Institutionen wie das Quartiershaus.plus, ein Projekt der AWO Hamburg und der lokalen Baugenossenschaft dhu. Das modern und freundlich gestaltete Pavillongebäude mit zwei Stockwerken ist Begegnungsstätte für Ältere und Ort der Tagespflege. Seit fünf Jahren kümmern sich sechs AWO-Mitarbeiterinnen, allesamt Fachfrauen mit Herz, um täglich bis zu 14 Besucher der Tagespflege. Im Schnitt kommen sie an zwei bis drei Tagen in der Woche, sodass insgesamt rund 30 ältere Menschen vom einzigartigen Angebot in diesem Stadtteil profitieren. Noch sind vereinzelt Plätze frei, Probetage möglich. Die Kosten werden überwiegend von der Pflegeversicherung getragen. Teilweise kommen Eigenleistungen hinzu.

Wiederkehrender Tagesrhythmus und abwechslungsreiche Beschäftigung gibt Struktur

Über Details individuell und verständlich zu informieren ist eine der Aufgaben der Leiterin Olga Zilke. Gemeinsam wird nach praktischen Lösungen gesucht. Die zweifache Mutter und gelernte Krankenschwester ist von Anfang an in der Tagespflege Mümmelmannsberg dabei. Vor Ort gilt sie als gute Seele und Motor der sozialen Initiative. Das sagen andere über Frau Zilke. Sie selbst ist zu bescheiden für solche Einschätzungen. Lieber bringt sie ihr Arbeitsprinzip auf den Punkt: „Wichtig sind ein wiederkehrender Tagesrhythmus und abwechslungsreiche, bedürfnisorientierte Beschäftigungsangebote.“ Die Besucher können so länger und selbstbestimmt in eigenen Wohnungen leben – oder bei ihren Angehörigen.

So wie Karl Kröger. Der 83-jährige Norddeutsche, früher Kaufmann im Großraum Lüneburg, steht nach schweren Stürzen und langem Krankenhausaufenthalt wieder recht stabil auf den Beinen. An die Vergangenheit kann er sich wunderbar erinnern, an die Neuzeit weniger. Herr Kröger ist bei den anderen Nutzern der Tagespflege wegen seines positiven Naturells beliebt. Er wohnt bei seiner Tochter im benachbarten Nettelnburg und besucht die Einrichtung seit eineinhalb Jahren – im Schnitt dreimal wöchentlich. Dadurch erfahren die pflegenden Angehörigen eine hilfreiche Ergänzung und Entlastung.

Das Tagesprogramm ist vielfältig, die An- und Abfahrt gut organisiert

„Für mich ist Sonntag der schönste Tag der Woche“, sagt Karl Kröger in der AWO-Wohlfühloase. Die Aussage irritiert zunächst, denn das Angebot ist ja nur werktags zwischen 8 und 16 Uhr geöffnet. Seine Antwort: „Weil ich mich dann auf Montag freue, wenn es an der Wilhelm-Lehmbruck-Straße wieder losgeht.“ Einen zweiten, berührenden Grund wird er zum Schluss verraten.

Pflegedienstleiterin Olga Zilke.
Pflegedienstleiterin Olga Zilke. © Michael Rauhe

Anlass, um AWO-Profi Olga Zilke nach Einzelheiten ihres Angebots zu fragen. Es richtet sich an Menschen, die gerne in Gesellschaft sind sowie Aktivitäten und Bewegung im Alltag wünschen – und wenn sie Unterstützung bei der Körperpflege, bei den Mahlzeiten oder bei der zuverlässigen Einnahme von Medikamenten benötigen. Ziel ist es, ein längeres Verbleiben in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die Tagespflege soll tagsüber ein zweites Zuhause sein. „Ich mag Gesellschaft und Abwechslung“, sagt Hedwig Westphal. Die 89-jährige Hamburgerin wird seit zwei Jahren zweimal wöchentlich vom Fahrdienst daheim morgens abgeholt und nachmittags wieder nach Hause gebracht. Zwei Kleinbusse stehen zur Verfügung. Alles ist perfekt organisiert.

Nach dem Frühstück liest eine Betreuerin aus der Tageszeitung vor. Es folgen Bewegungskurse, entspannende Behandlungen in der Wohlfühloase, Spaziergänge. Zwischen Mittagessen und Kaffeetrinken stehen Klönschnack auf der Terrasse, Gesellschaftsspiele wie Tischkegeln, Gedächtnistraining oder einfach nur lockeres Beisammensein auf dem Programm. Wer mag, zieht sich in den Ruheraum zurück. Liegen medizinische Verordnungen vor, kommen Ergotherapeutinnen, Physiotherapeuten und Fußpflegerinnen vorbei. Hin und wieder sorgt eine Mitarbeiterin von Zorro’s Friseurstube aus der Nachbarschaft für akkurate Frisuren.

Auch betagte und demenzerkrankte Menschen legen Wert auf ihr Äußeres. Was keiner besser weiß als Karl Kröger. In der Tagespflege hat er eine Dame ganz besonders ins Herz geschlossen. So richtig. Das Beste daran: Die 79-Jährige erwidert diese Gefühle. Als Herr Kröger eines wirklich schönen Tages Schokoladentafeln als kleine Geschenke mitbrachte und beim Mittagessen sogar den geliebten Pudding einen Platz weiterreichte, war der Grund klar. Und fast jeder verstand spätestens jetzt, warum der Sonntag für Herrn Kröger der beste Tag der Woche ist. Eben weil die Vorfreude am schönsten ist.