Hamburger Kinderarzt Dr. Joachim Riedel über Symptome, Folgen und Therapien bei jungen Menschen mit Long Covid. Ursachen ungeklärt.
Dr. Joachim Riedel ist Leiter des Hamburger Werner-Otto-Instituts. Seit November 2021 gibt es dort für Kinder und Jugendliche mit Long Covid eine spezielle Sprechstunde – bisher kamen 40 Mädchen und Jungen.
Im Podcast „Von Mensch zu Mensch“ erklärt Riedel Symptome und Therapiemöglichkeiten der Krankheit. Aktuellen Daten zufolge entwickeln rund ein Prozent der Kinder nach einer Corona-Infektion Long-Covid-Symptome. Es erkranken etwas mehr Mädchen als Jungen, mehr über zwölf Jahren als jüngere.
Ab wann sollte ich mein Kind beim Arzt wegen Verdacht auf Long Covid vorstellen?
Das Risiko für Long Covid ist unabhängig davon, wie schwer die akute Corona-Erkrankung verlaufen ist, in den meisten Fällen sogar nur mit leichten Symptomen. Wenn ein Kind mehr als vier Wochen danach noch deutliche Symptome hat, die es zuvor nicht gab, sollten die Eltern mit ihm ihre Kinderarztpraxis aufsuchen. Oft reicht es aus, dass die Kinder sich schonen. Bei den meisten lassen die Symptome in den nächsten Wochen vollständig nach.
Was sind die häufigsten Symptome?
Ausgeprägte Müdigkeit, Konzentrations -, Gedächtnis- oder Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Atem- und Kreislaufprobleme. Für die Diagnose Long Covid ist es am wichtigsten, andere Ursachen durch ausführliche Diagnostik auszuschließen, also z. B. Blutentnahmen und apparative Untersuchungen von Herz und Lunge. Dafür ist eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachleuten erforderlich.
Die Podcast-Folge mit Dr. Joachim Riedel:
Was sind die Ursachen für die Erkrankung?
Die genauen Ursachen für Long Covid sind noch ungeklärt, es gibt dazu weltweit zahlreiche Forschungsprojekte. Wahrscheinlich sind es mehrere. Man vermutet, dass Autoimmunreaktionen eine wesentliche Rolle spielen z. B. durch Antikörper, die sich „irrtümlich“ gegen körpereigene Strukturen richten. Möglicherweise bleiben bei Betroffenen nach einer überstandenen Covid-Erkrankung auch Viren in verschiedenen Körperzellen zurück, die die Symptome aufrechterhalten. Es können auch andere im Körper vorhandene Viren wie das Ebstein-Barr-Virus reaktiviert werden. Außerdem kann eine Corona-Erkrankung Schäden an körpereigenen Geweben hinterlassen, sodass die Durchblutung von Organen gestört wird.
Welche Therapien gibt es?
Die wichtigste „Therapie“ besteht oft in der Diagnose und darin, dass die Betroffenen sich ernst genommen fühlen, und danach in der geduldigen Begleitung. Ein sehr wichtiges Prinzip der Behandlung ist das Pacing: sich im Alltag immer nur so weit zu belasten, dass es zu keinem Erschöpfungszustand kommt. Das erfordert vor allem von Jugendlichen unendlich viel Geduld. Man kann Eltern verstehen, die sich für ihr schwer betroffenes Kind auf ein nicht gesichertes Therapieverfahren einlassen. Allgemein empfehlen kann man diese Verfahren nach aktuellem Stand der Forschung aber nicht.
Der ganze Podcast zum Thema Long Covid bei Kindern mit Birte Müller und Kinderarzt Dr. Joachim Riedel (Werner Otto Institut) unter: https://www.abendblatt.de/podcast/von-mensch-zu-mensch/