Die Familienpflegezeit hilft Eltern, mit einem Darlehen Arbeit und Versorgung des Kindes unter einen Hut zu bringen

Tim ist nicht wie andere Kinder, das war uns wenige Tage nach seiner Geburt klar. Zwei Monate zu früh auf die Welt gekommen, 1140 Gramm leicht, dazu ein irreparabler Hirnschaden: Ich nahm die vollen drei Jahre Elternzeit, um Tim so gut wie möglich zu unterstützen bei seinem schwierigen Start ins Leben. Doch als das Ende der 36 Monate in Sicht war, die letzten Ersparnisse aufgebraucht und Tim noch immer nicht auf den Beinen – stieg Panik in mir auf. Wie sollte ich Job, Familie und Tims Therapieprogramm unter einen Hut bekommen, wann seine Arzttermine wahrnehmen, Rezepte abholen, mit der Pflegeversicherung abrechnen?

Die beste Antwort, die ich auf all diese Fragen gefunden habe, ist die Familienpflegezeit. Sie ist ein Teilzeitmodell für Menschen wie mich und meinen Mann, Mütter oder Väter „eines minderjährigen, pflegebedürftigen nahen Angehörigen“, wie es im Gesetzestext heißt. Am 1. Januar 2015 sind die Regelungen des Familienpflegezeitgesetzes in Kraft getreten. Sie schützen Familien, die von Behinderung betroffen sind, und helfen ihnen dabei, Pflege, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Väter oder Mütter können demzufolge 24 Monate lang ihre Arbeitszeit reduzieren – also Teilzeit auf einer Vollzeitstelle arbeiten. Während dieser Zeit genießen sie besonderen Kündigungsschutz. Die Hälfte des wegfallenden Gehalts fängt ein zinsloses Darlehen auf.

Der bürokratische Aufwand ist niedrig

Das Darlehen wird beim Bundesfamilienministerium beantragt, was nicht besonders kompliziert ist. Überhaupt hält sich der bürokratische Aufwand für die Familienpflegezeit in Grenzen. Das Darlehen wird in 24 Raten jeweils Anfang des Monats überwiesen. Zwar sollte es zügig nach dem Ende der Familienpflegezeit zurückgezahlt werden. Doch wer zwischenzeitlich in eine finanzielle Schieflage gerät, kann eine Aussetzung der Rückzahlung beantragen.

Für mich war die Familienpflegezeit eine wunderbare Möglichkeit, nach abgelaufener Elternzeit zurück in den Job zu finden. Andere Eltern nehmen die Auszeit in späteren Jahren, entscheiden kann das jeder selbst. Wobei das Modell nicht sehr bekannt ist. Beim Hamburger Abendblatt bin ich die Erste, die diese Möglichkeit wahrnimmt. Ich bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Weil es mir hilft, auch bei der Arbeit mit Tims Behinderung offensiv umzugehen. Und weil mir die Familienpflegezeit ein Wort gegeben hat – ein Wort für den ganzen Wahnsinn, den man mit einem behinderten Kind Tag für Tag zu bewältigen hat.

Rund 100 Stunden Einsatz für Job und Familie

Auf 70 Stunden pro Woche schätzt die Pflegeversicherung meinen Einsatz für Tim, hinzu kommen seit Anfang März 23,7 Stunden pro Woche im Job, das sind knapp 100 insgesamt. Ich weiß, dass das im Grunde für alle jungen Familien gilt. Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen kann einen schon im Normalfall an den Rand der Belastbarkeit bringen. Wenn dann noch eines der Kinder behindert ist, wird die Belastung beinahe unerträglich. Für diese Fälle ist die Familienpflegezeit eine mehr als sinnvolle Möglichkeit.

Infos rund um die Familienpflegezeit

Die Familienpflegezeit beträgt bis zu 24 Monate und muss spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich beim Arbeitgeber beantragt werden. Zählt das Unternehmen, bei dem man arbeitet, 25 oder mehr Mitarbeiter, ist es gesetzlich verpflichtet, die teilweise Freistellung zu ermöglichen. Notwendig ist ein Nachweis über den Pflegegrad des behinderten Kindes. Das Familienministerium hat dazu ein Musterformular auf seine Homepage gestellt.

Ein zinsloses Darlehen kann das wegfallende Gehalt zum Teil auffangen. Es wird direkt beim Bundesamt für Familie beantragt. Arbeitnehmer in Familienpflegezeit können nicht gekündigt werden. Der Kündigungsschutz endet gleichzeitig mit dem Ende der Auszeit. Weitere Infos:
www.wege-zur-pflege.de