Die Abendblatt-Redakteurin nahm sich eine Auszeit und bereiste die Welt. Dabei machte sie unbezahlbare Erfahrungen.

Während meines Sabbaticals bereiste ich ein Jahr lang verschiedene Länder. Im Oktober 2012 war ich aufgebrochen, um die Welt zu entdecken. Ich hatte schon lange davon geträumt und wollte im Alter nicht zurückschauen und denken: „Ach hättest du mal ...“ Als Journalistin beruflich stark eingespannt, hatte ich manchmal das Gefühl, keine Zeit mehr für die spannenden Dinge im Leben zu haben: Abenteuer zu erleben, etwas Neues zu lernen, in der Natur zu sein, Grenzen zu überschreiten – auch im übertragenen Sinne. Ungebunden und frei zu sein, das hatte mir schon nach meinem Studium gut gefallen. Damals reiste ich ein Jahr lang mit dem Work-and-Travel-Visa durch Australien. Dort fing ich mir das Reisevirus ein, das meine Sehnsucht nach der Fremde immer wieder neu in mir entfacht. Zehn Jahre später fand ich es an der Zeit, weitere unvergessliche Momente fürs Leben zu schaffen. Die 30 Tage Urlaub im Jahr reichten mir nicht mehr. Ein Stück weit wollte ich mit dem Sabbatjahr auch den alltäglichen Verpflichtungen und der Routine entfliehen und wieder Kraft und neue Ideen sammeln.

Also sprach ich mit Personalchef und Chefredakteur über eine unbezahlte Auszeit. Beide unterstützten mich sehr bei der Umsetzung meiner Pläne. Und so begann ich, Verträge zu kündigen oder für ein Jahr stillzulegen. Ich kalkulierte mein Budget und legte danach meine Reiseroute fest. Ich suchte mir einen Zwischenmieter und buchte mir über eine Reiseagentur Flüge.

Die Vorbereitungen ließen keine Zeit für Zweifel. Erst kurz vor dem Abflug packte mich die Angst. Was hatte ich mir da nur eingebrockt? Was, wenn mir etwas zustoßen oder ich krank werden würde? Doch für Bedenken war es bereits zu spät.

In Südafrika, das ich zuerst besuchte, machte ich gleich mal die Erfahrung, wie es sich anfühlt, in der Minderheit zu sein und in einem Supermarkt Aufsehen zu erregen, weil sich dort normalerweise keine Weißen hinverirren. Indien riss mich dann vollkommen aus meiner Komfortzone. Die Hitze, der Gestank, die Massen in Mumbai brachten mich anfänglich an meine Grenzen. Ich fühlte mich ausgeliefert und allein in diesem Moloch. Doch eine indische Studentin befreite mich aus meiner Kulturschock-Starre und öffnete mir die Augen für die Schönheit ihres Landes. Ein Jahr Auszeit war für mich die Chance, an Orte zu gelangen, von denen andere nur träumen. Ich wanderte auf einem Gletscher, tauchte an tropischen Riffen, kam auf einer Safari Löwen und Elefanten so nah wie nie zuvor. Ein wunderbarer Moment reihte sich an den nächsten: Ich sah Wale übermütig springen, fand eines Morgens ein Buschbaby, ein Galagos, in meiner Hütte, sah Seebären kämpfen. Diese Bilder haben sich mir ins Gedächtnis eingebrannt.

Auch kulinarisch lernte ich dazu: In Kambodscha wurde Prahok, ein aus fermentierten Fischen zubereiteter Dip, nicht nur mit Zitronengras und Ingwer gewürzt, sondern auch mit roten Ameisen. Seit ich in Vietnam sah, was für ein Knochenjob der Reisanbau ist, habe ich kein Körnchen mehr weggeworfen. Reisen lehrt Achtsamkeit.

Seit ich wieder zu Hause bin, versuche ich, nachhaltiger zu leben. Ich überlege mir vor jedem Kauf, ob ich wirklich noch eine Jeans oder einen Pullover brauche oder ob das, was ich besitze, nicht ausreicht. Ich achte stärker auf fair gehandelte Waren und werfe kaum noch Lebensmittel weg, seit ich im kambodschanischen Siem Reap Kinder beobachtete, wie sie im Müll nach Essbarem suchten. Vermeintliche Alltagsprobleme relativieren sich aus der Ferne. Als Reisende lernte ich in vielerlei Hinsicht hinzu, zum Beispiel mit wenig Gepäck auszukommen. In der Fremde entdeckte ich aber auch meinen Mut, meine Toleranz, mein Mitgefühl und mein Vertrauen in mich und in das Leben im Allgemeinen.