Nach Abendblatt-Informationen soll jedes Kind in Hamburg, wenn die Eltern dies wünschen, einen Platz an der Vorschule bekommen.
Hamburg. An der Schule Hinter der Lieth ist der Andrang groß. Für das kommende Schuljahr sind 69 Kinder an der Vorschule angemeldet worden. Das sind deutlich mehr Anmeldungen als bisher - und eindeutig zu viele für die zwei Vorschulklassen, die es bisher an der Schule gegeben hat. Doch wie für alle Schulen mit Vorschule gilt nach Informationen des Abendblatts die neue Parole der Schulbehörde: Es wird kein Vorschulkind mehr abgelehnt. An der Schule Hinter der Lieth wird stattdessen eine zusätzliche dritte Vorschulklasse eingerichtet.
Die Schulleiterin Susanne Solger begrüßt das Bestreben der Schulbehörde, die "qualitativ gute Arbeit" der Vorschulen zu unterstützen. "Ich freue mich, dass wir die intensive Nachfrage der Eltern befriedigen können", sagt sie. So könnten alle Eltern auf die angebotene "Qualität" zurückgreifen.
Und die Nachfrage ist groß. Derzeit gibt es 8030 Anmeldungen für das kommende Schuljahr, rund 470 mehr als im Jahr zuvor. Doch schon für das laufende Schuljahr reichten die Plätze nicht aus, für 7559 angemeldete Kinder standen nur 6626 Vorschulplätze zur Verfügung. Im Schuljahr 2009/2010 gab es 6825 Anmeldungen auf 6283 Plätze.
Diese Diskrepanz soll es nun nicht mehr geben. Nach Informationen des Abendblatts sollen für das kommende Schuljahr bis zu 40 zusätzliche Vorschulklassen eingerichtet werden, um alle Anmeldungen berücksichtigen zu können. Derzeit gibt es 349 Klassen. So soll es beispielsweise auch an der Grundschule Hoheluft künftig zwei Vorschulklassen geben. Bei nur einer Klasse wurde es schon seit Jahren eng. "Wir hatten deutlich mehr Anmeldungen als zu vergebende Plätze", sagt Schulleiter Herbert Neumann.
Allerdings wissen viele Schulleiter noch nicht, wie die neue Vorschul-Offensive praktisch umgesetzt werden soll. Denn wie an der Grundschule Hoheluft sind leerstehende Klassenräume an vielen Standorten Mangelware. Die Schulbehörde hüllt sich offiziell noch in Schweigen, wollte das gesamte Vorhaben gegenüber dem Abendblatt nicht kommentieren. Denkbare Lösungen könnten aber vorübergehend aufgestellte Container, sogenannte mobile Klassenzimmer, und Kooperationen unter benachbarten Schulen sein.
"Jetzt wird es die Aufgabe der Behörde sein, im Sinne der Kinder gute Lösungen zu finden", sagt Peter Albrecht von der Elternkammer, die das Vorhaben insgesamt sehr begrüßt. Neben der Frage der Raumkapazitäten sieht Albrecht vor allem eine Herausforderung darin, ausreichend akademisch ausgebildete Sozialpädagogen für die zusätzlichen Vorschulklassen zu finden.
Ein weiteres Thema ist die Anschlussbetreuung. An Schulen, die kein Ganztagsangebot haben, ist auch an der Vorschule gegen 13 Uhr Schluss. Für berufstätige Eltern ein Problem, zumal es in vielen Fällen nicht leicht ist, für die Stunden danach zusätzlich einen Kitaplatz zu ergattern. Viele Kitas bevorzugen bislang Kinder, die komplett in der Einrichtung betreut werden. Doch auch in dieser Hinsicht sind wohl verstärkte Kooperationen zwischen Schulen und Kitabetreibern geplant.
Der Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung (LEA) würde eine solche Kooperation begrüßen. "Die Systeme könnten deutlich mehr aufeinander zugehen", sagt Sprecherin Claudia Wackendorff. Auf diese Weise könne man das Beste aus den beiden Bereichen zusammenführen.
Noch herrscht zwischen Kitas und Vorschulen jedoch eine unterschwellige Konkurrenz. Schließlich sind die Kitas auf die Kinder angewiesen. Zwar begrüßt die Geschäftsführerin der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, Franziska Larrá, das erweiterte Angebot an Vorschulplätzen: Wenn die Eltern das wollen, sei es gut, dass sie die Möglichkeit bekämen, so Larrá. Allerdings bedauert sie den Trend zur Vorschule, der mit der gesamten Bildungsdiskussion aufgekommen sei. "Wir bieten ein hervorragendes Vorschulangebot, das an den modernsten Erkenntnissen ausgerichtet ist", sagt Larrá.
Doch seit einigen Jahren hätten viele Eltern Angst, ihr Kind würde in Sachen Bildung an den Kitas zu kurz kommen. Laut Larrá eine unbegründete Sorge: In den Kitas der Vereinigung werde mit einem hohen Personalschlüssel gearbeitet, die Bildungsangebote seien altersübergreifend und individuell ausgerichtet.
An der Kita Erdkampsweg in Fuhlsbüttel beispielsweise lernen die fünf Elementar-Erzieherinnen mit den Kinder nicht nur Zahlen und Buchstaben, sie gehen mit ihnen in den Supermarkt, gesundes Essen einkaufen oder in die Kunsthalle. Gerade wird Monet nachgemalt. "Wir bieten Bildung von Anfang an, dazu Betreuung von 6 bis 18 Uhr, auch an den Ferien", sagt Leiterin Ute Borchers.