Ein Leistungsvergleich von altem und neuem System ergibt frühestens 2013 ein Ergebnis - nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg.
Hamburg. Morgen treffen die schwarz-grüne Koalition und die Volksinitiative "Wir wollen lernen" zu ihrer sechsten Verhandlungsrunde über die Schulreform im Rathaus zusammen.
Hamburger Abendblatt: Gibt es noch eine realistische Chance auf einen Kompromiss im Schulstreit?
Walter Scheuerl: Aus unserer Sicht ja, vor allem dann, wenn Schwarz-Grün sich bei der Zeitschiene bewegt.
Abendblatt: Der Knackpunkt ist die Frage, wann ein seriöser Leistungsvergleich der Schüler im alten mit dem neuen System als Grundlage für eine flächendeckende Einführung der Primarschule möglich ist. Wann ist das Ihrer Ansicht nach der Fall?
Scheuerl: Am besten wäre es, eine Generation der Primarschule von Klasse 1 bis 6 durchlaufen zu lassen. Nun sagt uns zum Beispiel Prof. Rainer Lehmann aus Berlin, dass man auch nach drei Jahren - für die Klassen 4 bis 6 - systembedingte Unterschiede feststellen kann. Das hieße, die Entscheidung könnte im Sommer oder Herbst 2013 fallen.
Abendblatt: Das würde bedeuten, dass Sie mit der Koalition nicht zu einer Einigung kommen. Schwarz-Grün will die verbindliche Einführung der Primarschule vor der Bürgerschaftswahl im Februar 2012.
Scheuerl: Das ist so. Wir haben aber als Volksinitiative einen konkreten Auftrag und können nur um eines parteipolitischen Friedens willen nicht auf die Sacherfordernisse verzichten.
Abendblatt: Gibt es da überhaupt noch einen Spielraum?
Scheuerl: Sicher nicht bei der Frage, was ein Vorverlegen des Zeitpunktes der Entscheidung betrifft. Denn systembedingte Unterschiede kann man eben frühestens ab 2013 feststellen.
Abendblatt: Rechnen Sie damit, dass Wissenschaftler, die eine solche Leistungserhebung machen, am Ende zu einem einheitlichen Votum kommen?
Scheuerl: Die Verfahren, Lernstände zu ermitteln, sind standardisiert und eindeutig. Aber welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, ist Sache der politischen Entscheidung. Die Gewichtung der Ergebnisse müssten wir deshalb vorher beschließen.
Abendblatt: Wie muss das Ergebnis sein, damit Sie es als klares Votum für die Reform akzeptieren?
Scheuerl: Die Lernstände der Primarschüler müssen mindestens insgesamt im Durchschnitt besser sein als die der Vergleichsschüler im herkömmlichen System.
Abendblatt: Sollte es zum Volksentscheid kommen, werden Sie es mit einer Gegeninitiative zu tun haben. Wie bewerten Sie deren Aktivitäten?
Scheuerl : Die dort Aktiven haben sich im Wesentlichen schon bei der gescheiterten Volksinitiative "Eine Schule für alle" engagiert. Wir sehen das nicht als eine große Bewegung in der Fläche der Stadt, sondern eher als parteipolitische Bewegung, die im eher linken Spektrum angesiedelt ist. Einige der führenden Köpfe haben parteipolitische Erfahrung.
Abendblatt: Wenn es nicht zu einer Einigung mit Schwarz-Grün kommt, haben Sie dann die Sorge, als Hardliner dazustehen, der den Schulfrieden verhindert hat?
Scheuerl: Das sehen wir nicht so. Wir haben jetzt einen Vorschlag gemacht, der es jedem ermöglicht, seine Kinder in das Schulsystem zu geben, das er für das richtige hält. Da gäbe es keinen Unfrieden oder gar Schulkrieg.
Abendblatt: Sind Sie auch nach einem Scheitern gesprächsbereit?
Scheuerl: Auf jeden Fall. Wenn es noch Bewegung gibt, kann der Senat uns ansprechen. Man kann den Volksentscheid auch nach der Anmeldung noch absagen.
Abendblatt: Was halten Sie von der Gründung einer Partei?
Scheuerl: Ich persönlich halte davon nichts und habe keine solche Absicht. Es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, dass so etwas aus unserer Gruppe heraus passiert.
Abendblatt: Wenn die Gespräche scheitern, welches Gefühl herrscht bei Ihnen dann vor? Sieg, Niederlage oder was sonst?
Scheuerl: Es wäre weder ein Gefühl von Sieg oder von Niederlage, sondern eher ein großes Bedauern. Welche Gefühle in einem solchen Fall vorherrschen, würde sicher vor allem von den Ursachen für das Scheitern abhängen.