Hamburg. Die Polen teilten sich eine Wohnung in Hausbruch. Die abscheulichen Taten machen ebenso fassungslos wie das Zusehen der Mitangeklagten.
Vielleicht gelingt es ja dem psychiatrischen Sachverständigen aufzuklären, wie es zu dem Exzess kommen konnte, wo die Wurzeln dieser abseitigen, folterartigen Tat in drei Akten liegen. Der normale Menschenverstand tut sich da schwer. Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen. Vorerst. Und das Opfer, über zwei Tage bis aufs Blut gequält und zum Sterben zurückgelassen, sagt erst nächste Woche aus.
Tatort ist eine Monteurswohnung an der Cuxhavener Straße, wo fünf Handwerker aus Polen zusammenlebten. Vier von ihnen sollen Mitte August 2021 über den einen hergefallen sein. Angeklagt sind aber nur zwei Männer. Der eine schlug zu, der andere schaute zu. Lukas D., der mutmaßliche Haupttäter, steht wegen versuchten Mordes vor Gericht. Gleich drei Mordmerkmale sieht die Anklage da verwirklicht: Heimtücke, niedrige Beweggründe, Grausamkeit. Sein Handeln sei von „sadistischen Neigungen und Freude am Quälen und Erniedrigen bestimmt“ gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Den anderen, Dawid B., hat sie wegen Beihilfe angeklagt. Die Ermittlungen gegen zwei weitere Mitbewohner, die sich am Gewaltreigen aktiv oder passiv beteiligt hatten, dauern an.
Handwerker folterten Kollegen in Harburg und machten Fotos
Der Zeuge Marek S. bereitete der Gewaltorgie ein Ende, nachdem ihm ein Dritter ein Handy-Foto vom nackten, blutüberströmten Körper des Opfers geschickt hatte. „Er war schrecklich zugerichtet. Ich sagte: Ruf sofort einen Krankenwagen.“ Mehr tot als lebendig holten Rettungssanitäter Piotr W. aus der Wohnung. Er hatte mehrere Knochenbrüche erlitten und eine Vielzahl von Hämatomen, Schnitt- und Platzwunden. Ohne sofortige intensivmedizinische Behandlung hätte er es nicht geschafft.
Vorarbeiter Marek S. hatte Piotr W. und die anderen vier anderen Monteure auf Baustellen in und um Hamburg eingesetzt. Gemeinsam lebten sie in der Vier-Zimmer-Wohnung in Hausbruch. Gelegentlich sei es zum Streit zwischen den Männern gekommen, sagt Marek S., etwa wenn sie tranken. Dawid B. kenne er seit Jahren als zuverlässigen, „nicht gewalttätigen“ Kollegen. Lukas D. sei erst zwei Monate vor der Tat dazugestoßen – an seiner Arbeit habe er aber nie etwas auszusetzen gehabt.
Täter fielen über ihr Opfer im Schlaf her
Als sein Martyrium am Abend des 14. August beginnt, schläft Piotr W. tief und fest in seinem Dachgeschosszimmer. Mit einem Mitbewohner, so die Anklage, schlägt und tritt Lukas D. den Mann und bewirft ihn mit Möbelstücken. Die beiden hätten auf diese Weise ihre „aggressiven Gewaltfantasien“ ausleben wollen, so die Anklage. Sie hören nur deshalb auf, weil sie im verwüsteten Zimmer nicht mehr „gezielt auf ihn einwirken“ können. Piotr W. leidet unter so starken Schmerzen, dass er bis zum Mittag des folgenden Tages nicht aufstehen.
Als er seine vier Mitbewohner am 15. August in der Küche trifft, so heißt es in der Anklage weiter, tritt Lukas D. ihm mehrfach ins Gesicht und gegen das Ohr, schlägt ihm eine leere Bierflasche gegen die Schulter und den Metallstiel eines Besens auf den Hinterkopf. Piotr W. bricht bewusstlos zusammen. Schaut der Angeklagte Dawid B. da noch tatenlos zu und billigt so nach Auffassung der Staatsanwaltschaft das Geschehen, greift er kurz darauf aktiv ein: Als Lukas D. ihn zwingt, sein eigenes Blut aufzuwischen, soll er den Schwerverletzten zu Boden gedrückt haben, so dass Lukas D. ihn in der demütigenden Position fotografieren kann.
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Aber ist noch nicht zu Ende: Als Lukas D. das Opfer später zwingt zu duschen, misshandelt er ihn weiter, mit dem Stiel eines Wischmobs und einer Fahrradkette. Schließlich fällt Piotr W. durch die Glaswand der Duschkabine, wodurch er weitere Schnittwunden, Knochenbrüche und lebensdrohliche Verletzungen erleidet. Die Angeklagten hätten ihn im Glauben zurückgelassen, „er sei bereits tot oder werde in Kürze sterben“, so die Anklage. Offenbar wurden etliche Fotos vom Leiden des 43-Jährigen gemacht und per SMS verschickt. Einen Teil zeigt das Gericht am Mittwoch. Die Bilder zeigen das Produkt roher, ungezügelter Gewalt. Piotr W. ist darauf kaum zu erkennen, sehr wohl aber der Willen zur Vernichtung.