Hamburg. Dutzendfach wurden in den vergangenen Tagen Plakate geklebt, die vermeintlich offiziell auf Überwachung durch die Polizei hinweisen.

Es war einmal eine Colaflasche, Marke Zero, die stand Ende 2018 hinter einem Dachgeschoss-Fenster eines Seniorenwohnheims am Kleinen Schäferkamp. In der Plastikflasche steckte eine Überwachungskamera der Polizei, deren Linse wiederum auf einen linken Szenetreffpunkt schräg gegenüber dem Altenheim gerichtet war. Wenige Wochen später war die Spitzelvorrichtung enttarnt und die Empörung in der linken Szene groß: Was erlaubt sich die Polizei?

Nicht erst, aber vor allem seit diese vielfach kritisierte Überwachungsmaßnahme aufgeflogen ist, ist die linke Szene auf der Hut. Jetzt haben Unbekannte Dutzende Plakate auf St. Pauli aufgehängt, die aussehen wie offizielle Info-Plakate der Hamburger Behörden und die vor einer (vermeintlichen) polizeilichen Observation warnen.

Fast könnte man den Eindruck bekommen, das Plakat sei echt

"Information" prangt oben in großen weißen Lettern auf rotem Grund, unten das Siegel der Stadt Hamburg. „Zur Erhöhung ihrer Sicherheit haben wir eine Wohnung in ihrer Nachbarschaft gemietet“, steht darauf. Und weiter: Von einer Erdgeschosswohnung an der Bernhard-Nocht-Straße mit „gutem Blick in Richtung Park Fiktion (sic!) und Butt Club“ habe die Polizei eine „gute Basis für personelle und technische Überwachungsmaßnahmen“.

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Von mehreren Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern mal abgesehen, könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den Plakaten um eine echte amtliche Anwohner-Warnung handelt. Wobei mutmaßlich weniger Anwohner die Adressaten sein dürften, sondern vielmehr Drogendealer, die ihre Geschäfte im Bereich Balduintreppe abwickeln und dort seit Jahren von der Polizei ebenso strikt verfolgt wie von linken Sympathisanten geschützt werden.

Protest gegen Polizeigesetz-Reform auf die Spitze getrieben

Auf den Plakaten folgt dann ein ironischer Schlenker zur im linken Spektrum verhassten Reform des Hamburger Polizeigesetzes. „Daten dürfen wir nun nahezu endlos nutzen und behalten, auch mittels Gesichtserkennungssoftware, ohne dass der Datenschutzbeauftragte uns irgendetwas untersagen darf.“

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Das ist natürlich Nonsens, die Polizei erhält zwar mehr Rechte, aber mitnichten das Recht, auf Datenschutz zu verzichten. Spätestens bei der Schlussformel müsste dann aber auch beim arglosesten Bürger das Martinshorn laut aufheulen. „Wir sind ganz in ihrer Nähe!“, ist da zu lesen. Big Brother lässt grüßen.

Polizei ermittelt – wegen Amtsanmaßung

Die Polizei ist über die (satirische?) Guerilla-Aktion längst im Bilde. Nur verbirgt sich darin nicht doch ein wahrer Kern? Filmen und fotografieren Beamte also im Bereich Balduintreppe? Greift die Polizei auf das Einsatzmittel Colaflasche zurück? Wie üblich in solchen Fällen bestätigt die Polizei nichts, dementiert aber auch nichts. „Zu dieser Frage geben wir aus taktischen aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen keine Antwort“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün.

Die Plakate einfach auf dem Kiez hängen lassen, kommt für die Polizei nicht infrage. 36 seien seit Anfang Februar entfernt worden, in der Bernhard-Nocht-Straße und in den umliegenden Straßen. Levgrün: „Wir ermitteln wegen Amtsanmaßung gegen unbekannt.“ Und das ist definitiv keine Satire.