Hamburg. Antisemitischer Vorfall in Hamburg: Landesrabbiner und Vorstand der Jüdischen Gemeinde angegriffen. Politiker entsetzt.
Beim Verlassen des Hamburger Rathauses sind ein hoher jüdischer Geistlicher sowie ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg von einem Mann angegriffen, übelst beschimpft und bespuckt worden.
Der antisemitische Vorfall ereignete sich am Donnerstagnachmittag gegen 14.40 Uhr nach einem Senatsfrühstück zunächst im Rathaus. Landesrabbiner Shlomo Bistritzky bestätigte Abendblatt.de den Übergriff: "Eliezer Noe und ich kamen gerade von der Veranstaltung mit Bürgermeister Peter Tschentscher, wollten das Rathaus verlassen, als uns der Mann zunächst mit Schalom grüßte. Dann sagte er etwas, was wie eine Drohung klang. Wir drehten uns zu ihm und fragten nach, was er gesagt habe. In diesem Augenblick griff er unter sein Hemd, holte etwas das wie ein Messer aussah hervor und begann uns verbal zu bedrohen."
Juden im Hamburger Rathaus bespuckt und beleidigt
Der Angreifer zog offenbar auch ein Feuerzeug und ging mit entzündeter Flamme auf die beiden Juden zu, begann sie übelst zu beleidigen und zu bespucken. "Ich machte ein Handyfoto von ihm und lief sofort an die wenige Meter entfernte Rathaustür, um die Polizisten dort aufmerksam zu machen", schildert Landesrabbiner Bistritzky den weiteren Verlauf.
Marokkaner wird Spuckschutzhaube angelegt
Ein Beamter sprach den Beschuldigten – einen 45 Jahre alten Marokkaner aus Seevetal – zunächst an. Dieser versuchte daraufhin zu flüchten, lief zu Bistritzky und Noe und bespuckte sie erneut. Daraufhin versuchte der Polizist, den Angreifer zu überwältigen. Das gelang nach intensivem Kampf.
Der Mann, der abwechselnd deutsch und arabisch sprach, wurde schließlich mit Handschellen gefesselt an der Rathaustür fixiert, bis Verstärkung eintraf. "Trotz der Handfesseln spuckte der Mann erneut um sich", sagte Polizeisprecher Daniel Ritterskamp am Freitag. Ihm sei daraufhin eine sogenannte Spuckschutzhaube angelegt worden.
"Nicht für möglich gehalten, dass so etwas in Hamburg passiert"
Landesrabbiner Bistritzky bestürzt: "Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass so etwas in Hamburg passiert – und dann noch an diesem Ort. Ein schlimmes Signal für uns war jedoch noch, dass der Angreifer nach zwei Stunden wieder freigelassen wurde."
Der Marokkaner wurde auf dem Polizeikommissariat 14 erkennungsdienstlich behandelt, der Staatsschutz (LKA 7) hat die weiteren Ermittlungen übernommen.
Hamburger Politiker und Prominente reagieren entsetzt
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach nach Bekanntwerden des Angriffs von einer "schlimmen antisemitischen Straftat".
„Es ist bestürzend, dass Menschen jüdischen Glaubens immer noch Ziel solcher Angriffe werden“, erklärt die Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir. Und weiter: „Der Kampf gegen Antisemitismus muss immer noch mit aller Kraft geführt werden, das zeigt nicht zuletzt dieser Vorfall.“
Die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Anna von Treuenfels-Frowein: „Wir verurteilen den antisemitischen Angriff aufs Schärfste. Alle Menschen jüdischen Glaubens müssen sich in unserer Stadt sicher fühlen, egal ob es sich um einen Rabbiner oder einen ‚einfachen‘ Kippa-Träger handelt. Angriffe auf jüdische Mitbürger sind auch Angriffe auf unser freiheitliches Leben.“
Dirk Nockemann, Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft sagt: "Es ist eine abscheuliche Tat mitten im Herzen Hamburgs. Wir hoffen, dass der mutmaßliche Täter die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommt. Und wir wünschen dem Landesrabbiner und dem Vorstandsmitglied nach diesem fürchterlichen Schockerlebnis alles Gute."
Marcus Weinberg, designierter Spitzenkandidat der Hamburger CDU:
„Ich verurteile diesen Angriff auf das Schärfste, so etwas darf nicht passieren. Nicht in Hamburg und nirgendwo anders. Wir tolerieren Antisemitismus nicht, wir wehren uns gemeinsam dagegen. Unser Hamburg steht als liberale Burg für Toleranz und Respekt gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Hass. Wer einen Rabbiner angreift, greift uns alle an. Religiöse Vielfalt und Toleranz müssen eine Selbstverständlichkeit sein und bleiben. Ich nehme den Vorschlag der Jüdischen Gemeinde gerne an, Gespräche über konkrete, spürbare Veränderungen zu führen.“
"Ekelhafter, antisemitischer Übergriff"
Der Rat der islamischen Gemeinde, Schura Hamburg, erklärt: "Mit Abscheu und Entsetzen haben wir von dieser Tat erfahren. Wir verurteilen jede Art von Antsemitismus egal aus welchem gesellschaftlichen Spektrum er kommt aufs Schärfste. Der Kampf gegen Antisemitismus ist gesamtgesellschaftliches Anliegen."
Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion sagt: „Ich bin wütend über den antisemitischen Übergriff auf die Vertreter der jüdischen Gemeinde. In unserer Gesellschaft haben antisemitische Ausfälle keinen Platz. Es ist die Pflicht von uns allen, die Augen vor solchen Geschehnissen nicht zu verschließen, sondern sich dem entschieden entgegenzustellen. Unsere Fraktion bedauert sehr, dass die Vertreter der jüdischen Gemeinde diesem ekelhaften, antisemitischen Übergriff ausgesetzt waren.“
Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs äußerte sich "zornig und erschüttert" über die antisemitische Attacke. Sie habe Bistritzky und der Jüdischen Gemeinde ihre Solidarität auch im Namen der Nordkirche erklärt, sagte Fehrs beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund.
Hier schildert der Landesrabbiner die Spuckattacke im Podcast
Auch die Jüdische Gemeinde Hamburg verurteilt den Vorfall "aufs Schärfste – auch soweit er sich gegen die einschreitenden Polizeibeamten richtete. Den Polizeikräften danken wir für ihren Einsatz", sagt der 2. Vorsitzende, Philipp Stricharz.