Hamburg/Leipzig/Berlin. Bei Crash-Tests hielten die mobilen Anti-Terror-Sperren einem 55 km/h schnellen Laster nicht stand. Experte zieht ernüchterndes Fazit.

Sie sehen aus wie Lego-Steine. Doch die fast putzige Anmutung der 2,5 Tonnen schweren Betonquader täuscht: Im Fall eines Terror-Anschlags, bei dem ein Lastwagen in eine Menschenmenge rast, sollen die Steinblöcke Menschenleben retten.

Sollen. Aber können sie diesen Schutz auch gewährleisten? Jetzt kam heraus: Die Anti-Terror-Sperren aus Beton, in Hamburg in großen Stückzahlen nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und während des OSZE-Gipfels eingesetzt, halten einem Angriff mit einem Lastwagen eben nicht stand. Das haben zwei Tests im Auftrag des MDR-Magazins „Umschau“ ergeben, der Beitrag soll heute Abend (MDR, 20.15 Uhr) im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Betonklötze auch beim Hafengeburtstag

Die bei dem Test überprüften Betonblöcke, die aussehen wie übergroße Lego-Steine, werden bundesweit zum Schutz von Großveranstaltungen eingesetzt. Wie das Abendblatt am Dienstag berichtete, sollen die Betonpoller unter anderem beim Hafengeburtstag am ersten Mai-Wochenende aufgestellt werden – sie sind allerdings auch nur ein Baustein im Anti-Terror-Konzept der Hamburger Polizei. So sollen beispielsweise beim Hafengeburtstag auch Beamte mit Maschinenpistolen zum Einsatz kommen.

Hightech und Beton: Was gegen Lastwagen-Anschläge hilft

Aktuell wird der Hamburger Dom rundherum mit den Beton-Blöcken geschützt. Auch beim Schlager-Move am 15. Juli sollen die Sperren genutzt werden. „Für jede Veranstaltung gibt es ein individuelles Sicherheitskonzept, und dazu können auch Betonblöcke gehören“, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. Nähere Angaben zu diesen Konzepten seien aus „einsatztaktischen Gründen“ jedoch nicht möglich.

Aufhaltewirkung "relativ gering"

Wie verheerend die Bilanz zu Ungunsten der Betonblöcke ausfällt, zeigte jetzt der Dekra-Crash-Test in Neumünster. Ein zehn Tonnen schwerer, beladener Laster, vergleichbar dem beim Terroranschlag von Nizza mit 84 Toten genutzten Lkw, prallte mit rund 55 km/h gegen die 2,5 Tonnen schweren Betonblöcke, einmal im rechten Winkel, dann im 30-Grad-Winkel. Bei beiden Versuchen waren jeweils vier Blöcke im Abstand von 1,50 Metern aufgestellt worden.

"Beim Aufprall im 90-Grad-Winkel wurden die Achsen beschädigt, der Laster hat aber trotzdem die Blöcke ziemlich mühelos zur Seite geschoben“, sagte Testleiter Marcus Gärtner dem Abendblatt. Die Aufhalte-Wirkung sei „relativ gering“ gewesen. Ein ähnliches Ergebnis lieferte auch der zweite Versuch im 30-Grad-Winkel. Dabei seien die Beschädigungen am Lastwagen noch deutlich geringer ausgefallen.

Experte: "Ich würde sie nicht einsetzen"

Fazit des Experten: „So wie sie bei unserem Test aufgestellt waren, würde ich sie im Rahmen der Terror-Abwehr nicht einsetzen.“ Eine deutlich höhere Schutzwirkung entfalteten fest im Boden installierte Poller, die bei Bedarf hochgefahren werden können. „Die halten sogar dem Aufprall eines 30-Tonners stand“, so Gärtner. Nachteil: Diese teuren Systeme sind nicht mobil einsetzbar, weil eigens ein Fundament gegossen werden müsste. Im Klartext: völlig untauglich für die Bedarfe der Polizei bei der Sicherung von Großveranstaltungen.

Hersteller wundert das Ergebnis nicht

Die Testergebnisse überraschen Tobias Becker, Chef der Baufirma Becker in Werl, nicht wirklich. Seine Firma verkauft und vermietet die 80 Zentimeter hohen, 80 Zentimeter tiefen und 1,60 Meter breiten Betonsperren seit Jahren, sie hat die Blöcke auch für den Dekra-Test zur Verfügung gestellt. Hamburg habe bei ihm vor wenigen Wochen rund 65 dieser Quader geordert.

"Wenn Kommunen wegen der Betonsteine anfragen, betone ich jedes Mal, dass sie dem Aufprall eines Lasters nicht gewachsen sind“, so Becker. Um überhaupt eine Schutzwirkung gegen ein schweres Fahrzeug in voller Fahrt zu erzielen, reiche es nicht aus, einige Poller nebeneinander aufzustellen. „Man muss sie verzahnen und übereinander stapeln, dann halten sie auch deutlich mehr aus und könnten einen Laster stark verlangsamen oder stoppen.“ Gestapelte „Legosteine“ sicherten beispielsweise den OSZE-Tagungsort, die Hamburger Messe, Anfang Dezember.

Schleswig-Holstein nutzt die Klötze nicht

In Schleswig-Holstein werden die nun bei dem Crash-Test durchgefallenen mobilen Anti-Terror-Sperren nach Angaben der Polizei nicht eingesetzt. Es gebe darüber keine polizeilichen Erkenntnisse, sagt Jürgen Börner, Sprecher des Landespolizeiamtes auf Nachfrage. Für das Einsetzen derartiger Sperren sind nach schleswig-holsteinischem Recht private Veranstalter beziehungsweise bei öffentlichen Events kommunale Ordnungsbehörden zuständig, sagte Börner. Die Polizei ist Beratungsinstanz.

Börner betonte, bei Einsatzlagen an neuralgischen Punkten könne die Polizei ergänzend schwere mobile Fahrzeuge als Sperre einsetzen. Grundsätzlich seien technische Sperren ohne Sicherungspersonal jedoch wenig wirksam. Zudem müssten Sperren hinsichtlich ihrer subjektiven Wirkung auf die Öffentlichkeit - Schüren von Ängsten oder Vermittlung von sichtbarer Sicherheit - und ihrer objektiven Zweckmäßigkeit beurteilt werden.

Mit Material von dpa