Hamburg. Der 16-Jährige wurde vor zwei Wochen an der Alster niedergestochen. Auf der Suche nach dem Täter kontaktieren Ermittler 11.500 Ärzte.

Neue Spur der Polizei nach dem Mord an dem 16-jährigen Victor E. vor zwei Wochen am Alsterufer: Mithilfe der Ärztekammer wurden mehr als 11.500 Ärzte kontaktiert, die Hinweise auf den Täter haben könnten. Das bestätigte Polizeisprecher Timo Zill auf Anfrage des Abendblatts.

Ein Unbekannter hatte den 16-Jährigen am Abend des 16. Oktober plötzlich mit einem Messer attackiert und dabei tödlich verletzt. Offenbar könnte sich der Täter dabei selbst ebenfalls verletzt haben und bei Medizinern vorstellig geworden sein. Die Freundin des Opfers stieß der Täter ins Wasser. „Die Ärzte wurden bereits vor einigen Tagen kontaktiert“, so Zill. Zu Details wollte er keine Stellung nehmen. Gesucht werde jedoch nach einem Mann mit einer Schnittwunde an der Hand. Nach Abendblatt-Informationen sind in der E-Mail an die Ärzte nur wenige weitere Informationen enthalten.

In dem Mordfall werden die Ärzte teilweise von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden. "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein hohes Gut. Es kann jedoch Einzelfälle geben, in denen ein Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt ist - beispielsweise, wenn ein Arzt Anhaltspunkte dafür hat, dass von einem Patienten eine konkrete Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen ausgeht", sagte Sandra Wilsdorf, Sprecherin der Ärztekammer. In diesem Fall dürften die Ärzte auch sensible Informationen mit Ermittlungsbehörden teilen.

Auch nach der angeblichen Bekennerbotschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Internet, sie sei für die tödlichen Messerstiche auf den 16-Jährigen verantwortlich, geht die Hamburger Polizei bei ihren Ermittlungen mehreren Ansätzen nach. Sprecher von Innenbehörde und Polizei betonten, dass nach wie vor in alle Richtungen ermittelt wird – auch weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des IS-Bekenntnisses gebe. Dennoch werde ein möglicher islamistischer Hintergrund geprüft.

Experten zweifeln an IS-Hintergrund

Im Gymnasium im Bezirk Eimsbüttel, in dem der Jugendliche Schüler gewesen war, wurde am Montag, dem ersten Schultag nach den Ferien, des Mordopfers gedacht. Der Unterricht begann mit einer Klassenstunde. „In dieser werden die Schüler informiert, und die Klassenlehrer beantworten die Fragen der Schüler, soweit es überhaupt Antworten gibt“, schrieb der Schulleiter in einer E-Mail an Eltern und Lehrer.

Zusätzlich wurden sechs Betreuer der Schulbehörde und zwei Pastoren für die Seelsorge angefordert. „Natürlich dürfen die Schüler (...) jederzeit aus dem Unterricht ein individuelles oder ein Kleingruppengespräch mit den Beratern aufsuchen sowie in den Raum der Stille gehen“, sagte der Schulleiter. In einem weiteren Schreiben nannte die Schule die Telefonnummern des Landeskriminalamtes für jene Schüler, die etwas „zu aktuellen Problemen und Streitigkeiten von Victor sagen können“ oder zu ihm an jenem Sonntag in den Herbstferien Kontakt hatten.

Experten sehen die Theorie eines Terroranschlags skeptisch. „Das Bekennerschreiben kommt sehr spät, es enthält kein Täterwissen, aber inhaltliche Fehler“, sagte Sicherheitsberater und Nahostexperte Florian Peil.