Hamburg. Wie viele Tötungsdelikte, Vergewaltigungen, Einbrüche und Diebstähle wurden früher registriert? Auch Rockerkrieg ist schon lange Thema.

Früher war nicht alles besser: Es gab in den 90er-Jahren deutlich mehr Straftaten als heute. Sieht man sich die Statistik jeweils im Abstand von zehn Jahren an, ist die Kriminalität in Hamburg insgesamt auf dem niedrigsten Stand seit 1985. Die Zahlen steigen zwar wieder. Doch der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana Universität in Lüneburg erkennt in vielen Bereichen einen Anstieg der Qualität und nicht der Quantität bei der Kriminalität.

Bei den Autoaufbrüchen waren es vor 20 Jahren mit 39.917 noch mehr als doppelt so viele Taten wie heute. 16.725 Fälle wurden im Jahr 2015 angezeigt. Und auch beim Einbruch lagen die Zahlen 2015 ein deutliches Stück hinter den hohen Zahlen von 1995, damals gab es 11.214 Einbrüche, rund 400 weniger als 1985.

Insgesamt war die Diebstahlskriminalität auf einem hohen Stand: 1985 und 1995 wurden in Hamburg jeweils gut 40.000 Diebstähle mehr angezeigt als im vergangenen Jahr. Das waren 2015 immerhin 123.798 Taten.

Bei den Tötungsdelikten weist die Statistik mit 79 Fällen deutlich weniger als 2005 (130) und 1995 (116) aus. Und selbst die Zahl der Raube liegt mit 2729 Fällen im Vergleich zu 2005, 1995 und 1985 auf dem niedrigsten Stand. Vor 21 Jahren waren es mehr als doppelt so viele angezeigte Fälle von Vergewaltigung wie im vergangenen Jahr. Was der Langzeitvergleich auch zeigt: Es wird deutlich ruppiger im Alltag.

Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen steigt kontinuierlich an. Mittlerweile ereignen sich in Hamburg mehr als doppelt so viele Fälle wie 1985. Die Gewaltkriminalität ist von 1985 bis 1995 deutlich gestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben.

Zusätzlich hatte es „Wellenbewegungen gegeben. 2001 war das Jahr mit den meisten Straftaten in Hamburg. 318.528 Fälle wurden angezeigt. Zum Vergleich: Im Jahr 1992 waren es noch 306.643 Straftaten. Auffallend: Anfang der 90er-Jahre gab es die erste Flüchtlingswelle. Damals herrschte auf dem Balkan Krieg. Um das Jahr 1992 war die Zahl der Diebstähle besonders hoch.

Weniger Brutalität im Rotlichtmilieu

In dem Jahr wurden mehr als 200.000 Taten registriert. Kemper sieht auch hier einen Zusammenhang: Personen, die sich nicht im eigenen Kulturkreis befinden und keinen Bezug zur Gesellschaft entwickeln, seien anfälliger für ein Abrutschen in die Kriminalität, behauptet er. Auseinandersetzungen, vor allem Verteilungskämpfe im Rotlichtmilieu, waren damals von exzessiver Brutalität geprägt.

1993 wurde auf einem Hinterhof auf St. Pauli „Bahri, der Zocker“ von einem aus Sizilien eingeflogenen Killerkommando erschossen. In der Zeit waren bei einer Schießerei auch ein Zuhälter und ein Einbrecher in einem Billardcafé an der Silbersackstraße getötet worden. Erst später stellte sich heraus, dass es Zufallsopfer waren – und sich das eigentliche Opfer eines Killers auch bewaffnet hatte und zurückschoss. Beide hatten den „Falschen“ getroffen.

Heute lässt der mittlerweile ab­geebbte Rockerkrieg zwischen den Hells Angels und den Mongols in Hamburg ansatzweise erahnen, wie blutig es Anfang der 90er-Jahre in Hamburg zuging. Nach 1995 ging die Zahl der Straftaten zunächst kaum ab und blieb bis zum Höchststand 2001 immer deutlich über den heutigen Kriminalitätszahlen.

Hamburg war Heroin-Hochburg

Damals hatte es eine ausgeprägte Drogenszene in Hamburg gegeben. 13.329 Straftaten im direkten Zusammenhang mit Rauschgift wurde damals erfasst. Im vergangenen Jahr waren es in Hamburg 9450 Fälle. Heroin – der Handel lag in der Hand von kurdischen Familienclans – war damals die alles beherrschende Droge, die es sonst nirgendwo so billig und so rein gab.

Süchtige aus ganz Deutschland und Europa kamen nach Hamburg, um hier für den nächsten Schuss Heroin zu leben und sich – in der Regel illegal – das Geld dafür zu besorgen. Die Drogenprostitution in St. Georg uferte aus. Am Hauptbahnhof wurde Diebesgut eben so offen angeboten wie Rauschgift. Lange waren Autoradios die bevorzugte Beute. 1992 meldete die Polizei die aus heutiger Sicht enorme Zahl von mehr als 65.000 Autoaufbrüchen. Die Zahl der Fahrraddiebstähle lag bei 21.547. Im Jahr 2015 waren es 15.620 Taten.

Die Quittung hatte die SPD bei der Bürgerschaftswahl 2001 bekommen. Die hohe Kriminalität war das prägende Wahlkampfthema, und Rechtspopulist Ronald Schill wurde in einer Koalition mit CDU und FDP Innensenator.

Mit dem Regierungswechsel und dem repressiven Vorgehen vor allem gegen Drogenkriminalität, kam auch die Wende in der Kriminalitätsstatistik. Die Zahl der Taten ging um fast 50.000 innerhalb eines Jahres zurück. 2010, als in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition regierte, war mit 224.775 Taten der Tiefststand erreicht. Davor hatte es zuletzt im Jahr 1980 weniger Straftaten in Hamburg gegeben.

Seit 2010 steigen die Zahlen tendenziell wieder. Angestiegen ist im Langzeitvergleich auch der Anteil der Ausländer unter den Straftätern. 1995 lag er bei fast 38 Prozent, 2005 bei rund 33 Prozent und im Jahr 2015 bei 45,2 Prozent. In jedem dieser drei Jahre wurden jeweils mehr als 70.000 Verdächtige ermittelt.