Hamburg. Zahl der Strafanzeigen steigt auf 108. Polizei berichtet über die Situation zu Silvester am Jungfernstieg. Kundgebung geplant.
Am Jungfernstieg hat es offenbar in der Silvesternacht, ähnlich wie auf dem Kiez, größere Probleme mit Übergriffen gegeben, als bisher bekannt. Wie das Abendblatt aus Polizeikreisen erfuhr, sollen dort „mehrere Hundert Männer mit Migrationshintergrund“ Böller und Silvesterraketen in die Menge geschossen haben. Die Männer seien „hochgradig aggressiv und alkoholisiert“ gewesen, sagt ein dort eingesetzter Polizist. „Die Situation war grenzwertig.“ Ein Zeuge berichtete dem Abendblatt: „In diesem Jahr liefen viele Migranten mit Schnapsflaschen durch die Silvestermeile, und es wurden Knallkörper gezündet. (...) Auf der Reesendammbrücke wurden Knallkörper auf den dort parkenden Autos gezündet.“
Als um kurz nach Mitternacht Zehntausende zum Kiez liefen, wurden die meisten Beamten aus der Innenstadt dorthin abgezogen. Am Jungfernstieg blieb nur ein Einsatzzug mit rund 20 Polizisten, der dem aufgeputschten Mob gegenüberstand. „Diese Situation zeigt, dass die Polizei keine Reserven mehr hat“, sagt Horst Niens, stellvertretender Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Grünen-Vize sorgt mit Äußerungen für Empörung
„Die Stadt wächst, unsere Aufgaben wachsen, wir brauchen dringend mehr Personal. In allen Bereichen.“ Wie berichtet waren in der Silvesternacht junge Frauen von Männern mit „südländischem, arabischem oder nordafrikanischem Aussehen“ auf der Großen Freiheit und dem Hans-Albers-Platz sexuell belästigt worden. Einige Übergriffe sind auch vom Jungfernstieg aktenkundig.
Kundgebung auf St. Pauli
Auf dem Kiez ist die Bestürzung groß: „Freundinnen haben mir erzählt, dass sie draußen angegrapscht wurden“, erzählt Burlesque-Tänzerin Eve Champagne, die in der Silvesternacht in Olivias Show Club arbeitete. „Eine kam herein und meinte: ,Ich musste noch nie so oft ,Verpiss dich!‘ sagen wie in dieser Nacht.‘“ Für Sonntag wird über Facebook zu einer Kundgebung auf St. Pauli aufgerufen. Unter dem Motto „Wir sind kein Freiwild! Finger weg!“ wolle man Solidarität mit den Opfern demonstrieren, ein deutliches Zeichen setzen. Treffpunkt ist um 15 Uhr vor dem Panoptikum.
Am Freitag hat die Polizei bekannt gegeben, dass inzwischen 108 Strafanzeigen erstattet worden sind. In den meisten Fällen geht es um sexuelle Übergriffe, um Raub und Diebstahl. In die Kritik war die Polizei geraten, weil die Vorfälle von Donnerstagnacht erst am Montagabend bekannt wurden. In der Tatnacht selbst sei auf der Davidwache nur zweimal eine sexuelle Beleidigung angezeigt worden, um 2 Uhr und um 3.30 Uhr, sagte Polizeisprecher Jörg Schröder dazu auf Anfrage. Eine weitere Tat mit Bezug zum Kiez sei am Sonnabend hinzugekommen, am Sonntag gegen 23 Uhr noch eine weitere.
„Bis zum späten Sonntagabend lagen der Polizei nur vier Anzeigen wegen sexueller Beleidigung vor“, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer dem Abendblatt. Nachdem am Sonntagabend bekannt geworden war, was sich in Köln abgespielt hatte, schauten sich die Ermittler am Montag auch andere Anzeigen mit Kiezbezug, vor allem Taschendiebstahls- und Raubdelikte, genauer an. Dabei stellte sich heraus, dass in sechs weiteren Fällen von einem Vermögensdelikt mit einer sexuellen Belästigung auszugehen ist.
Scholz: Wer als Gast Straftaten begeht, soll nicht bleiben
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich unterdessen für eine schnellere Abschiebung krimineller Flüchtlinge ausgesprochen. „Mein Gerechtigkeitsgefühl sagt mir: Wer in unserem Land zu Gast ist und Straftaten begeht, soll nicht hier bleiben“, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur. „Wer das Grundrecht auf Asyl schützen will, muss es auch gegen diejenigen verteidigen, die es beanspruchen und dann die Grundregeln unseres Zusammenlebens missachten.“ Deshalb sei es richtig, nochmal zu prüfen, ob Abschiebungen weiter erleichtert werden können. Der SPD-Vize warnte zugleich vor Schnellschüssen.
Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht hatte bereits SPD-Chef Sigmar Gabriel dafür plädiert, alle Möglichkeiten auszuloten, um kriminelle Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken.
Bis zum Freitag waren mehr als 100 Strafanzeigen von Betroffenen bei der Hamburger Polizei eingegangen, die von Männern umzingelt, begrapscht und bestohlen wurden. Der Bürgermeister hatte die Taten bereits am Dienstag als Schande bezeichnet. Die Täter müssten mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden.
Mit Material von dpa