Erschreckende Bilanz der Razzia in Billstedt: Bei einem Feuer wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Bei der Böller-Mafia von Billstedt wurden Zehntausende Euro Bargeld sichergestellt.

Hamburg. Die Bilanz der Razzia und einer Nacht in Angst für Hunderte Hamburger in Billstedt fällt erschreckend aus. Es waren illegale Böller so groß wie Handbälle, dazu echter Sprengstoff und Pistolen, die die Beamten und Experten für Explosives fanden. Nach dem bisher größten Fund von illegalem Feuerwerk im Stadtgebiet kommen immer weitere Details ans Licht. So wurden neben insgesamt vier Tonnen Pyrotechnik fünf Schusswaffen sowie zweieinhalb Kilogramm Gesteinssprengstoff bei dem Einsatz gefunden, wie Axel Hirth vom Zollfahndungsamt Hamburg der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Ein 45-jähriger Mann wurde bei dem Großeinsatz von Polizei, Zoll, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk am Dienstagabend vorläufig festgenommen.

Unter den Schusswaffen sei eine sogenannte Pumpgun und eine Glock-Pistole gewesen, sagte Hirth. Auch sei ein metallischer Gegenstand gefunden worden, bei dem es sich um eine Tretmine handeln könnte. „Der hatte da ein ganzes Arsenal“, sagte Hirth. Zunächst hatten die Ermittler von drei Tonnen Feuerwerkskörpern gesprochen.

Das Feuerwerk war in einer Wohnung und in der Tiefgarage eines mehrstöckigen Hauses im Stadtteil Billstedt sowie in einer Werkstatt im Stadtteil Hamm gefunden worden. Laut Polizei war es auch noch unsachgemäß gelagert worden. Wäre in dem Haus ein Feuer ausgebrochen, hätte es zu einer Katastrophe kommen können, sagte Hirth. „Wir sind jedenfalls sehr, sehr froh, dass wir das Lager geräumt haben.“

Die Polizei fahndet nach Hintermännern

Nun versuchen die Ermittler herauszufinden, ob der 45-jährige Wohnungsmieter, der bisher polizeilich nicht bekannt war, Komplizen hatte und wie er an die Feuerwerkskörper und an den Sprengstoff kam. Die meisten Feuerwerkskörper wurden in der Wohnung und in der dazu gehörenden Tiefgarage in Billstedt gefunden. Etwa eine halbe Tonne sei in der Werkstatt in Hamm gelagert gewesen, die offenbar als Verkaufsstätte gedient habe. Es seien auch 20.000 bis 30.000 Euro sichergestellt worden, sagte der Zoll-Sprecher.

Am Dienstagabend mussten bis zum Abtransport der Böller und Raketen 200 Wohnungen in der Umgebung evakuiert werden. Am späten Abend brachten Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks die Feuerwerkskörper dann an einen sicheren Ort, wie ein Polizeisprecher sagte. Einige der Böller hätten chinesische Schriftzeichen getragen.

Die illegalen Böller wurden aus einer Werkstatt verkauft

Auf die Spur der Feuerwerkverkäufer waren die Fahnder durch einen anonymen Hinweis gekommen. Dieser habe erst in die Werkstatt im Stadtteil Hamm und dann nach Billstedt geführt. Die Polizei rief erneut dazu auf, Feuerwerkskörper und Raketen ausschließlich im autorisierten Fachhandel zu kaufen.

In der Wohnung des Verdächtigen sah es albtraumartig aus: „Die Kartons mit dem Zeug stapelten sich in seiner Wohnung bis an die Decke“, sagte ein Beamter. Dort stießen die Fahnder auf Böller und Feuerwerksbatterien mit je 600 Schuss, einige von ihnen so groß wie Europaletten, außerdem eine Pumpgun und scharfe Munition.

Ein Entschärfer der Staatsschutzabteilung der Polizei ordnete nach Inspektion der mit Sprengstoff vollgestopften Wohnung umgehend die Evakuierung der umliegenden Gebäude an. Wer nicht für ein paar Stunden bei Freunden oder Angehörigen unterkam, fand in HVV-Bussen oder dem Großraumrettungswagen der Feuerwehr Unterschlupf. Gleichzeitig riegelte die Polizei das Gebiet um den Tatort weiträumig ab – zwischen Schiffbeker Weg und Möllner Landstraße stand der Verkehr stundenlang still.

Sportspaß-Center-Kunden mussten von Autos fernbleiben

Auch das Sportspaß-Center in Billstedt musste geräumt werden. Einige, die ihr Auto im Parkhaus abgestellt hatten, mussten für längere Zeit von ihren Wagen fernbleiben. Ob sie nach der Evakuierung einen Teil der Parkgebühren zurückerstattet bekamen, ist noch unklar.

So erkennen Sie sichere und legale Feuerwerkskörper

In Deutschland wurden 2013 Feuerwerkskörper im Wert von 124 Millionen Euro in die Luft gejagt. Während im Handel erhältliche Pyrotechnik mit CE-Prüfsiegel oder einer Zulassung der Bundesanstalt für Materialforschung und Materialprüfung (BAM) als sicher bei korrekter Anwendung gilt, sind die häufig in Osteuropa oder China hergestellten, nicht zugelassenen Feuerwerkskörper hochgefährlich. Immer wieder führen zu starke oder unerwartet frühe Explosionen zu schwersten Verletzungen.

Das Hauptzollamt Hafen unternahm daher unter dem Operationsnamen „Razzo“ einen Schwerpunkteinsatz gegen die „Böller-Mafia“. Dabei interessieren die Beamten vor allem Busse und Züge, die aus osteuropäischen Ländern nach Hamburg kommen – aus Ländern wie Polen stammt ein großer Teil der illegal nach Deutschland eingeführten Feuerwerkskörper.