Die Polizisten gingen gegen Fans in der Nordkurve vor, nachdem diese beim HSV-Spiel gegen Bayern Banner mit dem Schriftzug „ACAB“ gezeigt hatten. Dramatische Szenen überschatteten die Partie.

Bahrenfeld/St. Pauli. Heftige Auseinandersetzungen von Fußballfans und der Hamburger Polizei haben das Bundesligaspiel HSV–Bayern München (1:4) am Sonnabend überschattet. Schon vor dem Spiel wurden zwei Polizisten durch Flaschenwürfe verletzt, als Beamte Anhänger des HSV und Fans von Bayern trennen wollten.

Im Stadion lösten dann zwei Spruchbänder in den HSV-Blöcken einen Polizeieinsatz aus. Dabei wurde auch eine Fahne der „Chosen Few" – einer sogenannten Ultra-Fangruppe des HSV auf der Nordtribüne – zerrissen. Allein das dürfte die Auseinandersetzungen angeheizt haben und noch für viel Zündstoff sorgen.

In Block 25a und Block 22c, beide in der Nordkurve, hatten Fans Spruchbänder mit dem Schriftzug „A.C.A.B.“ gezeigt, was landläufig als Abkürzung für „All Cops are Bastards“ ausgelegt wird. Der Polizei ging diese als Beleidigung empfundene Abkürzung zu weit. Einsatzkräfte rückten in der Halbzeit auf die Nordtribüne vor. Einen so großen Polizeieinsatz in dieser Fankurve hatte es in dem neuen Stadion seit seiner Eröffnung 1999 noch nicht gegeben.

Im Block 25a zog sich die Polizei selbst wieder zurück, nachdem es Auseinandersetzungen gegeben hatte. Fans entfernten danach selbst das Banner. Im Block 22c, der Platz für bis zu 1400 Fans hat, explodierten Böller. Beamte wurden getreten.

Sie setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Welche Seite angefangen hat, ist unklar. „Der Angriff auf Block 22c wurde sofort mit Knüppel und Pfefferspray durchgeführt“, heißt es in einer Erklärung der Chosen Few. Zudem hätten Fanbetreuung und Leitung des Ordnungsdienstes im Vorwege dringend davon abgeraten, den Block zu stürmen. Dies habe die Einsatzleitung der Polizei konsequent ignoriert.

Laut Polizei hatten die Beamten Ordner unterstützt, die zuvor angegriffen und beworfen worden waren, als sie die Spruchbänder entfernen wollten. Für die aktiven Fans sei das Verhalten der Polizei eine „Kriegserklärung“ gewesen. „Dabei griffen Störer die Beamten massiv körperlich an, schlugen und bewarfen sie mit Stangen“, sagt Hauptkommissar Andreas Schöpflin. „Mehrfach mussten die Beamten Reizgas und Schlagstöcke gegen vermummte Straftäter einsetzen, um diese Attacken zu beenden.“

Vier Polizisten wurden dabei verletzt. Mehr als 150 Verletzte hat es laut Chosen Few aufseiten der Fans gegeben. Rein rechtlich kann sich die Polizei dabei auf ein Urteil aus Regensburg berufen: Das Gericht hatte gegen einen Fan angeführt, dass eine Kollektivbeleidigung gegen eingesetzte Polizisten auf eine „abgrenzbare und überschaubare“ Gruppe stattgefunden habe. Der Fan wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen beruft sich die Gruppe Chose Few auf ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe, das Beleidigung einer ganzen Berufsgruppe – im Zusammenhang mit einem Urteil zum umstrittenen Spruch „Soldaten sind Mörder“ – nicht als strafrechtlich relevante Beleidigung sieht.

„Ein Banner als Grund zu nehmen, in einem vollen Stadion einen Block unter dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken zu stürmen, ist vollkommen inakzeptabel. Die Inkaufnahme von Verletzten im dreistelligen Bereich steht in keinem Verhältnis zu einer solchen Provokation“, heißt es in einer weiteren Stellungnahme des HSV Supporters Club und dem HSV-Fanprojekt. „Man muss sich fragen, ob die Polizei aus den Vorfällen beim Champions League Qualifikationsspiel FC Schalke 04 gegen PAOK Saloniki überhaupt nichts gelernt hat“, sagt Christian Bieberstein, Abteilungsleiter der Abteilung Fördernde Mitglieder des Supporters Club. Dort hatte es im vergangenen August 30 Verletzte gegeben, als die Polizei ein Transparent in einer Fankurve entfernen wollte.

Die Stimmung am Sonnabend in der Imtech-Arena dürfte schon vorher durch Auseinandersetzungen aufgeheizt gewesen sein. Am S-Bahnhof Eidelstedt hatten rund 150 Fans die Auseinandersetzung mit Münchner Fans, die von Fans des FC St. Pauli unterstützt wurden, gesucht. Als die Polizei eingriff, hagelten Flaschen der HSV-Fans auf die Beamten nieder. Eine Polizistin erlitt so schwere Verletzungen, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Nach dem Spiel gab es erneute Auseinandersetzungen auf dem Kiez. „Gegen 19.40 Uhr wurden etwa 160 zum Teil vermummte Fans von Polizeibeamten angehalten und auf der Talstraße in Gewahrsam genommen“, sagt der Polizeisprecher. „Während der Identitätsfeststellungen erschienen um 20.45 Uhr noch einmal etwa 100 vermummte Personen, die von den Einsatzkräften abgedrängt wurden und sich anschließend in unbekannte Richtung entfernten. Es sollen Mitglieder des FC-Bayern-Fanclubs Schickeria und mit ihnen befreundete St.-Pauli-Fans gewesen sein.

An der Reeperbahn wurden die Fans nach Feststellung ihrer Personalien auf mehrere Busse verteilt. Für die Hamburger stand ein Gelenkbus der Hochbahn bereit. Wie ein Polizist vor Ort sagte, wurden die insgesamt 46 beteiligten St.-Pauli-Fans auf Reviere in Billstedt, Jenfeld und Poppenbüttel aufgeteilt – nicht gerade der nächste Weg. „Aber in der Davidwache ist kein Platz.“ Die Hamburger Fans wurden um 23.45 Uhr wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Münchner Fans wurden unter Polizeibegleitung zu ihren Reisebussen gebracht, um direkt nach Hause zu fahren.