Polizei entdeckt Spuren einer hochexplosiven Substanz an acht Feuerlöschern. Neun Wohnblocks evakuiert
Barmbek. Um 16.30 Uhr gaben die Sprengstoffexperten Alarm. Gerade hatten sie an mehreren Feuerlöschern im Keller des Barmbeker Wohnhauses an der Wachtelstraße 53a Spuren eines hochexplosiven Sprengstoffs entdeckt. In zwei Kellerräumen lagerte der mutmaßliche Geiselnehmer Thomas F., der am Freitagabend eine 26-jährige Frau entführt und in seiner Wohnung gefangen gehalten hatte, gleich einige Dutzend Feuerlöscher. Wie viele möglicherweise mit einer hochexplosiven Mischung gefüllt sind, war unklar. Fest stand jedoch: Das Gefährdungspotenzial ist extrem hoch, Menschenleben sind eventuell bedroht.
Sofort ordnete die Polizei eine Evakuierung des Hauses und acht umliegender Wohnblocks an. Rund 130 Menschen mussten fluchtartig ihre Wohnungen verlassen. "Hoffentlich passiert hier nichts", sagte ein Anwohner. Er war nicht der einzige Nachbar, der sich große Sorgen machte. Auch eine ältere Dame erkannte den Ernst der Lage. Im Korb ihres Gehwagens schob sie einen braunen Aktenkoffer vor sich her - um im Notfall die wichtigsten Papiere bei sich zu haben. "Was ist nur los hier bei uns", murmelte sie beim Verlassen ihrer Wohnung und warf den Sprengstoffexperten einen ängstlichen Blick zu.
Nicht nur die Anwohner, auch die Beamten waren überrascht von dem Ausmaß des Einsatzes, obwohl man davon ausgehen musste, dass Thomas F. psychisch krank ist und möglicherweise unkalkulierbare Pläne hatte. Plante er womöglich sogar, das gesamte Wohnhaus in die Luft zu sprengen? Thomas F., der in Untersuchungshaft sitzt, schweigt. Zu den Tatvorwürfen hat er sich bislang nicht geäußert.
Am Freitag hatte der 30-Jährige eine 26 Jahre alte Frau mit Waffengewalt in seine Hochparterre-Wohnung verschleppt. "Seit Mai kannten sich die beiden flüchtig über einen Bekannten", sagte Polizeisprecher Mirko Streiber gestern. Was Thomas F. dazu bewogen hatte, die aus Israel stammende Frau in seine Wohnung zu verschleppen und offensichtlich länger gefangen halten zu wollen, ist unklar. Sicher ist nur, dass er schockierend gut vorbereitet war: Die Fenster waren mit Stacheldraht versperrt, in einem der beiden Zimmer stand eine alte gelbe schalldichte Telefonzelle, in der Thomas F. offenbar sein Opfer gefangen halten wollte. Die Polizei fand außerdem einen großen Lebensmittelvorrat. Zudem hatte sich Thomas F. eine Pistole und eine Handgranate besorgt. So bewaffnet, war er der jungen Frau hinterhergelaufen, der die Flucht aus seiner Wohnung durch das Fenster gelungen war. Nur zwei Stunden, nachdem Thomas F. sie entführt hatte.
"Nach jetzigen Erkenntnissen war die Wohnung für eine wochenlange Gefangennahme präpariert", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers gestern dem Abendblatt. Wegen des dringenden Verdachts der Geiselnahme drohen Thomas F. mindestens fünf Jahre Haft.
Ob er in den Feuerlöschern tatsächlich Sprengstoff aufbewahrte und um welche Art von explosiven Chemikalien es sich dabei handeln könnte, muss die Polizei jetzt ermitteln. Mit größter Vorsicht beförderten die Sprengstoffexperten die Behälter am Montag aus dem Keller, die Bergung dauerte bis in die späten Abendstunden. An acht Feuerlöschern fanden sie Anhaftungen eines selbst gemischten Sprengstoffs. "Sollten die Feuerlöscher mit dem Sprengstoff gefüllt sein, hätte der Mann damit mindestens einen Wohnblock in die Luft sprengen können", sagte ein Fachmann. Ein Spezialfahrzeug musste angefordert werden, um die Behältnisse zur Entschärfungsanlage der Sprengstoffexperten nach Altengamme zu transportieren. Vor allem, weil es sich um einen selbst hergestellten und keinen Industriesprengstoff handelt, mussten die Beamten extrem vorsichtig vorgehen.
Mit Sprengstoff hatte Thomas F. auch die Handgranate präpariert, die die Polizei sichergestellt hatte. Nur deshalb hatten die Beamten gestern überhaupt Sprengschutzexperten bei der Durchsuchung der Wohnung angefordert. Was sich als richtige Entscheidung erwies. Um 13.07 Uhr verließ der Sprengmeister im Vollschutzanzug das Gebäude mit einem blauen Müllsack. Der Inhalt: eine kleine Tüte mit einigen Gramm einer hochexplosiven Chemikalie. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, welche Dimension der spätere Sprengstofffund annehmen würde. Und eine weitere Entdeckung, die die Ermittler gestern machten, wirft Fragen auf: In der Wohnung des Täters lagen mehrere etwa zwei Meter lange massive Holzbalken. Was Thomas F. damit vorhatte, ist noch völlig unklar.