Im Keller von Thomas F., der in seiner Wohnung eine Frau gefangen hielt, hat die Polizei Sprengstoff-Spuren an Feuerlöschern entdeckt.

Hamburg. Die Polizei in Barmbek hat zum zweiten Mal die Wohnung des mutmaßlichen Entführers evakuiert. Auch die Nachbarn der angrenzenden Wohn-Blocks wurden aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Die Polizei hatte weiteren Sprengstoff-Spuren im Keller der Wohung entdeckt: "Wir haben an sechs bis acht im Keller des Beschuldigten sichergestellten Feuerlöschern Anhaftungen eines selbstgemischten Sprengstoffes gefunden und müssen nun prüfen, ob das Pulver auch in den Feuerlöschern steckt“, begründete Polizeisprecher Mirko Streiber die Maßnahme. Die möglicherweise hoch explosiven Feuerlöscher werden nach Streibers Angaben nicht vor Ort untersucht, sondern einzeln abtransportiert. "Das kann Stunden dauern“, sagte der Polizeisprecher.

Wegen eines verdächtigen Stoffes hat die Hamburger Polizei am Montagmittag das Haus des mutmaßlichen Geiselnehmers Thomas F. sowie ein Nachbarhaus im Stadtteil Barmbek evakuiert. Im Kellerraum des 30-Jährigen hatte die Spurensicherung zuvor selbstgemischten Sprengstoff gefunden. "Wir haben Entschärfer reingeschickt, die eine kleine Tüte mit der Substanz sichergestellt haben. Das Selbstlaborat war hochexplosiv“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber. Auch die bei der Tat verwendete Handgranate enthielt das Gemisch. Außerdem stießen die Beamten auf eine "hohe zweistellige Zahl“ von Feuerlöschern. In der Hochparterre-Wohnung in der Wachtelstraße hatte F. am Wochenende eine 26-jährige flüchtige Bekannte offenbar gefangen halten wollen. Die Frau konnte jedoch durch ein mit Stacheldraht verbarrikadiertes Fenster flüchten.

Unterdessen schweigt der mutmaßliche Geiselnehmer von Hamburg-Barmbek weiter zu den Tatvorwürfen. Der Mann habe bislang keinerlei Angaben zum Tatvorwurf gemacht, sagte ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft am Montag. Aufgrund der vorgefundenen Lebensmittelvorräte geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Mann sein Opfer über mehrere Wochen in seiner Wohnung gefangen halten wollte.

Gegen den mutmaßlichen Täter erging bereits Haftbefehl. Bei dessen Verkündung trat der Mann laut Staatsanwaltschaft ohne Verteidiger vor dem Haftrichter auf. Den Angaben zufolge lebte der Mann in „keinem strukturierten Umfeld und ohne soziale Bindungen“. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren.

Thomas F. hatte die aus Israel stammende Frau am Freitag mit Handschellen gefesselt und mit Waffengewalt in seine Wohnung gezwungen. Diese hatte er mit Stacheldraht vor den Fenstern , einer schalldichten Telefonzelle und größeren Lebensmittelvorräten für eine mögliche längere Gefangenschaft vorbereitet. Thomas F. sitzt nun in Untersuschungshaft, schweigt dort aber zu den Motiven der Entführung. Daher rätseln die Ermittler weiter über die Pläne des mutmaßlichen Täters. "Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass eine längere Aktion geplant war“, sagte Polizeisprecher Streiber am Montag.

Die Frau konnte sich schließlich in einem unbeobachteten Moment mit einem Sprung aus dem Fenster durch das Netz aus Stacheldraht retten. Der Täter folgte ihr, doch das Opfer konnte entkommen. Nachbarn alarmierten die Polizei, die den Mann schließlich festnahm. Gegen ihn erging Haftbefehl wegen versuchter Geiselnahme.

Was genau geschehen ist, will die Polizei nun mit Hilfe von Zeugen und der Aussage des Opfers herausfinden. Am Montag sollte die Wohnung des Mannes noch einmal intensiv durchsucht werden. Zudem wird ein möglicher Zusammenhang zu anderen Straftaten geprüft. "Die Tat an sich ist ja relativ klar“, sagte Streiber. "Wir prüfen jetzt, ob der Mann auch für andere Straftaten in Frage kommt oder möglicherweise Vorbereitungen dafür getroffen hat.“

+++ Abendblatt-Bericht: Stacheldraht an allen Fenstern +++

Der 30-jährige Deutsche ist bei der Polizei kein Unbekannter. "Er ist wegen unterschiedlicher Delikte bekannt“, sagte Streiber. Dazu gehörten Körperverletzung, Betrug und Stalking. Allerdings besteht laut Polizei kein Zusammenhang zwischen vorherigen Taten und der Entführung der 26-Jährigen.

Die beiden lernten sich im Mai über einen gemeinsamen Bekannten kennen, hatten seitdem unregelmäßig Kontakt. "Eine Beziehung zwischen Täter und Opfer gab es definitiv nicht“, betonte Streiber. Warum sich der Mann ausgerechnet die junge Frau aus Israel als Opfer aussuchte, stellt die Ermittler vor ein Rätsel.

Die 26-Jährige zog sich bei ihrer Flucht einige Schürfwunden zu, blieb ansonsten äußerlich unverletzt. Unklar ist, wie sie die zwei Stunden in der Gewalt ihres Entführers verkraftet. "Über den Grad der Traumatisierung können wir noch gar nichts sagen“, so Streiber.

Die versuchte Geiselnahme weckt Erinnerungen an andere Fälle, wie zum Beispiel die Entführung der Österreicherin Natascha Kampusch. Sie war ihrem Entführer im Jahr 2006 entkommen, nachdem sie acht Jahre lang in einem Verlies gefangen gehalten worden war. (dpa/dapd/abendblatt.de)