Pförtner Habib Naji hörte die Schreie und entdeckte das Baby, das bei bitterer Kälte in einem Koffer lag. Die Kripo fahndet nach der Mutter.

St. Pauli. Die Geräusche schienen aus dem Fernseher zu kommen. Oder als Klingelton aus irgendeinem Handy. Erst sehr viel später kam Habib Naji, Pförtner im Congress Center Hamburg (CCH), darauf, dass das zaghafte Wimmern aus diesem Koffer kam, der seit einer Stunde in einem Hinterzimmer lag. Als er ihn öffnete, fand er darin einen erst einen Tag alten Säugling. Irgendjemand hatte das Gepäckstück am frühen Dienstagabend vor dem Lieferanteneingang des CCH an der Tiergartenstrafle abgestellt. Das Mädchen lebt, die Kripo fahndet nach seiner Mutter.

Zuvor sei ein Mann, "so um die 40 Jahre und gepflegt", in das Pförtnerhäuschen gekommen und habe gesagt, dass "da draußen" ein Koffer stehe, sagt Habib Naji. Er habe daraufhin einen Mitarbeiter herausgeschickt, den Koffer zu holen. "Den fasse ich nicht an", sagte dieser. In Zeiten von Terrorwarnungen sorgen "herrenlose Koffer" für großes Misstrauen. Möglicherweise befindet sich ja Sprengstoff darin. Und ein Elektriker weigerte sich, den Koffer auch nur zu berühren. "Ich habe eine Tochter", entgegnete dieser.

Irgendwann fand sich ein dritter Mitarbeiter, der den schwarzen Trolley endlich in den Nebenraum der Pförtnerloge trug. Von einer Sprengstoffgefahr war dann erst mal keine Rede mehr. Möglicherweise würde sich der Besitzer ja melden. Eile bestand für Habib Naji jedenfalls nicht. Bis zu den Schreien des Mädchens. Vorsichtig öffnete Naji den Koffer. Das Neugeborene, das der Pförtner nun in den Händen hielt, hatte einen Strampler angezogen bekommen und eine Mütze. Es war in einen Schlafsack gehüllt. Nun endlich rief der CCH-Mitarbeiter die Feuerwehr. Als er auch noch die Polizei anrief, war diese bereits von den Rettern informiert worden und auf dem Weg.

Der Säugling kam daraufhin sofort in das Altonaer Kinderkrankenhaus. Dort stellten die Mediziner fest, dass es sich um ein einen Tag altes Baby handelte. Die Nabelschnur war durchtrennt worden, der Gesundheitszustand in Ordnung. "Es besteht keine Lebensgefahr", sagte ein Sprecher der Polizei.

Nun fahndet die Polizei nach der Mutter des Kindes. Noch am Abend hat die Mordkommission die Ermittlungen aufgenommen. Da die Gefahr für das Neugeborene, in der Kälte zu erfrieren, groß war, lautet der Verdacht der Beamten auf versuchte fahrlässige Tötung. Bislang ist auch noch unklar, welche Rolle der Passant, der laut Pförtner auf den Koffer aufmerksam gemacht hatte, in diesem Fall spielt. Mit einem Bluthund suchten Fahnder bis in die Nacht hinein nach Spuren.

Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Säuglinge in Hamburg ausgesetzt worden. Im Mai 2006 legte eine 21-Jährige nach einer längeren Taxifahrt in einem Haus in Wilhelmsburg ein etwa drei Wochen altes Mädchen ab. Mithilfe des Taxifahrers wurde sie wenige Tage später ermittelt. Laut Polizei wurde die Türkin von ihrer Familie wegen ihres Lebenswandels bedroht; sie hatte bereits drei Kinder von mehreren Männern. Nicht immer überleben die Kinder, wenn Mütter sie nicht annehmen wollen. So etwa im Januar 2004, als eine Mutter ihren kleinen Sohn nahe einem Spielplatz am Trauns Park in Rothenburgsort in einer Kuhle ablegte. Die Obduktion ergab, dass der Junge lebend zur Welt gekommen war und erst in der Plastiktüte erstickte. Die Ermittler der Mordkommission sicherten den genetischen Fingerabdruck, die DNA. Trotz intensiver Ermittlungen wurde die Mutter nicht gefunden.

Eine junge Frau, die im Februar 2003 ihr Neugeborenes in einer Mülltonne am Wiesenweg (Sasel) ablegte, wurde freigesprochen, da nicht festzustellen war, ob das Baby eines gewaltsamen Todes starb. Zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wurde eine 24-jährige Mutter verurteilt, die im Februar 2001 ihr Kind in der Wohnung eines Bekannten am Eppendorfer Weg (Eimsbüttel) zur Welt gebracht hatte. Sie steckte das Baby in eine Tasche, stellte es auf den Balkon und reiste nach Spanien. Das Kind starb.