67 brennende Fahrzeuge in diesem Jahr. Die Polizei kontrolliert mit 100 zusätzlichen Beamten verstärkt Straßen. Das Abendblatt war dabei.
Hamburg. Der Polizeikommissar beugt sich in den Opel Kombi und sucht nach dem Elektroanschluss. In der einen Hand hält er ein mobiles Blaulicht, in der anderen den Stecker. "Ich muss mich erst mal mit dem Wagen vertraut machen", sagt Kay G., 25. Der Beamte der Bereitschaftspolizei bereitet sich auf dem Parkplatz der Trabrennbahn in Bahrenfeld auf eine lange Nacht vor.
+++ Chronik der Hamburger Brandanschläge in diesem Jahr +++
Es ist 23 Uhr. Vor nicht einmal zehn Stunden hat Polizeipräsident Werner Jantosch angekündigt, eine 100 Beamten starke Fahndungsgruppe in Zivil einzusetzen, um endlich die Serie von Anschlägen auf Autos zu stoppen. Seit Jahresbeginn sind 67 Wagen von Brandstiftern angezündet worden. Kaum eine Woche vergeht ohne Anschläge. In Hummelsbüttel griffen Flammen schließlich auf einen Carport und fast auf ein Haus einer Familie mit Kindern über. Nur mit Glück blieben die Menschen unversehrt. Für Polizeipräsident Werner Jantosch war dies der letzte Auslöser für den Großeinsatz. Als "unerträglich" bezeichnete er den Anschlag. "Es scheint keine Hemmungen mehr zu geben."
Kay G. und sein Kollege Alex W., 29, klappen ihre Straßenkarte auf, um sich mit ihrem Einsatzgebiet vertraut zu machen. Der Bereich erstreckt sich von der Flurstraße, Luruper Chaussee bis zum Osdorfer Weg. "Es ist doch jedes Mal das Gleiche", sagt Alex W. schmunzelnd, "durch unser Gebiet verläuft immer der Knick der Karte." Dass sie heute einen Opel fahren, ist Zufall. Die Einsatzwagen werden bei jeder zivilen Streifefahrt neu zugeteilt. Mittlerweile hat Kay G. die Steckdose gefunden. Ein kurzer Test. Das Blaulicht funktioniert.
Rund 40 dieser Zivilstreifen sind nun in Lurup, Bahrenfeld, Othmarschen und Klein Flottbek unterwegs. Zusätzlich gibt es Beamte, die sich zu Fuß und auf Fahrrädern auf den Weg gemacht haben. "Wir wissen schon, dass wir die Nadel im Heuhaufen suchen", sagt Alex W. Der jüngste Anschlag wird einer Gruppe zugeordnet, die bislang acht Taten begangen haben soll. Stets in der Zeit zwischen 3 und 6 Uhr.
In der Steenkampsiedlung fällt den beiden Polizisten plötzlich ein junger Mann auf, der hinter einem Haus verschwindet. Dass er nicht wieder auftaucht, macht die beiden Zivilfahnder stutzig. Hat er etwas zu verbergen? Alex W. steigt aus, während Kay G. weiterfährt. Doch die Suche müssen sie kurz darauf abbrechen. Über Polizeifunk lotst Alex W. seinen Kollegen zu sich. "Der ist weg."
Am Theodorstieg haben die beiden mehr Glück. Wieder steigt Alex W. aus und verfolgt einen jungen Mann mit Kapuze, der scheinbar ziellos um 1 Uhr durch die Straßen huscht. Kay G. dreht eine Runde um den Block und fährt dem Verdächtigen entgegen.
Als der den Wagen bemerkt, werden seine Schritte schneller. Der Beamte bremst und steigt aus. Sein Kollege stellt sich bereits als Polizist vor. Ungläubig schaut der Mann die beiden Fahnder an. Sie tragen Jeans und dunkle Jacken. Ihre sportlichen Figuren und die ernsten Gesichter machen auf ihn den Eindruck, dass es Ärger geben könnte. Doch Alex W. zeigt sofort seinen Dienstausweis. "Wir führen wegen diverser Autobrände im Rahmen eines Schwerpunkteinsatzes Personenkontrollen durch. Sie sind uns aufgefallen."
Bereitwillig lässt der junge Mann sich durchsuchen. Papiere hat er nicht dabei, lediglich einen Brief mit seiner Adresse. Die Zivilpolizisten fragen ihn nach den Daten seiner Eltern, bei denen er wohnt. Die Fahnder gleichen diese mit dem Meldesystem der Behörden ab. Alles stimmt. "Das war's. Schönen Abend noch." Der 21-Jährige macht sich auf den Weg zu seiner Freundin. Gegen 5 Uhr dämmert es. Da bemerken die beiden Polizisten einen weiteren jungen Mann. Lohnt sich eine Überprüfung? Der Mann scheint zur Arbeit zu gehen.
Doch sicher ist man sich als Fahnder nie. "Eine Überprüfung ist aber immer ein Eingriff in die Bürgerrechte", erklärt Alex W. Einen Verdacht können die Fahnder nicht begründen. Also lassen sie den Mann ziehen. Um 6 Uhr morgens endet der Nachtdienst. Mehr als 130 Kilometer sind die beiden Polizisten nun gefahren. Einen Brandstifter haben sie nicht gestellt. Auch die übrigen Kollegen nicht. Es haben keine Autos gebrannt. Ob das in der kommenden Nacht passiert, können sie nicht wissen. Aber auch die Täter wissen nicht, wo die 100 Fahnder in dieser Nacht auf Streife sind.