Nach den Durchsuchungen vom Donnerstag weist der SPD-Politiker den Vorwurf zurück, Polizei-Vermerke gefälscht zu haben.

Hamburg. Der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Bülent Ciftlik hat den Vorwurf zurückgewiesen, er habe Polizeivermerke gefälscht. „Ich persönlich bin fassungslos, welcher Hetzjagd ich derzeit ausgesetzt bin“, teilte der frühere SPD-Sprecher am Freitag mit. „Der Verdacht gegen mich wird sich als völlig haltlos herausstellen und ich bin sicher, dass die Ermittlungsbehörden am Ende die wahren Hintergründe aufdecken werden.“ Staatsanwaltschaft und Polizei hatten am Donnerstag die Wohnung und zwei Büros des 37-Jährigen durchsucht. Ciftlik muss sich zudem von Mitte April an vor Gericht verantworten, weil er eine Scheinehe vermittelt haben soll.

SPD-Hoffnungsträger im juristischen Sumpf

Bülent Ciftlik galt lange als strahlender Hoffnungsträger der zerstrittenen Hamburger SPD. Doch inzwischen sorgt der einst aufstrebende Politiker - von der „Bild“-Zeitung gar zum „Obama von Altona“ gekürt – vor allem als Verdächtiger für Schlagzeilen. Eine Scheinehe soll der Bürgerschaftsabgeordnete und frühere SPD-Sprecher vermittelt haben, gegen Bares. Und dann – so der schwerwiegende Verdacht – gefälschte Polizeivermerke gebastelt haben, um sich als Opfer einer Intrige darzustellen. Einer angeblichen Intrige von zwei politischen Intimfeinden.

Ermittler haben daher am Donnerstag die Wohnung des 37-Jährigen, sein Abgeordnetenbüro und das Büro der SPD in Hamburg-Altona durchsucht. „Es geht um den Verdacht der Verleumdung von Personen des politischen Lebens“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Denn in den - vermeintlichen – Vermerken des Landeskriminalamts wurden Ciftliks innerparteiliche Gegner Mathias Petersen und Thomas Böwer bezichtigt, für das Scheinehe-Verfahren gegen ihn verantwortlich zu sein.

„Letztlich sollte der Eindruck erweckt werden, dass die Ermittlungen auf Anschwärzen zurückgehen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, am Freitag. Dabei seien sie nicht nach Hinweisen von Privatpersonen ins Rollen gekommen – sondern nach der Anzeige eines Mitarbeiters des Einwohnerzentralamts. Er sei stutzig geworden und habe der Polizei gemeldet, eine Deutsche und ein Türke seien möglicherweise eine Scheinehe eingegangen.

Ciftlik steht von Mitte April an vor Gericht

Erst als die Ermittler diese Anzeige untersuchten, so Möllers, sei Ciftlik ins Spiel gekommen. Denn die Deutsche – eine Ex- Lebensgefährtin des Politikers – habe ausgeplaudert, dass er sie zu der Verbindung angestiftet habe. „Sie hat stark belastende Angaben gemacht.“ Der 37-Jährige hat die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stets vehement bestritten und als „völlig haltlos“ bezeichnet. Von Mitte April an muss er sich vor dem Amtsgericht verantworten.

„Dokumente waren augenfällig zweifelhaft“

Als im November – einen Monat vor der Anklageerhebung – die angeblichen Polizeivermerke auftauchten, schien das wie ein weiteres Kapitel in der innerparteilichen Schlammschlacht der Hamburger SPD. Schnell stellte sich heraus, dass die Dokumente gefälscht waren: So war ein Beamter, der die Papiere unterzeichnet haben sollte, schon im Ruhestand. „Bei genauem Hinsehen war augenfällig, dass sie zweifelhaft waren“, betont Möllers. Ein schmutziger Trick also.

Der frühere SPD-Chef Petersen, der Bürgerschaftsabgeordnete Böwer und die SPD stellten Strafanzeigen, die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst gegen Unbekannt. Bei den Untersuchungen ergab sich laut Möllers dann aber ein „gefestigter Anfangsverdacht“ gegen Ciftlik. Die Behörde verdächtigt ihn, im Juni oder Juli in seiner Wohnung oder im Büro die Polizeivermerke gefälscht zu haben. Vermerke, die laut Möllers „geeignet waren, die Glaubwürdigkeit und Lauterkeit der beiden Bürgerschaftsabgeordneten erheblich infrage zu stellen“.

Ciftlik weist Verdächtigungen zurück

Ciftlik wies die Verdächtigungen am Freitag als „unglaublichen Vorwurf“ zurück. „Der Verdacht gegen mich wird sich als völlig haltlos herausstellen und ich bin sicher, dass die Ermittlungsbehörden am Ende die wahren Hintergründe aufdecken werden.“ Zum laufenden Verfahren könne er sich allerdings nicht näher äußern, „auch wenn dies als defensiv interpretiert werden mag“.

SPD bleibt auffallend still

Die SPD Hamburg – sonst sehr eifrig beim Verfassen von Pressemitteilungen – blieb auffallend still. Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann gab sich abwartend. „Wir sind froh, dass die Staatsanwaltschaft das so schnell aufgreift“, betont sie immer wieder, „und hoffen, dass das Thema bald beendet ist.“

Ob Ciftlik die Partei über die Durchsuchung informiert habe? „Nein.“ Was der Landesvorsitzende und frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz zu dem neuen Verdacht sage? „Herr Scholz ist im Urlaub und hat dazu nichts weiter gesagt.“ Ob Ciftlik sein Bürgerschaftsmandat nun zurückgeben sollte? „Herr Ciftlik lässt zur Zeit sein Mandat ruhen.“

Drei Jahre nach der Stimmzettel-Affäre beutelt nun die Ciftlik-Affäre die – traditionell in viele Seilschaften zerfallenen - Genossen im Norden. 2007 waren bei der Abstimmung, ob Petersen oder die Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Stapelfeldt gegen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) antreten soll, rund 950 Stimmzettel verschwunden. Der Dieb, der bisher nicht gefunden wurde, brachte Petersen um seine=Spitzenkandidatur. Was aus Ciftliks politischer Karriere wird, ist offen. Klar ist allerdings: Wer wegen Verleumdung verurteilt wird, kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft bekommen.