Die Polizei sucht seit einer Woche in einer Lagerhalle der Hells Angels in Altenholz bei Kiel nach Überresten des Türken, der spurlos verschwand.

Kiel. Ein Ex-Rocker hat vor dem Kieler Landgericht massive Vorwürfe gegen den Hells Angel Frank Hanebuth erhoben. Der Chef der Hannoveraner Hells Angels, der eine führende Rolle bei den Rockern in Deutschland und auch im Norden spiele, habe über die Ermordung des seit zwei Jahren vermissten Türken Tekin Bicer in Kiel entschieden und „grünes Licht“ für das Verbrechen gegeben, sagte der frühere „Präsident“ der inzwischen aufgelösten Kieler Rockergruppe Legion 81, einer Art Hilfstruppe der Hells Angels am Donnerstag.

Frank Hanebuths Anwalt, Götz von Fromberg, sagte der Nachrichtenagentur dpa dazu: „Sofern es um Herrn Hanebuth geht, sagt er die Unwahrheit.“ Der hannoversche Hells-Angels-Chef kenne den Mann gar nicht, der in Kiel ausgesagt habe. Aufgrund der Angaben des Ex-Rockers war in der vergangenen Woche Hanebuths Privathaus von Spezialkräften der Polizei durchsucht worden.

Unter schärfsten Sicherheitsbedingungen sagte der Angeklagte, der Zeugenschutz hat, den ganzen Tag über vor Gericht in Kiel aus. Er gab dabei Einblicke in das Innenleben der Hells Angels. Der Ex-Rocker trug eine schusssichere Weste. Aus dem mit einer Glasscheibe abgetrennten Zuschauerraum rief ein tätowierter Mann eine indirekte Morddrohung: „Der ist tot.“

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Vom Mord an dem Türken habe er auf einer Weihnachtsfeier 2010 erfahren, als er in den inneren Führungszirkel der Kieler Hells Angels aufgenommen worden sei, sagte der Angeklagte. Die Polizei sucht seit einer Woche in einer Lagerhalle der Hells Angels in Altenholz bei Kiel nach Überresten des Türken, der vor zwei Jahren spurlos verschwand – bislang ohne erkennbaren Erfolg.

Der Ex-Rocker berichtete, wie ihm das Verbrechen bei der Weihnachtsfeier geschildert worden sein soll. Demnach sei der Türke von Hells Angels stundenlang gequält, mit einem Werkzeug auch anal gefoltert, angeschossen und schließlich vom sogenannten Sergeant der Kieler Hells Angels mit einem Kopfschuss getötet worden. Geräusche wie ein Seehund habe das Opfer während der Torturen gemacht und geröchelt, während die Täter sich darüber amüsiert hätten.

Zum Motiv sagte der Ex-Rocker, der Türke sei in Ungnade gefallen. Es sei um Waffengeschäfte, Prostitution und viel Geld gegangen. Im übrigen habe es ein Kopfgeld für den Türken gegeben, der selber einen Kurden getötet hatte. Dessen Vater soll, wie bereits die „Kieler Nachrichten“ berichtet hatten, 100 000 bis 150 000 Euro ausgelobt haben.

Hanebuth soll nach den Aussagen auch auf die Kieler Hells Angels großen Einfluss ausgeübt haben. So habe er die Finanzlage in Kiel überwacht, und für den Gebrauch von Schusswaffen sei das Okay Hanebuths jeweils notwendig gewesen, sagte der Angeklagte vor Gericht. Als ein Beispiel nannte er „einen gezielten Warnschuss“ auf einen Rocker der mit den Hells Angels verfeindeten Bandidos in Preetz (Kreis Plön). Dort hatten die Bandidos ein eigenes Chapter aufbauen wollen, was die Hells Angels mit massivem Druck verhindert hätten.

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Hanebuth habe ihm persönlich in einem thailändischen Restaurant in Kiel für das Vorgehen in Preetz einen Umschlag mit 5000 Euro gegeben - 3000 Euro quasi als Honorar plus 2000 Euro für den Kauf eines Autos zur Ausführung der Tat, sagte der Ex-Rocker vor Gericht. Es reiche, wenn die Bandidos in Preetz einen Denkzettel erhielten, habe Hanebuth ihm gesagt.

Hanebuth soll auch über „Hausbesuche“ der Hells Angels entschieden haben – „das heißt in unserer Sprache, dass auf jemanden geschossen oder die Kniescheibe kaputtgehauen wird“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Im Endeffekt werde der Tod des jeweiligen Opfers in Kauf genommen. Die Hells Angels hatten demnach selber Waffen: Pistolen, eine abgesägte Schrotflinte, eine Handgranate – aufbewahrt in einer Tasche für den Ernstfall. „Wenn auf einen von uns geschossen wird, dann soll die Handgranate fliegen und drei von denen (dpa: rivalisierende Rocker) erschossen werden“, habe die Vorgabe gelautet.

Mit Material von dpa