Hamburg. Polizisten aus Nordrhein-Westfalen passen Ex-Bundestagsabgeordneten in Hamburg ab. Bringt sein Telefon die Wende im Steuerbetrugsfall?

Die Ermittlungen im größten europäischen Steuerbetrugsfall Cum-Ex laufen immer noch – und jetzt könnten sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) womöglich noch näher kommen. Denn Fahnder des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen sollen das Handy des langjährigen Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs beschlagnahmt haben. Wohl auch und vor allem, weil sie „beweisrelevante Kommunikation und Daten“ auf dem Gerät vermuten – „insbesondere“ zu Olaf Scholz und drei weiteren Personen. So jedenfalls berichtet es stern.de.

Laut „Stern“ habe Kahrs zunächst nicht mit den Fahndern der LKA-Sondergruppe „Alster“ kooperieren wollen. Dennoch sei sein Mobiltelefon beschlagnahmt worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Köln wollte dies zwar nicht offiziell bestätigen, teilte auf Abendblatt-Anfrage aber mit: „In dem von Ihnen genannten Sachverhalt – Namen werden ausdrücklich nicht bestätigt – dauern die Ermittlungen an. Gegenwärtig werden noch beweisrelevante Unterlagen und Datenträger ausgewertet. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden, ist noch nicht abzusehen.“

Cum-Ex-Prozesse: Banken machten riesige illegale Gewinne

Hintergrund: Mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften haben sich Banken Riesensummen an Steuern erstatten lassen, die sie niemals gezahlt hatten. Auch die Hamburger Warburg Bank soll an diesen kriminellen Aktiengeschäften beteiligt gewesen sein. Der Bank drohte daher eine Rückforderung von 47 Millionen Euro. Doch die Mitinhaber der Bank suchten auch mithilfe von SPD-Mann Johannes Kahrs Unterstützung beim damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Mehrmals traf Scholz Warburg-Banker Christian Olearius. An Details will er sich später nicht erinnern können.

2016 verzichtete das Finanzamt in Hamburg zunächst auf die Rückforderung an Warburg. Scholz bestreitet bis heute jegliche Einflussnahme. Im Jahr 2017 spendeten Warburg-Töchter oder mit Warburg verbundene Unternehmen nach Abendblatt-Recherchen mehr als 45.000 Euro an die Hamburger SPD. 2021 beschlagnahmten Ermittler mehr als 200.000 Euro Bargeld in einem Schließfach von Johannes Kahrs.

Cum-Ex-Untersuchungsausschuss findet keine konkreten Belege für Einflussnahme

Das Geld bekam er allerdings später zurück, es gab laut Ermittlern keine Hinweise, dass es illegal bei Kahrs gelandet war. Auch der Prozess gegen Warburg-Banker Olearius (82) wurde mittlerweile wegen der schlechten Gesundheit des Angeklagten eingestellt.

Der seit mehr als drei Jahren laufende Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft konnte weder dem heutigen Kanzler Olaf Scholz noch dem heutigen Bürgermeister und damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher (beide SPD) eine direkte und konkrete Einflussnahme auf das Vorgehen des Finanzamtes im Fall Warburg nachweisen.

Cum-Ex: Führen die Daten aus dem Kahrs-Handy ins Kanzleramt oder ins Leere?

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob Daten aus dem Handy von Johannes Kahrs daran etwas ändern. Laut „Stern“ liest sich „der Vermerk über den Zugriff“ vom 19. Juni 2024 „wie ein kurzer Krimi“. Noch auf der Straße hätten die Polizeibeamten Kahrs gefilzt. Dieser habe sein Handy zunächst nicht herausgeben wollen, schließlich aber habe er es doch getan und auch die PIN mitgeteilt.

Mehr zum Thema

Die Daten von dem Gerät könnten noch „für größere Aufregung sorgen und die Affäre in ein neues Licht rücken“, mutmaßt der „Stern“. Ob dem wirklich so ist, oder ob auch diese neue Wendung im Cum-Ex-Fall schließlich im Nirwana endet – das dürften die nächsten Wochen zeigen.

Das Abendblatt hat versucht, Kahrs für eine Stellungnahme zu erreichen. Er hat auf Anrufe jedoch nicht reagiert.