Hamburg. Maßregelvollzug überbelegt, Ausweichlösung U-Haftanstalt. Das sind die Gründe für den Anstieg bei den psychisch kranken Kriminellen.
Die Zahl der psychisch kranken Straftäter, die in Hamburg im sogenannten Maßregelvollzug in Ochsenzoll untergebracht sind, ist zuletzt weiter angestiegen. Das zeigen Daten, die der Senat jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU vorgelegt hat. Demnach waren Anfang Juli 417 verurteilte und als gefährlich geltende Patienten auf den 359 regulären Plätzen in der geschlossenen Einrichtung des Asklepios Klinikums untergebracht. Selbst wenn man die laut Senat 53 beurlaubten Patienten abzieht, bleibt eine Überbelegung bestehen. Zu Jahresbeginn 2023 lag die Zahl der Insassen noch bei 388.
Auch weil es nicht genügend Plätze gibt, werden eigentlich für den Maßregelvollzug vorgesehene Menschen in Hamburg immer wieder länger in der Untersuchungshaftanstalt untergebracht. Zuletzt betraf dies 18 Personen, die teilweise bereits länger als ein halbes Jahr in der U-Haft untergebracht sind. Der steigende Platzbedarf im Maßregelvollzug ist dem Senat seit Langem bewusst. Als Ursachen des stetigen Anstiegs gelten laut einem Senatsbericht aus dem Frühjahr verstärkte Einweisungen wegen durch Drogenkonsum verursachte Störungen, aber auch eine ungenügende ambulante Versorgung von psychisch schwer Kranken.
Justiz Hamburg: Zahl der psychisch kranken Straftäter steigt, aber es gibt zu wenige Plätze
Daher wurden in Ochsenzoll laut der Antwort auf die CDU-Anfrage zum 8. Juli weitere 16 Maßregelvollzugsplätze in Betrieb genommen, die Kapazität liegt nun bei 375 Plätzen. „Damit sind die Möglichkeiten zu baulichen Erweiterungen nach den für den Maßregelvollzug erforderlichen baulichen Sicherheitsstandards am Standort Ochsenzoll ausgeschöpft“, so der Senat. „Das hierfür im Wesentlichen genutzte Gebäude stellt aus baufachlichen Gründen nur eine Interimslösung dar und soll in den kommenden Jahren durch einen Neubau mit 80 Plätzen auf dem Gelände in Ochsenzoll ersetzt werden. Mit der Fertigstellung des Gebäudes wird nach bisherigem Planungsstand zum Ende der 2020er-Jahre gerechnet.“
Sozialbehördensprecher Wolfgang Arnhold sagte dem Abendblatt, dass die Planungen für den Neubau bereits seit zwei Jahren liefen. Derzeit werde im zuständigen Bezirksamt Hamburg-Nord eine Bauvoranfrage bearbeitet. „Davon wird auch abhängen, wie genau der Neubau baulich ausgestaltet werden kann“, so Arnhold. „Wenn die Bauvoranfrage abgeschlossen ist, folgt dann eine genaue Kostenkalkulation. Bauherr wäre dann die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, die Kosten trägt die Stadt.“
Derzeit sind 42 Insassen laut Senatsantwort bereits länger als zehn Jahre in Ochsenzoll untergebracht, neun der Insassen waren laut Senat bei der Aufnahme minderjährig. Auch die geschlossenen Psychiatrien an anderen Hamburger Kliniken sind stark belegt. Laut Senat gibt es hier 332 Betten, die zuletzt zu mehr als 92 Prozent ausgelastet waren.
Kriminalität Hamburg: „Unterbringung psychisch Kranker in U-Haft ist rechtswidrig“
Die CDU wirft dem Senat vor, nicht rechtzeitig auf die seit Jahren steigenden Zahlen reagiert zu haben. „Die Lage bei der Unterbringung gefährlicher schuldunfähiger Täter ist unhaltbar“, sagt CDU-Rechtspolitiker Richard Seelmaecker. „Der Maßregelvollzug ist seit Jahren heillos überfüllt. Schuldunfähige Tatverdächtige müssen seit Jahren in der Untersuchungshaftanstalt auf ihren Prozess warten, was sowohl für die Untergebrachten als auch für die Bediensteten eine erhebliche Zumutung und unseres Erachtens ein rechtswidriger Zustand ist.“
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Der Senat müsse „jetzt endlich für die notwendigen Erweiterungsbauten geschlossener Psychiatrien sorgen, um den stetig steigenden Bedarf zu decken“, so der CDU-Politiker. „Hierbei müssen die Gesundheit der Patienten, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter sowie die öffentliche Sicherheit gleichermaßen im Mittelpunkt stehen.“