Hamburg. Schleusung, illegale Einreise, Aufenthalt ohne Erlaubnis: Mehr als 9300 Verfahren gab es 2023, aber nur elf Täter wurden angeklagt.

Es gibt Gesetzesverstöße in Deutschland, die Deutsche gar nicht begehen können. Gemeint sind Verstöße gegen Ausländerrecht, also Gesetze, die regeln, wer nach Deutschland einreisen oder sich unter welchen Bedingungen im Land aufhalten darf. Im vergangenen Jahr hat es in Hamburg insgesamt 9381 neu begonnene Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz oder das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern gegeben. 49 davon bezogen sich auf die Einschleusung von Ausländern, der Rest auf „sonstige Straftaten“ nach den erwähnten Gesetzen.

Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU hervor, die dem Abendblatt vorliegt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Verfahren wegen Schleusung damit leicht angestiegen, denn 2022 gab es dazu lediglich 46 „Neuzugänge“. Zurückgegangen ist dagegen die Zahl der sonstigen Verfahren wegen Verstößen gegen Ausländerrecht, nämlich von 9765 auf jetzt 9332. Im Jahr 2021 allerdings hatte es mit 6940 noch deutlich weniger Verfahren gegeben. Die Fallzahl ist also von 2021 auf 2022 sprunghaft angestiegen.

Ausländerrecht: Tausende Verfahren, aber fast keine Anklagen

9158 Verfahren wurden laut der aktuellen Senatsantwort im vergangenen Jahr abgeschlossen, also „erledigt“. 41 davon bezogen sich auf Schleusung. Der größte Teil der Verfahren wurde allerdings nicht mit Anklagen bzw. Verurteilungen beendet, sondern mit Einstellung.

Von den 41 Verfahren wegen der Einschleusung von Ausländern nach Deutschland endeten 30 mit einer Einstellung, nur in vier Fällen kam es zu einer Anklage, zweimal gab es einen Strafbefehl, fünf Fälle fallen in der Senatsantwort in die Kategorie „sonstige Erledigungsart“.

Justiz Hamburg: Die allermeisten Verfahren wegen Verstößen gegen Ausländerrecht eingestellt

Auch bei den Verfahren wegen anderer Verstöße gegen Ausländerrecht wurden die allermeisten eingestellt. Von den 9117 Fällen kamen lediglich sieben zur Anklage, 5979 wurden eingestellt, 4151 davon wegen Geringfügigkeit, einige gegen Auflagen und einige nach Jugendstrafrecht, weil etwa erzieherische Maßnahmen für die jungen Täter angeordnet worden waren. 608 Fälle wurden an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben. 58-mal wurde das Verfahren durch einen Strafbefehl beendet (alle Details: siehe Grafik).

Die Zahlen der Verurteilungen wegen Verstößen gegen Ausländerrecht liegen laut Senat lediglich für 2022 vor. Damals gab es 30 Urteile, davon 29 Geldstrafen und eine Freiheitsstrafe. In 26 der Fälle ging es um Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, also etwa um illegale Einreise, illegalen Aufenthalt, Nicht-Ausreise trotz Aufforderung der Behörden oder die Nichtbeachtung einer „räumlichen Beschränkung“, wenn etwa der Aufenthalt von den Behörden nur auf einen bestimmten Ort festgelegt wird. In vier Fällen ging es um Schleusung, hier wurde in einem der Fälle die genannte Freiheitsstrafe verhängt.

CDU: „Das ist eine Bankrotterklärung der grünen Justizsenatorin“

Für die CDU weisen die aktuell vom Senat vorgelegten Zahlen auf ein gravierendes Problem hin. „Im vergangenen Jahr wurden bei der Staatsanwaltschaft knapp 9400 Ermittlungsverfahren wegen ausländerrechtlichen Straftaten geführt. Die Täter brauchen jedoch in Hamburg nur selten Konsequenzen zu befürchten, da kaum ein Verfahren vor Gericht gebracht wird“, moniert CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. „Der weit überwiegende Teil wird hingegen wegen ‚Geringfügigkeit‘ eingestellt. Das ist absolut inakzeptabel und eine Bankrotterklärung der grünen Justizsenatorin.“

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Denn der Grund für die vielen Einstellungen sei „die massive Überlastung der Staatsanwaltschaft, deren Dezernenten täglich gegen die Aktenberge ankämpfen“, so der CDU-Politiker. „Ein Freifahrtschein für die Täter ist für die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und für unsere Polizeibeamten, die tagtäglich auf den Straßen Hamburgs neue Verfahren einleiten, ein Schlag ins Gesicht. Wo sind wir mit unserem Rechtsstaat in Hamburg eigentlich hingekommen?“

Justiz Hamburg: „Wir dürfen vor Straftätern nicht kapitulieren“

Mehr als 4000 Einstellungen „bei kriminellen Ausländern wegen Überlastung auf der einen Seite und Millionen-Steuerbetrügereien im Cum-Ex-Skandal um Olaf Scholz und Peter Tschentscher auf der anderen“, knüpfte Seelmaecker eine überraschende Verbindung. „Wir müssen unsere Mitarbeiter in der Staatsanwaltschaft endlich unterstützen und dürfen vor Straftätern nicht kapitulieren. Das sind wir unserer Gemeinschaft und insbesondere den Opfern schuldig.“