Hamburg. Krebskranke Frau soll um wertvollen Habseligkeiten bestohlen worden sein. Gericht spricht Angeklagte frei. Zu viele Fragen bleiben offen.
Ist sie es oder ist sie es nicht? Eine goldene Anstecknadel spielt das Zünglein an der Waage beim Freispruch einer angeklagten Pflegerin. Der 41-Jährigen wurde vorgeworfen, am 25. November 2023 aus der Wohnung ihrer 94-jährigen Patientin in Hamburg-Niendorf diversen Goldschmuck entwendet zu haben. Ein goldenes Medaillon mit Familienfotos und zwei Diamantbroschen sowie eine goldene Anstecknadel in Form einer Gerte, um genauer zu sein. Eben so eine Gerte konnte die Polizei bei der Angeklagten konfiszieren. Doch handelt es sich dabei wirklich um den Goldschmuck der krebskranken Frau?
Die Pflegerin weist die Vorwürfe von sich. „Ich habe in meinem Leben noch nie geklaut und würde auch nie klauen“, sagt die Angeklagte. Die 63-jährige Nichte des mutmaßlichen Opfers hat die Pflegekraft angezeigt und tritt in dem Prozess als Zeugin auf. Als sie ihre Tante besucht hat, sei diese sehr aufgeregt gewesen. Die Pfleger hätten die Schränke und Schubladen aufgemacht, habe die 94-Jährige gesagt, die mittlerweile verstorben ist. Als die Nichte daraufhin eine Schmuck-Schatulle öffnete, habe Goldschmuck gefehlt.
Prozess Hamburg: Pflegerin wird vorgeworfen, krebskranke Patientin bestohlen zu haben
„Ich wusste von drei Schmuckstücken, die ich selbst reingetan habe“, sagt die 63-Jährige. Dazu zählten eine Brosche, ein Medaillon sowie ein goldenes Armband. Der Polizei gegenüber erwähnte ihre Tante außerdem eine goldene Anstecknadel in Form einer Gerte. „Das Schmuckstück hatte ich selbst gar nicht auf der Rechnung“, sagt die Nichte.
Eineinhalb bis zwei Monate haben die Angeklagte und ihre Kollegen die Pflege der 94-jährigen Frau übernommen. „Die hatte Krebs im ganzen Gesicht“, sagt die Angeklagte. Bei ihrer Arbeit habe sie natürlich Schränke aufmachen müssen. „Wir haben in der Wohnung Schmuck gesehen, aber nie das, was da aufgelistet wurde“, sagt die 41-Jährige. Irgendwann habe es dann geheißen, dass Schmuck fehlt. „Es ist das erste Mal in meinen 20 Jahren, dass ich so etwas erlebe“, sagt sie.
Polizei findet Anstecknadel bei der Angeklagten: Ist das der Schmuck ihrer Patientin?
Die Polizei hat bei der Angeklagten eine Anstecknadel in Form einer Gerte gefunden und sichergestellt. Die Pflegerin behauptet, diese Anstecknadel von einer ehemaligen Patientin geschenkt bekommen zu haben. Diese sei Kutscherin gewesen, zusammen hätten sie auch das Hamburger Spring- und Dressur Derby besucht. Die Patientin sei mittlerweile verstorben. Die Polizei legte der Nichte der 94-jährigen Frau die Gerte zur Identifikation vor. „Sie lag 30 Zentimeter vor mir, und ich habe gesehen, das ist sie“, sagt die Zeugin.
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Im Gerichtssaal begutachten Richterin, Staatsanwaltschaft, Zeugin und Angeklagte das Schmuckstück. Sie vergleichen die konfiszierte Anstecknadel mit Fotos der Gerte, die geklaut worden sein soll. Während sich die Zeugin sicher ist, die Anstecknadel ihrer Tante vor sich liegen zu haben, bleiben unter der Richterin und der Staatsanwaltschaft Zweifel.
Freispruch: Richterin kann nicht mit Sicherheit sagen, dass sie es war
Der Prozess endet mit einem Freispruch, es könne nicht sicher gesagt werden, dass die Pflegerin die Tat begangen hat, sagt die Richterin. Die 94-jährige Frau wurde nicht nur von der Angeklagten besucht, auch andere Personen hätten Schmuck entwenden können. Außerdem gebe es keine Zeugen für die mutmaßliche Tat, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Ob es sich auf den Bildern um dieselbe Anstecknadel handelt, kann ebenfalls nicht mit Sicherheit gesagt werden.