Hamburg. Zahl der Abschiebungen steigt um 30 Prozent. Innensenator Andy Grote spricht von einem „Rechtsstaat, der konsequent handelt“.

Die Ansage des Kanzlers überraschte auch manchen Parteifreund: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“, hatte Olaf Scholz im Oktober erklärt. Zumindest in Hamburg findet er Gehör: Hier ist die Zahl der Rückführungen im ersten Halbjahr um 30 Prozent gestiegen. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 841 Menschen abgeschoben, im Vorjahreszeitraum waren es 645 Personen. Priorität genießt dabei die Abschiebung von Straftätern.

„Wer in dem Land, das ihm Schutz gewährt, selbst zur Gefahr für die Sicherheit wird, für den muss der Aufenthalt in Deutschland enden“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) nun dem Abendblatt. „Wenn wir auch in Zukunft Akzeptanz dafür haben wollen, dass Menschen nach Deutschland kommen können, müssen wir gleichzeitig dafür sorgen, dass diejenigen, die unsere Sicherheit und unser friedliches Zusammenleben gefährden, hier keine Perspektive haben, sondern einen Rechtsstaat erfahren, der konsequent handelt.“

Die Behörde verweist darauf, dass das neue sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz der Innenministerin Abschiebungen erleichtert. „Das können wir inzwischen für Hamburg auch an den Zahlen ablesen“, sagte Behördensprecher Daniel Schaefer. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 1479 Rückführungen verzeichnet, so viele wie seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 nicht mehr. Die Behörde geht davon aus, dass diese Zahl 2024 noch einmal höher ausfällt. 

Flüchtlinge in Hamburg: Zahl der Abschiebungen steigt

Tatsächlich lagen die Abschiebezahlen zwischen 2020 und 2022 jeweils deutlich unter 1000. Die höchste Zahl wurde 2016 nach dem Massenzustrom ermittelt – damals wurden 3.062 Asylsuchende zurück in ihre Heimat gebracht.

Die 841 Abschiebungen sind auch in Relation zu den Neuankömmlingen in Hamburg durchaus relevant. Nach dem aktuellen Lagebild verblieben im ersten Halbjahr von 5075 neu registrierten Asylsuchenden 3291 Menschen in der Stadt. Bei den Rückführungen liegen derzeit Staatsangehörige aus der Türkei, Nordmazedonien und Serbien vorn. Neue Asylanträge stellen vor allem Afghanen (28 Prozent) und Syrer (11 Prozent).

Zahl der Ausreisepflichtigen sinkt um 19 Prozent

Ebenfalls rückläufig ist die Zahl der Ausreisepflichtigen in der Hansestadt. Sie sank um 19 Prozent von 10.977 im Mai 2023 auf 8.843 im Mai 2024. Die Innenbehörde konzentriert sich vor allem auf die Rückführung von Straftätern. „Hier geht es nicht nur um die rechtsstaatliche Durchsetzung der Ausreisepflicht, sondern auch um die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“, heißt es dort.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 103 verurteilte Straftäter aus Hamburg abgeschoben, ein Plus von 15 Prozent. Dabei ging es um Personen, die zuvor wegen bandenmäßigen Betrugs, Sexualdelikten, gefährlicher Körperverletzung und/oder Raubdelikten verurteilt worden waren.

Flüchtlinge Hamburg: Grote erwartet bald Abschiebungen von Afghanen

Zufrieden zeigt sich Innensenator Grote über seinen Vorstoß, Abschiebungen auszuweiten. Anfang Juni hatte der Sozialdemokrat die Debatte hinsichtlich der Abschiebung von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan angestoßen und einen entsprechenden Beschlussvorschlag in die Innenministerkonferenz in Potsdam eingebracht. „Ich bin froh, dass unser Antrag, Straftäter und Gefährder auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, so breite Unterstützung erfahren und das Bundesinnenministerium damit begonnen hat, die ganz konkrete Umsetzung von Rückführungen nach Afghanistan vorzubereiten“, so Grote.

Grote zeigte sich sehr zuversichtlich, dass die ersten Rückführungen in diese Staaten in absehbarer Zeit erfolgen können. Aktuell verhandele das Innenministerium vertraulich mit verschiedenen Ländern, um Wege zu eröffnen, über die Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder möglich werden.

Schlüsselt man die 841 Abschiebungen aus Hamburg auf, zeigt sich, dass viele Rückführungen ohne unmittelbaren Zwang erfolgen. 60 Prozent der Asylbewerber treten die Rückreise unter Überwachung freiwillig an. 18 Prozent werden in einen Drittstaat abgeschoben,  180 oder 22 Prozent in ihr Heimatland. Im Juni lagen die Rückführungen allerdings um 15 Prozent unter dem Vorjahresmonat.

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Zugleich sank die Zahl der gescheiterten Rückführungen in Hamburg deutlich. 142-mal wurden Rückführungen im ersten Halbjahr nicht vollzogen – in mehr als der Hälfte der Fälle wurden die Personen nicht angetroffen. Weitere Hindernisse waren Krankheiten oder das Problem, dass die Familien nicht vollständig waren.