Bahrenfeld. Neuartige Rechner gelten als Schlüsseltechnologie. Universität und TU Hamburg starten Gemeinschaftsprojekt – mit Unterstützung der EU.

Mit Quantencomputern sind große Erwartungen verbunden. Mithilfe dieser neuartigen Rechner, in deren Entwicklung weltweit gewaltige Summen investiert werden, sollen sich erheblich schneller als bisher etwa neue Medikamente entwickeln, Klimamodelle verbessern und logistische Prozesse im Flug- und Schiffsverkehr optimieren lassen – zumindest hoffen darauf Wissenschaftler und die Industrie.

In dem globalen Wettbewerb um die besten Quantentechnologien mischen auch Hamburger Forschende mit. Ihre Arbeit erhält nun weiteren Auftrieb: Mit sieben Millionen fördert der Europäische Fond für regionale Entwicklung (EFRE) das neue Projekt „Hamburg Quanten Computing“; die Stadt Hamburg gibt weitere zehn Millionen Euro dazu, wie die Wissenschaftsbehörde am Montagnachmittag mitteilte. Das Ziel sei, dass Wissenschaftler von der Uni Hamburg und der Technischen Universität Hamburg in Harburg in den kommenden sechs Jahren Soft- und Hardware für Quantencomputer entwickelten, hieß es.

Quantencomputer: Millionenförderung für Hamburger Forschung zu Superrechnern

An der Universität Hamburg arbeitet bereits seit Ende 2021 ein Team um die Physiker Klaus Sengstock und Henning Moritz an einem Quantencomputer-Prototyp. Vorerst noch nicht dazu gedacht und geeignet, um herkömmliche Computer abzulösen, sondern als „Booster“ für herkömmliche Supercomputer, die bei besonders komplexen „Optimierungsaufgaben“ an ihre Grenzen kommen oder zumindest viel Zeit für eine Lösung brauchen.

Das zunächst bis 2026 laufende Projekt namens „Rymax“ wird mit 25 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert. Die beteiligten Firmen, unter ihnen das Handels- und Dienstleistungsunternehmen Otto und die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), steuern weitere vier Millionen Euro bei.

Das Ziel des Rymax-Projekts ist, mithilfe von Laserstrahlen in einer Vakuumkammer einzelne Atome zu „fangen“ und diese dann so anzuregen und zu kontrollieren, dass die winzigen Teilchen zu Rechenkünstlern werden. Mittlerweile gelinge es tatsächlich, Atome zu fixieren, sagte Henning Moritz am Mittwoch dem Abendblatt. Zum Ende dieses Jahres könnten womöglich die ersten Berechnungen mit dem Prototyp gelingen.

Bundeskanzler Scholz weihte ersten Hamburger Quantencomputer ein

Neben den Uni-Forschenden in Bahrenfeld arbeiten in Lokstedt Experten aus der Wirtschaft unter der Federführung des Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrums (DLR) an weiteren Quantencomputer-Prototypen. Vor Kurzem stellte der Hamburger Halbleiterhersteller NXP, wie berichtet, den nach eigenen Angaben ersten vollständig in Deutschland entwickelten „Demonstrator“ eines Quantencomputers vor – im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

„Die enge Vernetzung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie ist das, was uns als Wissenschaftsstandort ausmacht“, sagte Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Mittwoch anlässlich des jüngsten, von der EU geförderten Quantencomputer-Projekts in der Hansestadt. Von einem „bedeutenden Fortschritt“ sprach Uni-Präsident Hauke Heekeren.

Was Quantencomputer besser machen sollen als herkömmliche Rechner

Um zu verstehen, warum mit Quantencomputern große Erwartungen verbunden sind, muss man sich den Unterschied zu klassischen Rechnern klarmachen. Deren Mikrochips funktionieren verkürzt dargestellt so: Unter dem Einfluss einer elektrischen Spannung werden Elektronen dazu gebracht, winzige Chip-Bausteine zu laden oder zu entladen. Eine Einstellung steht für 0, die andere für 1, die beiden Zeichen des digitalen Alphabets – Bits.

Kombinationen aus extrem vielen Einsen und Nullen bilden Informationen, mit denen ein Computer arbeitet, die er in Texte, Bilder oder Videos übersetzt. Supercomputer mit solchen Chips arbeiten zwar schon rasend schnell – doch mit der Zunahme der Datenmengen in Forschung und Industrie ist der Bedarf an noch mehr Rechenleistung gewachsen.

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Quantencomputer basieren nicht auf elektrischen Zuständen, sondern auf Phänomenen in der Welt der Quanten. Mit diesem Begriff gemeint ist der kleinstmögliche, nicht teilbare Wert einer physikalischen Größe, vereinfacht auch: ein bestimmter Zustand etwa von Atomen, die angeregt werden, zum Beispiel von Laserstrahlen. In dieser Form können Quanten zu Qubits werden, angelehnt an die Bits in herkömmlichen Computern.

Ein Qubit kann nicht nur im Zustand 0 oder 1 sein, sondern gleichzeitig in beiden Zuständen – oder theoretisch sogar unendlich viele Zustände dazwischen einnehmen. Mit Rechenanweisungen, die auf diese Fähigkeiten zugeschnitten sind, lassen sich mit Qubits in einem Schritt parallel viel mehr Berechnungen durchführen als mit herkömmlichen Bits, so hoffen Forschende und Firmen. Während ein klassischer Rechner viele mögliche Varianten nacheinander berechnen muss, etwa Längen verschiedener Routen und Fahrtzeiten, um am Ende zur besten Lösung zu kommen, soll ein Quantencomputer im Idealfall alle nötigen Berechnungen gleichzeitig durchführen können.